Der Pflug des Zorns - Ein historischer Roman. Maria Helleberg

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und sonders halbe Heiden, von denen muß man sich fernhalten, das habe ich mir vorgenommen, solange noch Leben in mir ist!

      – Aber Ingemar war immerhin gut genug, deine Tochter und meine Schwester zur Frau zu bekommen, warf Sten vorsichtig ein, ohne eine Antwort zu erwarten. Er erhielt auch keine.

      Algot hatte den Ring nicht gemocht, den Sten für Jofrid von einem gotländischen Goldschmied hatte anfertigen lassen. Zwei kleine Menschengestalten, geformt aus gewundenem Gold, einander küssend und unter dem Baum des Lebens stehend. Die Inschrift auf der Außenseite lautete: je te desir. Algot hoffte, daß keiner, der den Ring sah, Französisch verstand. Sie hatten sich den Frieden zurückgekauft, aber es gab wohl keinen Grund, mit seinen Sünden zu prahlen!

      Und dann hatten sie geheiratet. Bei ihrer ersten Hochzeit waren alle Gäste heiter und froh gewesen, sie selbst aber enttäuscht: Es war ein Fest mit allerlei Lärm und Getöse. Beim zweiten Mal war es genau umgekehrt. Auf dem langen Ritt von der Messe in die Kirche zum Fest auf Mjövik hatte Jofrid die anderen beobachtet – entweder waren sie völlig gleichgültig, oder ihnen war beklommen zumute angesichts ihrer eigenen Anwesenheit und angesichts der schamlosen Prachtentfaltung, die Sten an den Tag legte. Die Gäste empfanden die Hochzeit wohl als eine Art Formalität, die mit so wenig Aufhebens wie möglich überstanden werden mußte.

      Am Morgen darauf erwachte Jofrid mit dem bitteren Gefühl, hinters Licht geführt worden zu sein. Bußgang, Reue, Ringe und Abmachungen und Schwüre – das hatte doch das Verhältnis zwischen ihnen verändern sollen. Die äußeren Zeichen, die Anerkennung der Menschen – die Vorteile erkannte sie durchaus. Aber sie fühlte sich durch die Heirat nicht in einer verbesserten Lage, wie sie es nach dem Gesetz eigentlich hätte empfinden sollen.

      Sten verschwendete daran bestimmt keinen Gedanken. Er hatte die großartige Hochzeit bekommen, die er sich gewünscht hatte, das Fest und die Brautmesse und den Segen des Priesters für Ring und Brautbett, Ehrenrettung und Wiedergeburt.

      Ihrer Mutter hatte er den Kopf verdreht – von dem Moment an, als sie auf den Hof kam. Er hatte die kleinwüchsige Frau vom Pferd gehoben, sie auf Hand, Mund und Wangen geküßt, bevor er sie hineingeleitete. Wenn sie es nicht besser gewußt hätte, wäre Jofrid eifersüchtig geworden: Aber so behandelte er eben Frauen. Für ihn war Gerda nicht nur eine Schwiegermutter, die er erst jetzt kennenlernte, sondern die Kebse des Königs, noch dazu die Kebse von Birger Magnusson, eine Frau, die sein Freund geliebt hatte. Hätte König Birger sie bei sich behalten, hätte Sten ihr auf dieselbe Art geholfen, zurückhaltend, mit Respekt, voller Verständnis und liebevoll.

      Abends saßen sie stundenlang am Feuer und tauschten Erinnerungen an Birger Magnusson aus – Gerda hatte mit kaum einem Menschen über dieses Thema reden können, seit sie geheiratet hatte. Jofrid hatte ihre Mutter nur einmal diesen Mann erwähnen hören, vor vielen Jahre, später nie mehr, weder freiwillig noch durch Zufall. Zum ersten Mal machte sie sich eine Art Bild von ihrem Vater; nicht die Umrisse eines Gesichts, sondern das vage Bild von einem Mann mit großen Fehlern und Schwächen und vereinzelten guten Seiten.

      Ihr war auch nie der Gedanke gekommen, daß ihre Mutter sich an Birger Magnusson gebunden fühlte; daß sie etwas für diesen Mann empfunden haben könnte, der unter Liebe etwas anderes verstand, als man sich gemeinhin darunter vorstellte. Daß in dieser fernen, schwer faßbaren Figur ihr Ursprung lag, daß er Fleisch, Blut und Wesen mit ihr teilte, daß sie durch ihn teilhatte an einer Welt, die ihr gleichzeitig ehrfurchtgebietend und unverständlich vorkam.

      Und jetzt brach Jofrid zum Kloster von Vreta auf, um ihre Kinder zu holen. Ihre beiden Söhne waren von Stockholm, wo ihre Schwiegermutter mehrere Jahre lang gewohnt hatte, nach Vreta geschickt worden. Damals war vereinbart worden, daß der Mutter der Kinder auch erneut das Sorgerecht zugesprochen werden sollte, sobald sie und Sten wieder in den Besitz ihrer Rechte kämen, sich in Schweden niederließen und eine Ehe eingingen.

      Es hatte lange gedauert, die Formalitäten zu erledigen und die Großmutter der Kinder zu überreden, die ihre Rechte nicht freiwillig aufgeben wollte. Die Äbtissin in Vreta hatte einen Streit mit dem Klarissenkloster in Stockholm auf sich nehmen müssen, um so weit zu kommen.

