Prinzessin Christine. Helle Stangerup

Prinzessin Christine - Helle Stangerup


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erschien ein kaiserlicher Gesandter, de Praet. Der Kaiser hatte wahrscheinlich den mangelnden Willen der Schwester, den Ehekontrakt durchzuführen, geahnt, denn de Praet war aufgetragen worden, der Trauung beizuwohnen.

      Jetzt wurde die Regentin sehr freundlich. Sie bedankte sich überschwenglich für das Pferd, das ihr der Herzog zum Geschenk gemacht hatte, sie arrangierte ein Souper für Stampa und gestattete ihm, den beiden Prinzessinnen beim Tanzen eines ballo all’italiano zuzuschauen.

      Am Sonntag, dem 28. September 1533 nachmittags, fand die Hochzeit statt. Die Prozession betrat die Schloßkapelle von Lille. Die Braut wurde von der Regentin geleitet, während Stampa, der den Herzog vertrat, in goldenen Brokat gekleidet am Altar wartete. Violinen und Trompeten ertönten, der Bischof von Tournai vollzog die Trauung zwischen Christine von Dänemark und dem Herzog von Mailand in Gestalt eines anderen Mannes, und Stampa meinte eine große Freude auf dem Gesicht der Braut zu erblicken, als der Bischof ihr den mit einem schönen Rubin besetzten Ehering über den Finger streifte.

      Nach den Festlichkeiten hatte Stampa ein herzliches Gespräch mit der Regentin. Sie war gnädig und scherzte, doch wie sehr er sich auch bemühte, ein Datum für die Abreise wurde nicht festgesetzt.

      Die Regentin schaute ihn mit ihren schelmischen, braunen Augen an, machte eine bekümmerte Miene und bat ihn zu verstehen, daß sie unmöglich ihre geliebte Nichte in dieser Jahreszeit auf eine so gefährliche Reise schicken könne. Sie bot ihm statt dessen an, am nächsten Morgen an der Jagd teilzunehmen.

      Graf Stampa lehnte ab, er müsse nach Hause und könne nur feststellen, daß Euer Gnaden die Schlacht gewonnen hätten. In Mailand würden die Kanonen donnern, die Kirchenglocken läuten und das Volk jubeln, sobald die Nachricht von der stattgefundenen Hochzeit einträfe. Aber die Braut kam nicht. Christine von Dänemark blieb bei ihrer Tante, die nicht wünschte, ihre Nichte vor Vollendung des zwölften Lebensjahres in einem Ehebett zu sehen.

      Obwohl Christines Abreise verschoben worden war, gab es große Vorbereitungen. Seide, Damast und Brokat, Pelze, Perlen und Schmuck, alles mußte ausgesucht werden. Sie brauchte eine Ausstattung für ihre Tafel und für ihre Kapelle. Christine war das Kind eines Mannes, der einmal regiert hatte und jetzt in einem erbärmlichen Gefängnis saß, aber die Regentin stattete sie aus wie eine Tochter des Hauses Habsburg. Die Lakaien mußten eine Livree haben, und es mußte für eine Eskorte sowie für aufwartende Herren, Damen und Kammerjungfern gesorgt werden.

      Christine und ihre noch unverheiratete Schwester amüsierten sich gemeinsam mit der Tante, und der Kaiser bezahlte.

      Christine wurde zwölf Jahre, aber solange der Winter dauerte, war ein Aufbruch unmöglich. Statt dessen nahm Christine am Leben im Schloß teil, nun mit den Rechten einer verheirateten Frau, und sie konnte noch einmal über die Fastnachtsspäße lachen, wenn Katzen und Gänse auf dem Platz aus Fässern gezaubert wurden, und bewunderte die Fertigkeit ihrer Schwester als Bogenschützin bei den Zunftfesten.

      Christine wußte, daß die Ehe der Höhepunkt im Leben einer Frau darstellte. Sie hatte einen Ehemann, ohne ihn je gesehen zu haben. Manchmal hatte sie das Gefühl, daß die Regentin mit ihr etwas besprechen wollte. Sie spürte ihren Blick auf sich ruhen, dachte aber nicht weiter darüber nach, außerdem mußte der Samt für das Auskleiden ihrer Sänfte und der ihrer Damen ausgemessen werden.

      An einem Februartag ritt Christine mit ihrer Tante aus. Am großen Himmel von Brabant standen graue Winterwolken. Es war windstill. Die Windmühlenflügel bewegten sich nicht, und der Rauch stieg senkrecht aus Hütten und kleinen Bauernhöfen. An ungeschützten Stellen lagen noch Schneereste, und nur wenige Kühe waren auf den Weiden.

      Die Regentin setzte über einen Zaun, Christine hinterher, und es begann zu regnen. Es goß, doch die Regentin ritt einfach weiter, bis sie plötzlich mitten auf einem Feld anhielt und lachte.

