Millionäre. Artur Hermann Landsberger

Millionäre - Artur Hermann Landsberger


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auf dich gesetzt, Leopold – du wusstest doch, wie es um mich stand ...“

      „Jeder is seines Glückes Schmied,“ erwiderte Emilie – „und am Ende hat sich Leopold doch auch für dich bemüht.“

      „Was gibt er denn als Grund für seine Ablehnung an?“ fragte der Alte.

      „Geldstockungen – Konjunktur – man kennt die Einwände ja, gegen die man machtlos ist – oder was soll ich ihm erwidern, wenn er sagt: ein heut fälliges Akzept von hundertfünfzigtausend Mark ist nicht eingelöst worden? – Kann ich nachprüfen?“

      Cohn sank in sich zusammen.

      „Was nun?“ rief er ein um das andre Mal.

      „Die Sache ist noch nicht aussichtslos!“ sagte Leopold.

      „Was heisst das?“ erwiderte Cohn – „wenn ich morgen nich zahl, is die Option verfallen.“

      „Das schon, aber er bietet als einmalige Abfindungssumme für die Option fünfzigtausend Mark.“

      „Leopold!“ schrie Emilie – „bist du von Sinnen?“

      „Lass mich nur machen,“ flüsterte Leopold und nahm sie beim Arm.

      Cohn achtete in seiner Erregung nicht darauf.

      „So ein Gauner!“ rief er. – „Er will das Geschäft selber machen. – Ich glaub’s! Das könnte ihm passen! – Aber daraus wird nichts! Sag ihm das! – Und wenn ich keinen Pfennig sehe!“

      „Aber das ist doch unvernünftig!“ erwiderte Leopold.

      „Mag sein! So bin ich eben auch einmal unvernünftig! Ich bin mein Lebtag lang immer vernünftig gewesen – oder ich hab’s mir wenigstens eingeredet – und was is der Erfolg? – Was is der Schluss? – Zu zweiundsiebzig Jahren bin ich ’n armer Mann. – Ich fürcht’ mich nich davor, – das dürft ihr nich etwa glauben, dass ich mich vor der Armut fürchte. Du lieber Gott, mehr als verhungern kann man nich – und einen Tod muss man am Ende sterben. – Aber!“ – rief er laut – „wenn ich das Geschäft nicht mache: ein anderer macht’s auch nicht! Die Genugtuung wenigstens will ich haben!“

      „Das is doch keine Genugtuung! Das is doch Eigensinn!“ schalt Emilie. – „Wo man mit jedem Pfennig rechnen muss. Nur, damit ’n andrer nichts verdient, fünfzigtausend Mark auszuschlagen.“

      „Diebstahl is das!“ rief Cohn. – „Ich wer zum Staatsanwalt gehen!“

      „Ich glaube nicht, dass der dir helfen kann,“ erwiderte Leopold.

      Cohn sah nach der Uhr.

      „Ich will doch sehen, ob ich das Geld nich auftreibe – wenn man’s vor acht Tagen gewusst hätte! – aber nein! in der letzten Minute! – Trotzdem! Versuchen muss man’s.“

      „Aber Papa!“ suchte Emilie ihn zurückzuhalten. – „Was Leopold bei seinen Verbindungen nicht gelungen ist, wirst du doch noch viel weniger erreichen.“

      „Sag das nich! Man kann nich wissen! – Vielleicht ein Zufall – und davon hängt ja doch am Ende alles ab im Leben – wo sind die Unterlagen?“ wandte er sich an Leopold.

      „Die hat er!“ erwiderte Leopold.

      „Was? – Du hast sie aus der Hand gegeben?“

      „Meinst du, dass uns jemand auf unser Gesicht hin das Geld gegeben hätte?“

      „Nu, es wird ihm nichts nützen – er wird sie herausgeben – was soll er damit – ohne meine Einwilligung kann er nichts damit anfangen. – Wo wohnt er? Ich hol se mir. – Du bist zu gutmütig, Leopold, hast für alles noch immer ’ne Entschuldigung!“

      Emilie sah ängstlich zu ihrem Mann auf.

