Die Brücke nach Ispahan. Wilhelm Ernst Asbeck
einiger Entfernung folgte die Staatskutsche, in der sich Friedrich und sein Kanzler befanden. Kutscher und Diener trugen Flinte und Säbel, die vier begleitenden Reiter ebenfalls.
Brüggemann war aufgefordert worden, im Wagen des Herzogs Platz zu nehmen; er bat aber, die Söldner bewachen zu dürfen. Acht Kürassiere hatte er aus eigener Tasche angeworben. Unermüdlich umkreiste er mit dieser kleinen Schar den Zug. Aufmerksam betrachtete er Busch und Strauch, wohl wissend, dass aus jedem Hinterhalt Tod und Verderben hervorbrechen konnte.
Vor ihm lag eine Anhöhe. Mehrere Birken wuchsen darauf, und ein Gewirr wilder Rosensträucher bildete eine fast undurchdringliche Hecke. Nichts schien sich dort zu regen; aber der Kaufherr traute dem Frieden nicht. Sein scharfes Auge betrachtete argwöhnisch diese kleine, von der Natur errichtete Feste. Er kannte zu gut die Kampfesweise der Wegelagerer. – Windstille herrschte, und doch bewegten sich auf dem Hügel verdächtig die Zweige. Langsam schob sich der Lauf einer Muskete durch das Dickicht.
Brüggemann riss sein Pferd zur Seite; der Degen flog aus der Scheide, und im Galopp sprengte er den verborgenen Feinden entgegen, gefolgt von seinen acht Reitern. Haarscharf am Kopf sauste die Kugel vorbei; kurz hintereinander krachten die Schüsse der Buschklepper, aber auch die Angreifer hatten aufs Geratewohl in die Hecke hineingefeuert. Bevor die Räuber sich richtig zur Wehr setzen konnten, fielen die Söldner und ihr Führer über sie her. Auch die Landsknechte eilten jetzt im Laufschritt herbei; nur die herzoglichen Soldaten umgaben die Kutsche, um sie gegen einen etwaigen rückwärtigen Überfall zu sichern. Die Fuhrknechte hatten ihre Flinten in die Faust genommen, die Pferde zum Stehen gebracht und gingen schussbereit in Deckung.
In wilder Flucht rannten einige zwanzig Kerle dem schützenden Walde zu; doch kaum die Hälfte erreichte ihr Ziel. Blutende, stöhnende Menschen lagen am Boden. Wütende Kriegsknechte schlugen sie tot, wohl wissend, dass ihnen ein gleiches Los beschieden gewesen, falls jenen ihr Anschlag gelungen wäre.
Auch einer der Kürassiere war gefallen, ein anderer wurde verwundet. Brüggemann hatte fürsorglich einen Planwagen mitführen lassen, dessen Boden mit Stroh bedeckt war, und auch an Verbandsstoff fehlte es nicht.
Hier und dort krachten noch vereinzelte Schüsse. Landsknechte schwärmten aus und deckten den Zug gegen einen unerwarteten Flankenangriff; aber die Schnapphähne hatten von der ersten Abfuhr genug und liessen es auf ein neues Treffen nicht ankommen. Unbehindert setzten die Reisenden nun ihren Weg fort. Um die Mittagszeit des nächsten Tages kamen die Türme Lübecks in Sicht, und am Spätnachmittag zogen Gespanne und Begleitmannschaften durch das Holstentor. – –
Friedrich war erfreut, einen Mann wie diesen Kaufherrn gefunden zu haben, der Mut, Vorsicht und Klugheit in sich vereinigte, zudem grösste Freigebigkeit zeigte; denn herrliche Teppiche, Seidenstoffe, kunstvolle Waffen und Gefässe hatte er gespendet; alles Erzeugnisse jenes sagenhaften Morgenlandes, das sich Persien nannte. Er beschloss, ihn für seine Dienste zu gewinnen.
Ursprünglich bestand die Absicht, dass Brüggemann nur die Beförderung der Uhren und Geschenke bis Lübeck begleiten sollte. Jetzt aber bat ihn der Fürst, auf Schloss Gottorp als Gast zu weilen. Gar zu gern folgte der Ehrgeizige dieser Einladung.
In Travemünde lag Friedrichs Schiff zur Abfahrt bereit. Zwei Tage später landete man in Schleswig. Begeistert ward der Landesherr von der Bevölkerung begrüsst. Jeder fühlte die tiefe Verbundenheit zwischen Volk und Herrscher.
Der Jubel galt aber auch Brüggemann. Die Kunde von seiner mutigen Tat, die dem Herzog das Leben rettete, war ihm vorausgeeilt; da er zudem seine Landsknechte – im Gegensatz zu manchem Fürsten und mancher Stadt – reichlich lohnte und den Sold nicht schuldig blieb, so musste er obendrein ein reicher und freigebiger Herr sein.
Über den Inhalt der Planwagen schwirrten die tollsten Gerüchte. Ein Geheimnis umgab den Hamburger, und seine Begleiter sorgten dafür, dass ihm fast märchenhafte Reichtümer und ans Wunderbare grenzende Pläne angedichtet wurden.