      Das Wasser prasselte auf Kapuze und Umhang, die Bänder des Kopfputzes rollten sich zusammen, der Hengst glänzte vor Nässe, und sie sagte: »Andere würden Schutz suchen. Ich lebe.«

      Und während das Unwetter zunahm und ihr der Regen ins Gesicht peitschte, blickte sie hinauf zum Himmel. »Ich habe gute Nachrichten aus Mailand. Du bist mit einem rechtschaffenen Mann verheiratet, er möchte nur dein Bestes. Aber ...«

      Sie senkte einen Augenblick den Kopf, und Christine hatte das Gefühl, etwas zu erfahren, was sie ohnehin wußte. Ihre Tante schaute sie durch den Regen an, und Tropfen fielen von ihrer langen Nase. »Du darfst nicht unglücklich sein, weil du nicht gleich Kinder bekommst. Gott hat dich nicht vergessen, sie werden kommen.«

      Sie klopfte das Pferd mit drei beruhigenden Schlägen. »Und du darfst nicht erschrecken, weil der Herzog von schwächlicher Gesundheit ist.« Sie lächelte und erklärte: »Er hat einige Lähmungen und kann nur schwer aus eigener Kraft gehen. Doch wenn du eine gute, liebevolle und gehorsame Gemahlin bist, was du sicher sein wirst, kommt er sicher wieder zu Kräften.«

      Der Blick der Tante war prüfend, aber Christine empfand das Gehörte nicht als erschreckend. Sie liebte ihren Mann, und er liebte natürlich auch sie, seine Gemahlin.

      Ihre Tante wendete das Pferd. »Eigentlich wollte ich dir etwas ganz anderes sagen. Doch nun bleibt es dabei.«

      Dann fiel sie in Galopp, sprang über einen schmalen Graben, passierte zwei Kanäle und kam triefend naß nach Hause.

      Christine fand nichts Merkwürdiges an dem Gespräch, obwohl ihr dessen Wichtigkeit klar war, denn sonst wären sie weitergeritten bis zur Dunkelheit. So gut kannte sie ihre Tante. Es bedurfte mehr als eines Regenschauers, damit sie umkehrte.

      Als Christine später in dem großen Bottich saß und Johanne ihr liebevoll den Rücken schrubbte, überlegte sie, was ihr die Tante wohl hatte mitteilen wollen und warum sie so munter gewirkt hatte, als sie von den Lähmungen des Herzogs berichtete. Aber dann gähnte sie genüßlich im Wasserdampf und vergaß die Angelegenheit.

      Am 11. März 1534 begann Christines Reise nach Mailand. Erst ein paar Tage davor begriff sie richtig, was da geschah. Sie mußte das Heim ihrer Kindheit verlassen. Die Welt, die sie erwartete, würde in vielem anders aussehen. Sie sei schöner, sagten manche, doch für Christine war das Schöne mit dem Vertrauten verbunden. Schönheit war in diesem Augenblick die riesige gewölbte Kuppel des Himmels über Brügge oder die Fastnachtsspäße in Brüssel oder Gent, und schön waren ihre glücklichen Jahre in Mechelen mit dem Windhund und dem Papagei und ihrer Schwester, dem toten Bruder und der toten Tante.

      Christine rannte durch das Brüsseler Schloß. Sie umarmte Johanne, sie umarmte ihre Schwester und ihre Tante, nervös, fast hektisch, als wollte sie sie festhalten und mitziehen in ihr neues Leben.

      Aber die Bande mußten zerrissen werden. Sie setzte sich in die Sänfte. Ihrem Beispiel folgten Madame de Souvastre, verantwortlich für ihren Haushalt, sechs Hofdamen, sechs aufwartende Kammerzofen, vier Pagen, zehn Herren, sechs Lakaien, zwanzig Maultiere und drei Wagen mit Gepäck. Schließlich noch die Eskorte von hundertdreißig Rittern. Die Tränen liefen über ihre Wangen, doch gleichzeitig glitt ihre Hand über den dicken Samtbezug der Sänfte. All das geschah ihr zu Ehren.

      Einen kurzen Moment wanderten ihre Gedanken zum Vater. Wenn er sie jetzt sehen könnte. Aber sie schob die Gedanken an ihn weg. Sie war eine verheiratete Frau, war die Herzogin von Mailand.

      Die Wagen setzten sich langsam in Bewegung. Dorothea weinte verzweifelt. Lange winkte Christine ihren Verwandten zu. Die Reise nach Mailand hatte begonnen.

Mailand

      6. Kapitel

      Der Sommer war früh nach Norditalien gekommen, doch die Luft fühlte sich an diesem Maimorgen noch etwas kühl an. Es duftete nach Rosen und Myrthen. Die Schatten waren lang, Bäume standen aufgereiht in Kübeln, und unaufhöhrlich plätscherten die Fontänen und Wasserspiele des Gartens der Villa di Cussago. Christine pflückte voller Begeisterung eine Zitrone von einem Zweig, sie lief weiter, pflückte noch eine und genoß den Anblick der Früchte zwischen den Blättern, nicht hereingetragen auf einer Schüssel.

      Christine und ihr Gefolge machten den letzten Aufenthalt vor dem Einzug nach Mailand. Graf Stampa hatte ihr sein


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