      Es war nicht viel übrig von dem hübschen, blutjungen Mädchen, das Algot einst beherbergt hatte, als sie und Folke auf der Flucht waren, und auf das Algot seine Schwiegertochter vorbereitet hatte. Ingrid Svantepolksdotter war kräftig geworden, ja dickleibig. Man sah ihr an, daß das Leben ihr gegenüber großzügiger verfahren war als gegenüber den meisten anderen Menschen, sie hatte sich für jedes Lebensalter ein neues Schicksal wählen können. Als Kind hatte sie sich gewünscht, Nonne zu werden, dann hatte sie sich verliebt und war von ihrem Geliebten entführt worden, hatte mit ihm Kinder gezeugt und ihn verloren. Ihr bewegtes Leben wurde Gegenstand von Gedichten und Tanzweisen. Als Witwe war sie ins Kloster nach Vreta zurückgekehrt, und jetzt leitete sie das reichste Nonnenkloster des Landes.

      Vreta hätte durch Armut beeindrucken müssen, wie alle Zisterzienserklöster. Aber als Jofrid kam, trug Ingrid ein schwarzes Seidengewand an Stelle der unförmigen Ordenstracht – das schwere Goldkreuz mit Rubinen und Smaragden entsprach gewiß auch nicht den Ordensregeln des Bernard von Clairvaux. Darüber hinaus hatte Ingrid sich eine eigene Wohnung eingerichtet, ein kleines hübsch ausgestattetes Haus am Rande der Klausur. Grüne gemalte Ranken wanden sich um die Fenster, die richtige Glasscheiben hatten, keine Scheiben aus Horn oder Tierhaut wie in den meisten weltlichen Wohnungen. Ingrid lebte gut, das Besteck war aus Silber und Emaille, die Schüsseln aus Limoges, das Bett voller Flecken, und auf einem kleinen Regal stand eine Reihe Bücher, eine unfaßbare Verschwendung.

      Ingrid witzelte darüber, daß die Türöffnung so schmal war: die stamme noch aus der Zeit, bevor sie sich ausgeweitet habe. Ingrid war wirklich die dickste Frau, die Jofrid je gesehen hatte, und dennoch wirkte sie leichtfüßig und beweglich. Das Gesicht war konturlos, weiß und rot wie Milch und Rosenblüten, und die moorwasserfarbenen Augen glänzten und blitzten in tiefen Höhlen.

      Jofrid hatte immer Mitleid mit den Frauen empfunden, die von ihren Familien in ein Kloster gesteckt wurden. Die ewig sich wiederholenden Gebete waren für das Heil der sündigen, selbstsüchtigen Menschheit notwendig, und diese wenigen Nonnen nahmen es auf sich, die Verbindung mit dem Himmel zu pflegen. Aber Jofrid selbst hatte sich in keiner Weise vom Klosterleben angezogen gefühlt, und sie begriff nicht, was ihre Mutter meinte, als diese eines Tages erzählte, daß sie als junges Mädchen daran gedacht habe, Nonne zu werden. Auf Lebenszeit eingemauert, Messen in eiskalten Kirchen absingend, niemals mehr als vier Stunden hintereinander schlafen – dann schon lieber zurück auf den Pachthof nach Norwegen!

      Aber als Frau Ingrid sie herumführte, entfaltete sich vor Jofrids Augen diese besondere Frauenwelt; die friedliche Illusion einer Welt, die frei von Krieg, Hurerei, Verlockungen und Gewalt war.

      Alles war wirklich von Frauenhänden und nach den Wünschen von Frauen geformt. Und besonders auf Frau Ingrid ausgerichtet. Die Äbtissin sah in Schmutz und schlechtem Körpergeruch kein Zeichen von Heiligkeit. Als neuernannte Leiterin des Klosters war ihre erste Entscheidung gewesen, den Schwestern aufzuerlegen, sich selbst und ihre Ordenstrachten sauberzuhalten, jeden Samstag zu baden, die Zähne mit ausgefaserten Wurzeln zu reinigen und das kurze Haar regelmäßig zu waschen und zu schneiden. Die Schwestern wuschen auch ihre Tischtücher und ihr Bettzeug selbst, denn nach Ingrids Auffassung tat ihnen körperliche Arbeit gut.

      Ingrid war stolz darauf, daß sie in ihrer Amtszeit den Einflußbereich der Äbtissin in Vreta ausgebaut hatte. Eigentlich hätte sie sich in allen Angelegenheiten mit Männern beraten müssen; aber mit der Zeit hatte sie die Priester aus der Leitung gedrängt. Nur was die Messe und die Beichte anging, hatte sie sich beugen müssen: Keine Frau konnte zur Priesterin geweiht werden, und keine Frau durfte dem Wunder des Abendmahls vorstehen.

      – Aber meinst du nicht, ich würde einen guten Bischof abgeben? fragte Ingrid, scheinbar im Ernst, – und mußte doch vor Lachen glucksen, – der alte Karl aus Linköping hielt nicht viel von mir als Äbtissin für die jungen Lämmer, solch eine alte, unverbesserliche Sünderin! Aber eine bekehrte Hure, Magdalena, war schließlich gut genug, den Wiederauferstandenen zu finden, dann konnte man wohl auch mir erlauben, den Gören in Vreta vorzustehen. Ich weiß wenigstens,


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