Die Brücke nach Ispahan. Wilhelm Ernst Asbeck
Ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht! Am Hof des Schahs ist er eingeführt und auf dem besten Wege, ein berühmter und reicher Mann zu werden! – Doch seht, was mir Operchi als Gegengaben sandte!“
Paket auf Paket wurde geöffnet: ein kostbarer Perserteppich, Tücher in leuchtenden, bunten Farben, Seidenstoffe, Damastvorhänge und Decken kamen zum Vorschein. Wunderbare Waffen mit reichem Gold- und Silberschmuck und als Wichtigstes dann Proben von Gewürzen.
„Alle die Herrlichkeiten gehören euch; kommt aber heut’ abend zu uns, damit ihr auch unsere Schätze bewundern könnt“, sprach Elisabeth.
„Operchi ist ein grosszügiger Mann“, meinte bewundernd Tullae.
„Er ist ein schlauer Fuchs, der mich aus meinem Bau locken möchte; er wird aber wenig Glück damit haben“, erwiderte Brüggemann.
„Wie meinst du das?“
„Ich denke, dass ich ihn nicht brauche, um das persische Geschäft zu machen. Selbst ist der Mann!“
Barbara schüttelte den Kopf. „Nein, Otto, ich halte es für richtiger, sich in diesem Fall der land- und leutekundigen Führung des eingesessenen Kaufherrn anzuvertrauen. Du hörst, wie alle erfahrenen Menschen über deinen Plan denken.“
Der Schwager kniff die kleinen, listigen Augen ein wenig zusammen. Ein verschmitztes, fast höhnisches Lächeln spielte um seine dünnen Lippen: „Vielleicht irrt ihr euch alle und werdet euch eines Tages noch wundern!“
„Vielleicht! – Sehr vielleicht!“
Brüggemann blieb die Antwort schuldig. Er trug ausführliche Berichte Stadlers in der Tasche, die für ihn wichtiger und wertvoller schienen, als all der aufgestapelte Kram zu seinen Füssen.
Elisabeth legte ihre Hand auf des Gatten Schulter. Sie schaute ihn an: gläubig, zuversichtlich; dann wandte sie sich an die Schwester und sagte: „Zweifelt nur, du, Vater, Mutter und alle diese kurzsichtigen Kaufherren und Stadtväter, deren Blick nicht weiter reicht, als über die nächsten Grenzpfähle hinaus. Otto wird euch schon eines Tages den Beweis liefern, dass er der Mann ist, nicht nur grosse Pläne zu entwerfen, sondern sie auch durchzuführen.“
Ihre Wangen glühten vor Erregung und blindgläubiger Begeisterung. Die Schwester dachte kühler, nüchterner: „Wie weit, glaubst du, dass sein Schiff kommen würde? Wenn es nicht schon auf der Elbe von den Dänen geschnappt wird, so kapern es Engländer, Franzosen oder Holländer in der Nordsee.“
Elisabeth wollte antworten; da bedeutete ihr Brüggemann zu schweigen. Seine stahlgrauen Augen schauten die Schwägerin fast feindlich an, und ein Zug voll Verachtung legte sich um seinen Mund als wollte er damit ausdrücken: es lohnt sich nicht, mit ihr über derartige Dinge zu reden.
„Kinder haltet Frieden!“ rief Christine, die sanfte, gutherzige Frau. Ihre Tochter hatte schon eine spitze Bemerkung auf der Zunge; doch sie kam nicht mehr dazu, denn von der Strasse herüber drangen laute Rufe, eilige Schritte vieler Menschen, Pferdegetrappel und das Poltern eines Wagens auf holprigem Pflaster. Näher und näher kam der Tumult.
Vor der Tür des Uhrmachers entstand ein Auflauf. Von allen Seiten strömten Neugierige und Schaulustige herbei. So etwas gab es aber auch nicht alle Tage zu sehen! Eine vornehme Reisekutsche hielt. Sie war mit vier prächtig geschirrten Schimmeln bespannt. Eine Fürstenkrone schmückte den Verschlag. Der Kutscher trug eine kostbare Livree, und auf dem rückwärtigen Trittbrett standen zwei reichbetresste Diener. Vier bewaffnete Reiter begleiteten das Gefährt. Kaum war der Wagen zum Stehen gekommen, als auch schon die Betressten herbeisprangen, um den Verschlag zu öffnen.
Ein stattlicher, etwas zur Fülle neigender Herr von reichlich dreissig Jahren stieg aus. Sein Gesicht war oval; zwei kluge, blaugraue Augen blickten stolz und doch gütig in die Welt. Langes Haar wallte bis zur Schulter herab. Er trug Schnurr- und kurzen Knebelbart. Wehende Federn zierten seinen Hut. In Samt war er gekleidet.
Ihm folgte ein Mann, der bereits die Vierzig überschritten hatte. Er erweckte einen mehr kriegerischen Eindruck. Starke Willenskraft und hohe Geistesgaben standen in seinen Zügen geschrieben.
