Millionäre. Artur Hermann Landsberger

Millionäre - Artur Hermann Landsberger


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      „Du weisst ja nicht, wie Mutter ist – wenn man doch auch so wäre – und nichts mehr empfände. Ich kämpfe ja schon alle Gefühle nieder – und es geht auch ganz gut – nur manchmal, da wird man wieder weich – wie du, Grossvater! – Du bist zu gut, du müsstest härter sein!“

      „Ich kann mich nicht mehr ändern, mein Kind,“ erwiderte der Alte – „leider! – gewiss wär’s besser. Das Leben is wohl heut anders – also müssen auch die Menschen anders sein! – Nimm’s leicht! wie’s auch kommt! Es lohnt am Ende nicht, es ernst zu nehmen!“

      Emilie trat ins Zimmer.

      „Leopold is zurück!“ sagte sie. „Da is er!“

      Der Alte sah nicht auf – er hielt noch immer Jettes Hand.

      „Na,“ sagte Leopold – „vielleicht interessiert’s dich, zu hören ...“

      „Geh raus, Jette!“ befahl Emilie.

      „Lass sie bei mir!“ sagte der Alte – „sie beruhigt mich.“

      „Es passt sich nicht, dass junge Mädchen hören, wenn von Geschäften die Rede ist,“ widersprach Emilie – „Geh!“

      Jette drückte noch einmal die Hand ihres Grossvaters, dann stand sie auf und ging.

      Als sie draussen war, sagte Cohn uninteressiert:

      „Also?“

      „Bedank’ dich bei mir!“ sagte Leopold. „Es ist mir tatsächlich gelungen, die Bank zur Uebernahme der Option zu bestimmen. Und zwar für zwanzigtausend Mark. Das Geld liegt bereit – die Zessionsurkunden sind vorbereitet, der Notar wartet auf telephonischen Anruf – du hast nichts weiter zu tun, als das Geld in Empfang zu nehmen und deine Unterschrift zu geben. Es ist jetzt zehn Minuten vor sechs; die Bank hält sich bis sieben Uhr an die Offerte gebunden.“

      „Was sagst du zu Leopolds Tüchtigkeit?“ rief Emilie.

      „Du bist doch bereit?“ fragte Leopold.

      Der Alte mühte sich aus dem Sessel auf:

      „Komm!“ sagte er. – Sonst sprach er kein Wort. Auch während des Vollzugs der Zession schwieg er. Erst als er mit Leopold das Bankgebäude verliess und wieder im Auto sass, nahm er aus dem Kuvert, das ihm der Notar im Auftrage der Bank überreichte, fünf Tausendmarkscheine heraus und reichte sie seinem Schwiegersohn.

      „Für deine Mühen!“ sagte er.

      Und Leopold nahm das Geld, um sich nicht zu verraten.

      Am andern Tage übte die Bank – im Auftrage der Frau Emilie Lesser – die Option aus. Sie erwarb die fraglichen Gelände und veräusserte sie weiter an den Fiskus. Und sie erwirkte, dass der Fiskus bei Ankauf des Terrains die alten Kasernen in der Stadt, die grossen Wert repräsentierten, mit in Zahlung gab.

      Und durch die Ausbeutung dieser Gelände, bei der ihn die Bank, mit der er nun in innige Fühlung trat, mit Rat und Tat unterstützte, wurde Leopold Lesser Millionär.

      Achtes kapitel

      Wie Emilie die Bekanntschaft der Frau Kommerzienrat Beer machte

      Im Hotel Schweizerhof in Luzern wurde „zum Besten der Abgebrannten von Alpnach“ ein Fest veranstaltet.

      Die Liste der Teilnehmer wanderte von einem Gaste zum andern. Spät erst kam sie zu Lessers.

      Das war ein Fressen für Frau Emilie, die längst alle Gäste des Hotels auf ihr Einkommen hin geschätzt hatte. Endlich sah man, mit wem man zusammen war. Endlich war der Augenblick da, wo man zeigen konnte, wer man war! Leidenschaftlich griff sie nach der Liste. Zwanzig Francs hatten die meisten gezeichnet und dafür noch die Billetts verlangt, die im Prospekt mit fünf Francs veranschlagt waren. Doch waren der Wohltätigkeit keine Schranken gesetzt. Gottlob! dachte Emilie – tauchte voller Kraft den Halter in die Tinte und schrieb: Leopold Lesser aus Berlin: Zwei Billetts – 200 Francs.

