Maybelline. Taylor Brown

Maybelline - Taylor Brown


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der Wagen sank hinten immer tiefer herab wie irgendein lahmes Modell vom Fließband. Unter den gewölbten Kotflügeln befanden sich überdimensionierte Schwarzwandreifen, die in den Kurven gut auf der Straße lagen, und der Wagen hatte kaum Zierleisten. Die schweren Chromteile waren entfernt worden, und übrig geblieben waren lediglich die Nietenlöcher auf der Karosserie, was an Maschinengewehrsalven erinnerte. Das war der Wagen eines Tierfutterhändlers oder eines Bibelverkäufers oder jungen Mannes, der nach einer Färse oder Sau sah. Das war der gebräuchlichste Wagen auf der Straße in der gebräuchlichsten Farbe. Sämtliche Extras waren unter der Motorhaube oder hinter dem Steuer oder im Fahrersitz versteckt.

      Rory suchte die Reifen nach Nägeln oder Löchern ab und überprüfte, ob die Schweinwerfer und Blinker funktionierten. Er ging um die Wagenfront herum. Der große Motor knackte, während er abkühlte, und die Motorhaube verströmte Wärme. Die Seiten trafen sich in einer vertikalen Linie an der Vorderseite, wie der Bug eines U-Boots, und der ganze Wagen lief in einer Art Rammsporn zusammen.

      Als sie fertig waren, standen die Adern an Rorys Armen deutlich hervor, und der Stumpf unterhalb des Knies tat an der Stelle weh, wo er am Lederriemen rieb, mit dem die Prothese festgeschnallt war. Er glitt hinter das riesige Lenkrad, das wie die Fingerknöchel eines Mannes mit leichten Einkerbungen versehen war. Er blickte auf seine Uhr. Halb acht. Eli schüttelte ihm die Hand durch das geöffnete Fenster.

      »Viel Glück«, sagte er und klopfte auf den Fensterrahmen.

      Rory nickte und drehte den Zündschlüssel. Der Motor sprang sogleich an und tuckerte rhythmisch unter der Haube. Er blickte hinauf zu dem Haus mit den vier Zimmern, das aus mit der Axt gehauener Eiche gebaut und in den Ecken verzinkt worden war. Die Veranda unter dem Blechdach hing ein wenig durch, aber sie hielt. Die Fenster leuchteten golden; die streifenförmige Lehmabdichtung schimmerte weißlich im Dunkeln. Darüber hinaus gab es die Scheune, an der ein paar Dachschalbretter fehlten, den Schweinepferch und die Räucherei. Alles an seinem Platz. Nicht perfekt, aber ordentlich, und die Wiese darum herum schimmerte im Mondlicht tiefblau.

      Er drückte die Kupplung mit seinem Holzbein und legte den ersten Gang ein. Er lenkte den Ford von der riesigen Kastanie weg und bog auf die holprige Auffahrt ein, wobei er zusammenzuckte, als das Glas im Kofferraum klirrte. Er blickte in den Rückspiegel. Er sah Eli, der ihm vom gesprenkelten Schatten des Geisterbaums aus nachwinkte. Die Flaschen in den Ästen über ihm schimmerten, als wären sie mit einer Leuchtsubstanz gefüllt.

      Die Bäume warfen Schatten auf die Straße, und das durchschimmernde Mondlicht kräuselte sich auf der Motorhaube wie Elektrizität. Die Bergkämme erhoben sich zu beiden Seiten nachtblau, und hier und da war das vereinzelte Flackern von Destillen zu sehen. Vor ihm strömte die Straße wie ein mondbeschienener Bach den Berg hinunter. Er kannte sie gut, wie er auch die Nebensträßchen kannte, die verzweigt in die Täler hinabführten, um hohe Felswände herum und durch Tunnel aus schwarzen Eichen und Hickorybäumen hindurch.

      Er war auf dieser Straße schon gefahren, als er noch zwei Schulbücher unter seinem Hintern brauchte, während er mit einer Ladung Zucker oder Getreide oder Gerste die Fahrspur entlanggeholpert war. Anfangs waren es Fahrten in die nähere Umgebung gewesen, innerhalb des Countys, um hier und da Zutaten an Eustace’ Schnapsbrenner zu liefern, wobei er jeden Dollar sparte. Er kaufte den Ford am Tag seines fünfzehnten Geburtstags, bereit für größere Touren jenseits der Berge. Der Wagen besaß lediglich die Grundausstattung. Er und Eli nahmen den Motor Stück für Stück auseinander und bauten ihn so wieder zusammen, dass er röhrte.

      Der Wagen hatte die Hochleistungsfederung eines tonnenschweren Pick-ups mit achtlagigen Lkw-Reifen, die unter die Federung montiert worden waren. Er hatte ein Zweiganggetriebe, die Kupplung eines Zweitonners und den Hubkolbenverbrennungsmotor eines demolierten Krankenwagens. Er hatte einen Kompressor, der wie ein kleiner Werwolf unter der Haube jaulte, wenn er einen Luftstrom die eiserne Kehle des Motors hinunterzwang. Eine Panzerplatte schützte den Kühler. Doppelte Auspuffrohre schlängelten sich durch das Fahrgestell und führten dröhnend nach außen. Der Wagen machte in einem niedrigen Gang hundertvierzig Sachen in der Stunde und donnerte wie eine Kanone zwischen den Hügeln hindurch. Für ein solches Auto gab es nur einen Namen.