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Im Schlosse zu Gottorp sassen zu später Stunde noch der Fürst, sein Minister und der Handelsherr beisammen. Eine hohe Ehre ward dem Kaufmann zuteil; man ernannte ihn zum herzoglichen Gesandten in Hamburg.
Friedrich hatte soeben mit seinem Gast auf eine frohe und glückliche Zukunft angestossen.
Brüggemann gab Bescheid; dann sprach er weiter: „Würden wir unsere Blicke nur auf die Ereignisse der Gegenwart richten, so müssten wir verzweifeln. Krieg und Verwüstung jahraus, jahrein, nirgends ein Lichtblick. Gen Westen ist jeder freie Handelsweg zu Wasser und zu Lande verschlossen. Unerbittlich zieht der Dänenkönig den Gürtel um Hamburg und die schleswig-holsteinischen Lande enger und enger. Von Glückstadt aus hofft er sein Vernichtungswerk zu vollenden und aus dem Verfall niederdeutscher Lande zu ernten. Weder Eure Herzogliche Hoheit noch die Hansastadt sind stark genug, um Christian mit dem Schwert gegenübertreten zu können. Da bleibt nur eine Möglichkeit, dem drohenden Unheil vorzubeugen: den Blick nach Osten zu richten!“
Friedrich stimmte den Ausführungen beifällig zu.
„Die Kraft eines einzelnen Mannes reicht nicht aus, diesen Plan zu verwirklichen. Gross, gewaltig, muss das Werk aufgezogen werden; ein ganzes Land soll dahinterstehen; dann werden aber auch die aufgewandten Opfer eben nur diesem Lande wieder zugute kommen. Aus einem kleinen Staat wird demnach ein nach innen und aussen gekräftigtes, starkes Reich entstehen, auf das sich die Blicke des ganzen Abendlandes richten werden! Reichtum und Wohlstand halten Einzug. Allen wird diese Tat zum Segen gereichen; bis in die kleinste Hütte soll sie sich auswirken und Not und Sorge für immer daraus verbannen!“
Des Herzogs Augen waren sinnend in die Ferne gerichtet. Wenn das zuträfe, was jener dort sprach! Glücklich machen möchte er sein Volk, es herausführen aus Elend und Unwissenheit, es behüten vor Krieg, Raub und Plünderung.
Wie eine Bestätigung dieser Gedanken fuhr der Kaufherr fort: „Kleinlicher Krämergeist hat die Ratsherren der einst so reichen Hansastadt mit Blindheit geschlagen. Ich erblicke in der Begegnung mit Eurer Hoheit die Hand des Schicksals! Es ist eine gütige Fügung, die Euch ausersehen hat, den Glanz und Ruhm der Fugger und Welser in den Schatten zu stellen. Wenn Hunderte und Aberhunderte von Jahren vergangen sein werden, der Name des weitblickenden Friedrichs des Dritten von Holstein-Gottorp wird in der Geschichte der Menschheit weiterleben; denn er war es, der kühn und besonnen den Handel des Orients an sich brachte, der die prächtigen Erzeugnisse des Morgenlandes über seine Städte zu leiten verstand und alle Länder des Nordens mit Persiens kostbaren Stoffen und Gewürzen versorgte!“
Kielmann erhob sich: „Was unser Gast spricht, klingt verlockend; doch ich bitte zu bedenken, dass andere Länder längst ihre Niederlassungen dort unten begründet haben. Ich fürchte, dass wir zu spät kommen, keineswegs aber mächtig genug sind, die Holländer, Engländer und Franzosen zu verdrängen.“
Der Herzog warf einen fragenden Blick zu Brüggemann.
Der Kaufherr lächelte. Es war ein seltsames Lächeln, so wie ein Erwachsener die einfältige Entgegnung eines Kindes hinnehmen würde. Er wandte sich an den Minister und sprach: „Auf diesen Einwurf war ich gefasst. Wenn Ihr, wie ich, die Handelsverbindungen mit dem Iran mit offenen Augen verfolgt hättet, so würdet Ihr immer und immer wieder finden, dass die persischen Herrscher die Eigenart zeigten, gewissermassen das Alleinhandelsrecht jeweilig einem Volk zu übertragen. Anfangs geschah es unter dem Druck überlegener Erobererstaaten, wie Portugal und später Spanien. Doch die stolzen Herrscher dort unten unterwerfen sich auf die Dauer nicht dem Zwang und beantworten Gewalt mit Gewalt, sobald sie hierzu mächtig genug geworden sind. Die Portugiesen und Spanier haben es am eigenen Leib erfahren. Mit Feuer und Schwert wurden ihre Niederlassungen erzwungen; mit Tod und Vernichtung sind sie beseitigt und die lästigen Gäste davongejagt worden. – Franzosen und Engländer verhielten sich klüger. Sie sandten friedliche Kaufherren nach dort, denen es gelang, mehr oder weniger günstige Handelsverträge abzuschliessen. Dann kamen die Holländer. Sie verstanden es, mit Hilfe ansässiger Händler, den Eindringlingen das Wasser abzugraben, so dass ihre Faktoreien zur Bedeutungslosigkeit herabsanken und die getroffenen Abkommen nach Ablauf der vereinbarten Frist nicht erneuert wurden.“
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