Tullae warf einen verzweifelten Blick auf die im Laden ausgebreiteten „Wunder aus dem Morgenland“. Es blieb jedoch keine Zeit zu verlieren; denn schon bahnten Kriegsknechte und Diener den Hohen Herren eine Gasse durch die gaffende Menge.
Christine und ihre Töchter verschwanden eiligst in die Wohnung. Der Uhrmacher riss die Ladentür auf und eilte den Ankommenden unter tiefsten Ehrfurchtsbezeugungen entgegen. Die Gäste kamen nicht zum erstenmal zu ihm: Herzog Friedrich III. von Holstein-Gottorp und Kielmann, sein Minister und Vertrauter. Freundlich, fast freundschaftlich begrüssten sie Tullae. Der Fürst schätzte die Kunstfertigkeit des Meisters und nicht minder seinen zuverlässigen, achtbaren Charakter.
Brüggemann war ruhig stehengeblieben. Höflich, doch nichts weniger als untertänig, verbeugte er sich. Der Herzog sah den Kaufmann ein wenig betroffen an; aber er kannte den Stolz dieser grossen Handelsherren. Sein Blick blieb erstaunt auf den am Boden liegenden Herrlichkeiten haften.
„Nanu, Meister, was habt Ihr aus Eurer Uhrenwerkstatt gemacht?“
„Mein Schwiegersohn hat soeben eine Sendung aus dem Orient erhalten; um nun mir und den Meinen eine Freude zu bereiten, brachte er uns diese Dinge zum Geschenk. Ich ahnte ja nicht – –“
Friedrich bedeutete Tullae zu schweigen. Er nahm Stück um Stück in Augenschein; besonders die kunstvollen Teppiche und golddurchwirkten Seidenstoffe erregten seine Aufmerksamkeit.
„Ihr müsst ein reicher Mann sein, um so wertvolle Geschenke machen zu können!“
In Brüggemanns Hirn überstürzten sich die Gedanken. Sollte es Zufall oder Schicksalsbestimmung sein, die ihn an dieser Stelle mit dem Fürsten zusammenführte? Da hiess es das Eisen schmieden, solange es heiss war.
„Hoheit“, erwiderte er, „es handelt sich hier um eine bescheidene Auswahlsendung persischer Landesprodukte und um Erzeugnisse persischen Kunst- und Gewerbefleisses.“
Das Interesse des Hohen Herrn erwachte. Der Hamburger verstand es, seine Anteilnahme rege zu erhalten und dauernd zu steigern. Er redete sich in Begeisterung und schilderte lebhaft, welche gewaltigen Handelsaussichten eine Verbindung mit dem Iran bieten würde. Er sprach von ungeheuren Verdienstmöglichkeiten und erzählte dann verbittert, wie all seine kühnen Pläne an der Engherzigkeit und dem kleinlichen Krämergeist der Stadtväter und seiner Mitbürger bis jetzt scheiterten.
Stunden vergingen. Ein wenig enttäuscht, fast beiseitegeschoben, stand der Meister. Da kündete die Uhr vom nahen Jacobiturm die Mittagsstunde. Beim ersten Schlag fielen alle Uhren in Tullaes Laden ein. Im Bergwerk pochte und hämmerte es; die Geschichte vom rerlorenen Sohn erwachte zu neuem, flüchtigem Leben; es herrschte ein Dröhnen und Schlagen, dass man fast sein eigenes Wort nicht zu hören vermochte.
Der Herzog besann sich, weshalb er eigentlich nach Hamburg gekommen sei. Voll Entzücken betrachtete er die Meisterwerke der Handwerkskunst.
Als Friedrich die Ausstellung verliess, konnte Tullae wohl zufrieden sein; denn die beiden kostbarsten Uhren waren mit gutem Verdienst verkauft worden. Noch froher schien aber Brüggemann; hatte sich doch der Herzog für den Abend zu Gast angemeldet, um die bei ihm lagernden persischen Herrlichkeiten zu bewundern. Auch den Bericht Stadlers über Land und Leute und die Handelsaussichten wollte er kennenlernen. Der Wunsch des Hamburger Kaufherrn schien sich zu erfüllen; jetzt hoffte er, zum ersehnten Ziel zu gelangen;
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Zwischen Grande und Trittau führte damals die Landstrasse über weite Strecken sandigen Brachlandes, das mit Ginsterbüschen und Heidekraut durchzogen war. Sie lag eingekeilt zwischen den Ausläufern des Sachsenlandes und des Linauer Forstes; zur Linken hin und wieder von der Bille begrenzt, die sich in zahlreichen Windungen und Krümmungen ihren Weg bahnte und sich bei der uralten Grander Mühle zu einem langgestreckten Teich erweiterte. Rings wurde die Landschaft von leicht gewellten, mit dichtem Baumbestand bewachsenen Hügeln umrahmt.
Mühselig zogen starke, schwere Pferde hochbeladene Planwagen