      Maybelline.

      Er konnte vierhundertfünfzig Liter Whiskey in Zweilitergläsern transportieren, mit vier Kisten auf dem Beifahrersitz, um das Gewicht gleichmäßig zu verteilen. Das Rattern und Klirren der Gläser im Kofferraum war zu hören, während der Wagen die Berge hinabdonnerte und dabei die kleinen Hügelwege kreuzte, wo die Steuerfahnder ihnen in ihren Zivilfahrzeugen auflauerten. Mit sechzehn machte Rory bis zu hundert Dollar am Abend – mehr als ein Wochenlohn fürs Holzschneiden oder Flusensammeln in einer Textilfabrik. Genug für eine Großmutter, die ihn großzog und behauptete, nichts zu brauchen, was nicht stimmte, und für die Mutter, die ihn großziehen wollte, aber nicht konnte.

      Dann kam der Krieg.

      Während er sich auf einem Lazarettschiff vor der koreanischen Küste befand, umgeben von teilweise mumifizierten Männern, fragte er sich, was er nach dem Krieg in den Bergen tun würde. Die Holzfirmen würden keinen Einbeinigen nehmen, und die Textilfabriken ebenfalls nicht. Vielleicht könnte er Böden wischen. Er fuhr von Camp Pendleton aus mit der langen silbernen Schnecke, die der Greyhound-Bus war, quer durchs Land, die Entlassungspapiere in die Innentasche seiner Jacke gestopft und den olivfarbenen Seesack im Gepäckraum. Sein Stumpf war noch immer wund und pochte heftig.

      Während er die endlosen Weiten von West-Texas durchquerte, las er Zeitungsberichte über Robert »Red« Byron, den Champion des Stockcarrennens, der auf den Flügel eines fliegenden Bombers in zwanzigtausend Fuß Höhe über japanischem Gebiet hinausgekrochen war, als eine Salve aus einer Flugabwehrkanone den Rumpf der Maschine aufriss. Sein Bein unter ihm explodierte, als wäre es der Knochen selbst gewesen. Er schaffte den Sechshundertmeilenflug zurück zur Luftwaffenbasis auf den Aleuten, wobei er die ganze Zeit Blut verlor. Die Chirurgen holten einen Haufen Granatsplitter aus seinem zerfetzten Fleisch und flickten das kaputte Bein mithilfe eines riesigen Stahlkäfigs wieder zusammen. Er brauchte siebenundzwanzig Monate für die Genesung. Zwei Jahre später nahm er an einem Stockcarrennen auf dem Seminole Speedway teil, sein Bein vernarbt und verdreht wie ein Shillelagh aus Schlehendornholz. Eine Metallspange lag noch immer um das Bein, das er mit der Kupplung verschraubt hatte. Er gewann das Rennen von Daytona Beach und den Road Course, schlitterte wieder und wieder vom rauen Asphalt des Highway A1A auf den Sand am Strand und grub sich einen Namen aus schwarzem Gummi und blauem Rauch hinein. Er gewann in Martinsville und Charlotte. Er gewann die ganze Zeit.

      Maybelline wartete in einer Werkstatt in Raleigh auf ihn, wo Rory den Wagen hingebracht hatte, bevor sein Schiff den Hafen verließ. Anfangs fuhr er stotternd und keuchend durch die Stadt, ging an Ampeln aus, fuhr hinten in Buicks rein und hinterließ Reifenabrieb auf den Straßen. Er quartierte sich in einem Motel ein und raste vom einem Ende des Orts zum anderen, machte nur für Kaffee und Zigaretten Pause und saß im gelben Schein spät geöffneter Diners. Er schlief und aß kaum, fuhr lieber schweigend herum, das einzige Geräusch das Brummen des Motors, seine Haut von verzweifeltem Schweißgestank bedeckt. Er fuhr und fuhr. Tage, die sich in Nächte verwandelten, und Nächte, die wieder zu Tagen wurden. Langsam nahm die Sicherheit am Steuer zu. Der Wagen spuckte und bockte nicht mehr und ging auch nicht mehr aus. Hinter dem Steuer eines solchen Gefährts war er kein Invalide.

      Es wurde Pleasure Island genannt. Seine letzte Lieferadresse für diesen Abend. Es befand sich in einer Quonsetbaracke, einem Hangar für militärische Überbestände aus Wellblech, der die Form einer riesigen Kugelassel besaß. Drinnen waren Kabinen von der Größe von Einzelbetten eingebaut worden, wo Matratzen auf Holzpaletten lagen. Die Kunden bekamen manchmal Durst.

      Rory parkte vor der Hintertür. Madam Erma hatte ihn kommen hören. Sie wartete an der Hintertreppe unter einer Vierzig-Watt-Glühbirne, die Augen dick mit Lidstrich umrandet und ihre Brüste in ein enges Korsett gezwängt. Ihr dunkel gefärbtes Haar war ein kompliziertes Nest aus Nadeln und Spangen. Sie zündete sich eine Zigarette an, an ihren Fingern glänzten Ringe und Steine.

      »Hallo, mein Süßer«, sagte sie. »Hast es also geschafft.«

      »Ja, Ma’am«, erwiderte er.

      Sie zog das


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