      „So, nun platzt!“ sagte sie laut und reichte Leopold die Liste: „Da, lies! – eine nette Gesellschaft, in der wir uns bewegen. Im nächsten Sommer gehen wir nach St. Moritz.“

      Leopold las und schüttelte den Kopf.

      „Für wen ist die Sammlung?“ fragte er seine Frau.

      „Wieso?“ erwiderte sie erstaunt, „das ist doch ganz gleich. Steht’s denn nicht drauf?“

      „Ach so – natürlich! da steht’s ja. Ich möchte wissen, ob für uns jemand sammelt, wenn wir ins Unglück geraten.“

      „Red’ nich so’n Unsinn!“ fuhr ihn Emilie an. „Wenn das jemand hört. Es ist schon traurig genug, dass kein Mensch etwas von unseren Millionen weiss – wenn du wenigstens Kommerzienrat wärst oder ein paar anständige Orden hättest. Du solltest dich mit diesem Kommerzienrat Beer anfreunden – der weiss bestimmt, wo so was zu haben ist.“

      „Langsam Kind!“ erwiderte Leopold: „Wir wollen froh sein, dass wir glücklich soweit sind.“

      „Ich denke vorwärts und nicht zurück.“

      „Was!“ rief Leopold. „Du bist ein schlechter Geschäftsmann!“

      „Wieso?“ fragte Emilie.

      „Siehst du denn nicht, dass wir die letzten auf der Liste sind.“

      Emilie sah ihn erstaunt an.

      „Ja, und?‘ fragte sie.

      „Nun, diese Liste geht von hier aus an die Kurbehörde – und kein Mensch erfährt je etwas von diesen zweihundert Francs.“

      Emilie wurde blass.

      „Nich zu glauben!“ rief sie wütend, „da kannst du wieder sehen, wie man uns behandelt. Schämen muss man sich. Das wäre ein nettes Sündengeld, zweihundert Francs für nichts und wieder nichts aus dem Fenster zu werfen! Nein, mein Lieber!“ – Und sie nahm ihm die Liste aus der Hand, tauchte den Halter wieder in die Tinte, machte hinter die zwanzig einen Punkt und fügte hinten eine Null an, so dass anstelle der 200 Francs nun 20.00 Francs stand.“

      Leopold lächelte.

      „Ich werde meine Bücher künftig von dir führen lassen,“ sagte er.

      Aber Emilie war mit ihren Gedanken schon wieder ganz wo anders:

      „Wenn man nur wüsste, wie man es anfängt!“ sagte sie unvermittelt:

      „Was?“ fragte Leopold.

      „Dass man mit diesen Beers bekannt wird.“

      „Die Leute wissen eben nicht, wer man ist.“

      „Was heisst das?“ erwiderte Emilie – „Wir haben die teuersten Zimmer im Hotel! Wir trinken jeden Abend Champagner! Ich meine, daraus müssten sie doch sehen, dass wir nicht die ersten besten sind.“

      „Se scheinen doch aber nicht zu wollen.“

      „Darauf kommt es nicht an.“

      „Wieso nicht?“

      „Man hat seinen Verkehr nicht zum Vergnügen.“

      „Sondern?“

      „Um vorwärts zu kommen.“

      „Gewiss, aber was können wir den Leuten bieten?“

      „Das ist es ja eben!“ sagte Emilie ganz verzweifelt. „Nichts!“ und sah ihren Mann vorwurfsvoll an.

      „Wenn diese Unsitte mit den separaten Tischen nicht wäre! Früher plazierte einen der Oberkellner für ein paar Silbergroschen wohin man wollte. Für zehn Mark habe ich vorigen Sommer in Nauheim acht Tage lang mittags und abends neben einem Marquis gesessen.“

      „Und hast es nicht verstanden, den Verkehr aufrecht zu erhalten.“

      „Das war nicht möglich, weil der Marquis kurz darauf wegen Falschspiels


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