Die Brücke nach Ispahan. Wilhelm Ernst Asbeck
holländische Staat dahinterstehen, so müsste ich einsehen, dass unser Unternehmen aussichtslos ist; da aber nur eine reiche holländische Firma Trägerin des Handelsrechtes ist, die obendrein von einem Perser in Ispahan geleitet wird, der heute beim Schah gut angeschrieben sein mag, bei dem launischen Charakter des Herrschers aber schon morgen in Ungnade fallen kann, so bin ich des Erfolges sicher; denn wir kommen nicht als einzelner Kaufherr, sondern im Namen eines ganzen Landes! Hier tritt der Fall ein, dass ein wahrhaft weitblickender Fürst die Handelsverbindungen selbst anknüpft und, alle Zwischenhändler ausschaltend, Reich zu Reich in Beziehung tritt. Dass die hieraus entstehende Freundschaft des mächtigen Schahs das Ansehen Eurer Hoheit in der ganzen Welt steigern wird, liegt auf der Hand!“
Friedrich erwärmte sich mehr und mehr für die gewaltige Idee des Hamburgers. „Gut“, meinte er, „es ist möglich, dass sich hieraus politische Vorteile ergeben können, deren Tragweite wir heute noch gar nicht abzusehen vermögen. Doch wie stellt Ihr es Euch vor, die Fäden zum Schah anzuknüpfen, und wie wollen wir die Güter von dort in unsere Heimat schaffen?“
„Beide Schwierigkeiten erscheinen im ersten Augenblick grösser, als sie es in Wirklichkeit sind. Unser erstes Ziel muss sein, uns die Freundschaft und Unterstützung des russischen Zaren zu sichern. Eine Gesandtschaft wird dies zuwege bringen. Männer, die Geist, Mut und Unternehmungslust besitzen, sollen ihre Führer sein; prunkvolles Autreten und kostbare Geschenke sind erforderlich. Ist dieser Teil unseres Planes ausgeführt, so muss der Schah in Ispahan aufgesucht und mit ihm der Handelsvertrag abgeschlossen werden.“
Der bedächtige Staatsmann fragte: „Und wenn die Perser nun nicht wollen?“
„Dann sollte man dem Führer der Gesandtschaft den Kopf vor die Füsse legen; denn nur seine Unfähigkeit wäre schuld, wenn das Unternehmen scheitern würde!“
„Meint Ihr?“
„Es ist meine felsenfeste Überzeugung!“
Der Herzog mischte sich ins Gespräch: „Und wenn ich nun Euch selbst zum Führer dieser Gesandtschaft ernenne?“
„So wäre der höchste Wunsch meines Lebens erfüllt!“
„So sicher seid Ihr des Erfolges?“
„Ja, so gewiss!“
„Lasst weiter hören, wie Ihr Euch die Beförderung der Waren denkt.“
„Der Seeweg scheidet vorläufig aus. Auch die Karawanenstrasse über Klein-Asien ist bei den gespannten Verhältnissen zwischen der Türkei und dem Iran zu unsicher. Jedoch mit den Schutzbriefen des Zaren versehen, erlangen wir die denkbar grösste Sicherheit. Der Weg führt von Ispahan zum Kaspischen Meer, von dort mit dem Schiff bis zur Wolga, auf ihr eine gute Strecke weiter, dann durch Russland bis Reval. Die Ostsee ist wenig gefährdet, so dass der Rest der Reise wieder zu Wasser bewerkstelligt werden kann.“
Stunde um Stunde berieten die drei Herren. Noch manche Bedenken Kielmanns musste der Kaufmann zerstreuen; aber er hatte das Vertrauen des Herzogs gewonnen und als man sich am frühen Morgen endlich zur Ruhe begab, wusste Brüggemann, dass sein Gedanke zur Tat reifen werde.
Widerstände und Zweifel
Friedrich der Dritte glich von jenem Tage an einem Spieler, der alles auf eine Karte gesetzt hatte. Es wurde ein gefährliches Spiel! Wie trunken schien er! Sein ganzes Tun und Denken kreiste nur noch um die Gestaltung des persischen Planes. Ein Rausch hielt seine Sinne umnebelt. Er sah nichts mehr als dies eine Ziel. Ihm opferte er alles: den Wohlstand und die Liebe seiner Untertanen, die Schlagkraft seines Heeres.
Geld brauchte er, viel Geld, und jeder Weg galt ihm recht, es zu beschaffen. Da waren die reichen Inselfriesen. In blutigen Schlachten hatten sie seinen Vorfahren Thron und Leben gerettet, aber das Gedächtnis mancher Fürsten ist oft kurz, wenn es sich um Dankbarkeit handelt, jedoch lang, wenn sie glauben, dass ihr Stolz getroffen sei. Friedrich glaubte nun hierzu Ursache zu haben; denn die Strandinger besassen nicht geringeren Stolz als er und hielten fest an verbrieften Rechten. Sie wollten keinen Herrn über sich anerkennen.
