Millionäre. Artur Hermann Landsberger
und gut, er hat mir ’n Geschäft an die Hand gegeben, durch das ich – und der Marcuse schwätzt nicht – Millionen verdienen kann.“
Leopold, der bisher in seiner Korrespondenz geblättert hatte, schob alles beiseite und richtete sich auf.
„Sieh mal an!“ sagte er interessiert – „und warum macht er es nicht, wenn’s so glänzend is?“
„Marcuse ist neunundsiebzig – is Junggeselle – hat sein gutes Auskommen – wozu soll er sich den Kopf verdrehen? – nu, ich versteh’ das und wär’ nich anders, wenn ich nich müsste.“
„Und das Geschäft?“ fragte Leopold.
„Deshalb eben bin ich gekommen – also hör’ zu: Du kennst die Gelände unten an der Döberitzer Heerstrasse ...“
„Wo jetzt die grossen Kasernen und Uebungsplätze hinkommen sollen?“
„Richtig! Denk’ dir, Marcuse hat auf einen Teil der Gelände eine Option gegen Zahlung von zweimalhunderttausend Mark.“
„Nicht möglich!“ rief Leopold. „Das ist ja ein Millionenobjekt!“
„Gewiss is es das!“ erwiderte Cohn. „Na und ich kann dir auch verraten, dass der Fiskus den Ankauf der Gelände zu einem exorbitant hohen Preise bereits beschlossen hat. – N’ Köppchen der Marcuse! Alles weiss er, überall is er dabei!“
„Und was hast du davon? Hat er dir etwa versprochen, dass er dich als Erben einsetzt?“ fragte Leopold.
„Er hat mir die Option an der Hand gelassen!“
„Was? is er verrückt?“
„Die zweimalhunderttausend Mark müssen aber spätestens bis zum ersten April, das heisst in knapp drei Monaten, bezahlt werden. Sonst verfällt die Option und, de kannst dir denken, der Vorbesitzer verwertet das Gelände selbständig.“
„Vater!“ rief Leopold und sprang auf – „das is ja ein Glücksfall sondergleichen, zu dem man dir gratulieren kann.“
„Wo hab’ ich schon bis zum ersten April die zweimalhunderttausend Mark her?“ sagte Cohn.
Leopold lief im Zimmer umher und überlegte.
„Zweihunderttausend Mark!“ brabbelte er vor sich hin – „das is freilich kein Pappenstiel.“
„Wem sagst du das?“ erwiderte Cohn.
„Hast du Unterlagen? – Sicherheiten?“
Cohn kramte in seinen Taschen und zog einen ganzen Stoss von Papieren hervor, die er Leopold reichte.
„Ich dachte“, sagte Cohn – „natürlich zuerst an dich, dass du mir vielleicht – auf irgendeine Art – die Summe verschaffst. Denn am Ende kommt es ja eines Tages doch euch zugute – und dann: es kann euch ja auch nicht gleich sein – menschlich wie geschäftlich – wenn ich auf meine alten Tage noch in Konkurs gehe.“
„Das würde natürlich auch auf mein Geschäft zurückwirken“, erwiderte Leopold.
„Das hättest du nur früher bedenken sollen“, sagte Cohn. „Aber, gottlob, es is ja noch immer Zeit.“
Leopold hatte sich inzwischen in die Schriftstücke, die ihm sein Schwiegervater gegeben hatte, vertieft.
„Ein aufgelegtes Geschäft!“ sagte er.
„Weiss Gott, das is es!“ bestätigte Cohn – „und du meinst: du kannst?“
„Ich muss!“ erwiderte Leopold.
Cohn stand auf und klopfte ihm auf die Schulter.
„Du bist doch ’n guter Kerl!“ sagte er – „und ersparst deinem alten Schwiegervater die Schande! – Ich würd’s auch nich überleben.“
Noch einmal überlegte Leopold.
„Hast du schon sonst mit jemandem über das Geschäft gesprochen?“ fragte er.
