Jahrbuch Franz-Michael-Felder-Archiv 2020. Jürgen Thaler

Jahrbuch Franz-Michael-Felder-Archiv 2020 - Jürgen Thaler


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      Und hältst den Schlag meines Herzens an!

      Und doch gibst du mir keine Ruh:

      Du Tausendäugiger!

      Unheimlich ist mir deine Freundschaft!

      Unheimlich deine väterliche Art:

      Denn spielst du nicht mit der Angst der Rehe?

      Verschweigst du nicht, du Tausendstimmiger,

      Ein schreckliches Geheimnis

      Mit deiner Eulen flügellosem Flug?

      Geschehn nicht Morde

      Am Mittaghang

      Der rot von Erdbeeren brennt?

      Was will die Wurzel,

      Die nach mir rennt?

      Ich fürchte mich vor deinem goldenen Lächeln

      Vor deiner tiefen Tiere

      Gottlosen Augen.

      Gedichte 1930 – 1937

      Ans Kreuz des Südens

      Hast du mich angeschlagen

      Nun leucht ich weiss – doch tot – diese

      deine Nächte

      *

      * *

       *

      Plötzlich erschrak mein Körper

      Inmitten der brennenden Rosen

      Brannte er mit – ohne dich

      Auteuil, 27.8.1933

      Einen Tag und eine Nacht brauchte ich

      Um zu begreifen

      Dass Du es warst der an mein Herz klopfte

      Stark war ich und gross

      Wie im Gebirge

      Wuchsen meine Schmerzen über die Welt hinaus

      Das Linnen der Begrabenen presste meinen Leib

      Die Starre der Vergessenen dörrte meine Glieder

      Meine Augen waren leer wie die der Denkenden

      Da traf dein Atem mich

      Und ich erzitterte auf meiner Erde

      Zarter als der Krokus auf den Gräbern im Frühlingswind

      Leise rührtest du mich an

      Setztest sanft mir neue Augen ein

      Meine Brüste wurden spitz von der Berührung des Engels.

      Schwach bin ich nun

      Erschrocken und stumm

      Starr ich mit deiner Sehkraft

      Ins Antlitz der Verheissung

      Zögere nicht länger

      Du der über mich schwebt

      Spüre mein tödliches Zittern

      Stoss herab o mein Gott

      Komm!

       Hochsommerlied

      O dein Mohnblut

      Im Gewoge des Hafers

      Blaue Krone des Korns

      Die zum König mich kürt

      O du silberner Rittersporn

      Der die Lenden mir schürt

      Blühende Dornenhecke

      Dach meines Schlafes

      Dein Sommersonnengesicht

      Mir Atem mir Speise mir Licht

      Iwan

      21. Juni 1938

       Hügelwiese

      Nur einmal noch –

      Bevor der Berg beginnt –

      Den Kopf an deine traumduftende

      Hüfte schmiegen

      Das Haar mit Veilchengras vermischt

      Und im Geruch der Urgeburt versunken –

      Mutter! Mutter!

      Die ich verschrie,

      Niedere, Dienende,

      Die ich verschmähte,

      Die Wäsche wusch

      Im Acker grub

      Und nach dem Regen fragte –

      Mutter, Demutsmutter, Demeter

      Hier hier vor meinem Gang zu Gott

      Knie ich zu deinen Knien

      Und esse deinen Staub

      Weib, Leib, Erde!

      Ich lass fallen von mir

      Jahr um Jahr

      Wie der Platanenbaum seine Rinden.

      Langsam von der Stirn

      Löst sich das seidne Gelock

      Und der Geliebten

      Rötliches Lied entweht.

      Immer nackter wird meine Brust

      Immer einsamer mein Mund

      Immer grösser wird der Himmel

      Da die Augen mir

      Übergehn

       Klage auf Delos

      O käme jetzt die Amazone

      Noch den Galopp des Mustangs in den Hüften

      Und blutnass die Gelenke

      Von der gerade tobenden Schlacht:

      Sie würde mich retten,

      Nachtschattengefangene!

      Aber der Wind

      Findet den Weg zu mir nicht mehr,

      Die rosablaue Dämmerung

      Erstickt mich unter dem seidenen Zelt.

      Vom Himmel hängt die Ampel

      Die offenmündige Dattura

      Und mischt die Düfte des Todes

      In meinen Atem.

      Dort brennt die rote Schlacht,

      O klirrende Amazone

      Und dein Geschwader aufgeschäumter Pferde

      Sprengt Blitze in den Abend.

      Ich sehe deine rauchende Schulter

      Verwegene Heldin, fern!

      Mir aber steckt das Beil des Monds im Fleisch

      Und meine Mattheit ruft

      Die Tiere der Trauer schon:

      Die grossäugigen Sphinxe

      Und den bekreuzten Totenkopf,

      Indessen die Fledermäuse

      Mir schon die schwarzen Gehänge weben.

       Mein grosser Häuptling

      Ich danke dir dass du bist!

      Ein wildes Fest muss ich feiern

      Toben einen neuen Tanz


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