Unter der Maske der Hilfsbereitschaft war der Herzog zu ihnen gekommen und hatte sich ihr Vertrauen erschlichen. Es gelang ihm, sie zu überreden, dass ein Fähnlein Landsknechte sich zu ihrem Schutz – wie er sagte – auf Nordstrand einnistete. Durch List wusste er immer neue Söldnerhaufen hinüberzuschaffen und mittels Verrat bekam er die Arglosen in seine Gewalt. Er liess freiheitliebende Männer Jahre hindurch im Kerker schmachten und demütigte das aufrechte Volk so tief, dass es an der Lither Fähre selbst die eigene Zwingburg errichten musste.
Hass flammte auf! Unauslöschlicher Hass! Der Fürst lachte des ohnmächtigen Grimmes und erpresste Jahr um Jahr höhere Abgaben. Dieses Inselreich bildete seine Haupteinnahmequelle; aus ihm wurde der grösste Teil jener ungeheuren Summen geschöpft, die das persische Unternehmen verschlingen sollte.
*
Zwischen dem Herzog und seinem Minister hatte sich eine Kluft aufgetan. Hart auf hart prallten die Anschauungen gegeneinander. Kielmann sah, wohin der Übereifer seines Herrn führen musste. Mehr als die Hälfte des ohnehin zu schwachen Heeres war entlassen worden; die Steuern wurden immer rücksichtsloser eingezogen.
Die beiden sassen einander gegenüber. Die Wangen des Kanzlers glühten vor Erregung. Er sprach: „Wahnsinn ist es, in diesen Kriegszeiten, wo der kleinste Fürst aufrüstet, soviel nur in seinen Kräften steht, die Waffen aus der Hand zu legen.“
„Ich wünsche den Frieden“, lautete die Antwort.
„Wer den Frieden will, muss stark sein, um sein Land gegen Überfall, Raub und Brandschatzung schützen zu können!“
„Mögen Dänen und Schweden unter sich ausfechten, was sie miteinander auszumachen haben; ich wünsche nicht in diese Händel hineingezogen zu werden.“
„Eben, weil Ihr es mit niemandem verderben wollt, verderbt Ihr es mit allen!“
„Ein vermiedener Krieg ist segensreicher als hundert gewonnene Schlachten. Ich lege einen höheren Wert darauf, einst von der Nachwelt der Friedfertige genannt zu werden, als der Siegreiche!“
In Kielmanns Augen loderte ein seltsames Feuer. Er sprach mit fester, fast drohender Stimme: „Ihr irrt! Eine Schlacht, die den Bauern und Bürgern Raub, Mord und Brandstiftung erspart, ist hundertmal segensreicher als eine schmachvolle Neutralität, die das wehrlose Land grausamen Feinden preisgibt. Nicht den Friedfertigen, nein, den Schwächling wird Euch die Nachwelt heissen!“
Friedrichs Faust sauste auf den Tisch. „Kielmann!“ rief er zornbebend.
Unbeirrt fuhr jener fort: „Ihr mögt mich meines Amtes entheben, Ihr könnt mir Eure Freundschaft entziehen oder mich gar der Freiheit und des Lebens berauben; nichts soll mich hindern, meine Pflicht zu tun und für das einzutreten, was ich für das Recht und für das Wohl Eurer Untertanen als unerlässlich erachte!“
Der Fürst legte den Arm um des Vertrauten Schulter. Auge in Auge standen die Männer einander gegenüber. Endlich sagte Friedrich: „Unsere Freundschaft wird nie durch ein offenes, ehrliches Wort getrübt werden; aber du irrst dich, nicht ich! Ich werde mit den Feinden verhandeln; meiner Beredsamkeit soll es gelingen, meinem Volk die Schrecken des Krieges zu ersparen.“
Der Kanzler lachte. Es war ein bitteres Lachen: „Das Schaf will den reissenden Wolf von seiner Friedensliebe überzeugen! – Ha, ha! – Als ob Herrenmenschen wie Christian, Oxenstjerna, Wallenstein und Tilly eine andere Sprache verständen, als die der Gewalt! Stellt hunderttausend wohlausgerüstete Soldaten auf die Beine, baut Festungen und lasst Kanonen giessen, und Ihr sollt sehen, wie alle Welt um Eure Freundschaft buhlt! Dann wird es niemand wagen, Euer Land ohne Eure Einwilligung zu betreten; keinem fremden Landsknecht sollte es einfallen, einem Eurer Bürger auch nur ein Haar zu krümmen! Hättet Ihr weniger in dickleibigen, vergilbten Büchern und alten, verblichenen Pergamenten studiert, würdet Ihr Eure Blicke minder in märchenhafte Fernen als auf die nahe Wirklichkeit gerichtet haben, es wäre heute besser um Euch und Euer Land bestellt.“
„Ich weiss, wir werden über diese Punkte nie einig