„Aber nein! ich bin doch kein Kind!“
„Wills du mir die Unterlagen hier lassen und mir versprechen, nichts, aber auch wirklich nichts, in dieser Sache ohne mich zu unternehmen?“
„Wenn du mir sagst, dass es dir möglich is ...“
„Hier, mein Wort darauf, dass du das Geld rechtzeitig hast“ – er hielt seinem Schwiegervater die Hand hin.
„Damit machst du alles wieder gut, mein Junge“, sagte Cohn gerührt und schlug ein. „In solchen Stunden spürt man doch, dass man zusammengehört.“
Viertes kapitel
Wie Leopold das grosse Geschäft an sich reisst
Leopold sann jetzt Tag und Nacht darüber nach, wie er die zweimalhunderttausend Mark beschaffen könne. Er lief von einer Bank zur andern. Aber er war aus Furcht, man könne ihm das Gechäft entreissen, nicht zu bewegen, sich zu decouvrieren und die Unterlagen aus der Hand zu geben; und so beschied man ihn entweder abschlägig oder man verlangte Anteile am Gewinn, die in keinerlei Verhältnis zu der Leistung standen, um die er bat.
Auch seine Versuche, die nötigen Summen durch geschäftliche Transaktionen in seinem Geschäfte aufzutreiben, schlugen fehl. Er verschleuderte die von ihm teuer eingekaufte Ware gegen Kasse, während er selbst seinen Dreimonatskredit wechselmässig weiter in Anspruch nahm. Das hatte naturgemäss eine ganz bedeutende Steigerung seines Absatzes zur Folge. Aber die grossen Barmittel, die er auf diese Weise in die Hand bekam, reichten kaum für die geschäftlichen und gesellschaftlichen Verpflichtungen, die immer grösser wurden. Und die Gefahr, einen Zusammenbruch seines Geschäftes zu erleben, ehe es ihm gelang, sich auf Grund des ihm in Aussicht gestellten Terraingeschäftes ein für alle Male zu rangieren, rückte immer näher.
Denn der Gedanke, dieses Terraingeschäft, das ihm sein Schwiegervater so leichtfertig in die Hände spielte, auf andere als auf eigene Rechnung zu machen, kam ihm nie.
Um sich geschäftlicher Verpflichtungen zu entledigen, waren Konkurs und Zwangsvergleich noch immer die bewährtesten Mittel.
Nur hiess es, eine Kombination schaffen, welche die Effektuierung des Terraingeschäftes trotz – ja vielleicht grade infolge dieses Konkurses möglich machte.
Und diese Kombination offenbarte sich ihm während der Marcellus-Messe im königlichen Dom am Freitagabend.
Am nächsten Morgen setzte er alle Hebel in Bewegung, um den Aufenthaltsort Jacobys ausfindig zu machen. Weder auf dem Einwohnermeldeamt Berlins, noch auf einem der Vororte war er zu ermitteln. Und so drahtete er denn dringend an seinen Schwiegervater, der erst heute morgen wieder auf einer Karte angefragt hatte, ob die Beschaffung der zweimalhunderttausend Mark auch ganz sicher sei:
„Verbürge mich für rechtzeitige Beschaffung, drahte Jacobys Aufenthalt, den dir zu Liebe wieder aufnehme
Gruss Leopold.“
Und Cohn schmunzelte vergnügt, als er das Telegramm las; hatte den ganzen Tag über für jeden Kunden, den er bediente, ein freundliches Wort, unterrichtete strahlend Marcuse und drahtete nach Berlin zurück:
„Sehr lieb von dir, Jacoby wohnt Rosenstrasse 3.
Gruss euch allen, Vater.
Leopold fuhr selbst zu Jacoby, den er auch antraf.
„Um Himmels willen! – was is passiert!“ rief Jacoby, als Leopold ins Zimmer trat. Er wusste: ein freudiger Anlass konnte es nicht sein, aus dem er zu ihm kam.
„Nich mehr und nich weniger, als dass mein Schwiegervater vor der Pleite steht.“
Jacoby entfärbte sich.
„Gott im Himmel! das is ja nich möglich! –“
„Leider doch!“
„Das überlebt er nich!“
„Ich fürchte