      „Sag’ schon!“ drängte der Alte. – „Am besten, du begleitest mich.“

      „Das wird nicht gehen, Papa,“ erwiderte Leopold, – „da er nicht in Berlin ...“

      „Was? Wo denn?“ unterbrach ihn Cohn erregt.

      „Es ist ein Hamburger Geschäftsfreund – vor morgen könnten die Unterlagen also nicht hier sein – ich fürchte, dann ist es zu spät.“

      „Dann versuch’ ich’s so!“ rief Cohn – „man wird mir glauben! – Ich verpfänd’ mein Wort. – Ich hab’ mein Lebtag niemanden getäuscht – ich ... ich –“ und er stürzte in grosser Erregung aus dem Zimmer.

      „So bestehst du also darauf, dass ich das Hamburger Propos ablehne?“ rief ihm Leopold nach. „Ueberleg’s dir, es sind sichere fünfzigtausend Mark.“

      „Nimm’s an, Papa! Ich bitt dich!“ bettelte Emilie und lief ihm nach. – „Schon unsertwegen!“

      Der Alte blieb in der Flurtür stehen und wandte sich um:

      „Nein!“ erklärte er bestimmt; – „ich lehne es ab.“ Dann polterte er die Treppen hinunter und fuhr zur Deutschen Bank.

      Siebentes kapitel

      Wie Leopold Lesser das Geschäft effektuierte

      Cohn kehrte erst spät nachmittags völlig erschöpft zurück. Leopold und Emilie sahen sofort, dass er sich vergeblich bemüht hatte. Er glitt in einen Sessel und war die ersten zehn Minuten überhaupt nicht imstande, zu erzählen, was sich ereignet hatte.

      Nach einer ganzen Weile fragte er leise:

      „Hast du dem Hamburger schon abgesagt?“

      Emilie wandte sich um und schmunzelte. Auch Leopold hatte Mühe, seine Freude zu verbergen, und erwiderte sehr gegen seine Ueberzeugung.

      „Ich will hoffen, du hast das Geld, Papa!“

      „Nein!“ sagte Cohn und liess den Kopf sinken. – „Ich habe es nicht und werde es auch nicht bekommen.“

      „Grosser Gott!“ rief Leopold. „Hätte ich doch nicht auf dich gehört ...“

      „Du hast also doch schon,“ stiess der Alte mühsam hervor.

      „Ja!“ erwiderte Leopold. „Vor einer halben Stunde.“

      „Dann ist es aus!“ sagte Cohn. Und nach einer Weile: „Wer weiss, wozu es gut ist.“

      „Was brauchst du denn als Aeusserstes, um den Konkurs abzuwenden?“ fragte Leopold.

      „Für den Augenblick zwanzigtausend Mark – und später ...“

      „Das Später wird sich finden,“ unterbrach ihn Leopold. „Jedenfalls ist es von dir ein Verbrechen nicht nur gegen dich, sondern auch gegen uns, ein Propos, das dich retten konnte, aus purem Eigensinn abzulehnen.“

      „Ich hoffte ja immer noch! – aber nicht einmal vorgelassen hat man mich an den Banken.“

      „Wenn’s in letzter Stunde überhaupt noch jemand macht,“ erklärte Leopold – „dann nur die Kommerz- und Diskonto-Bank, bei der Emilie ’n kleines Konto hat. Ich kenn’ den Direktor. Wenn du willst, versuch’ ich’s.“

      Der Alte war noch immer ausser Atem.

      „Mach’ was du willst!“ sagte er. „Ich hab’ keine Kräfte mehr.“

      „Ich will’s versuchen – obschon ich mir nicht viel davon verspreche.“ – An der Tür blieb er stehen und wandte sich um. War es Mitleid? war es das Gewissen, das plötzlich in ihm erwachte? – Er überlegte, ob er dem Alten, der ganz in sich zusammengesunken war, die Wahrheit sagen sollte. Emilie spürte wohl, was in ihrem Manne vorging. Ein energischer Blick, ein kurzes bestimmtes Schütteln des Kopfes – und Leopold gehorchte.

      „Dann nicht!“ sagte er leise vor sich hin. – „Aber ich werde dir Jette schicken, Vater! Die wird dich auf andre Gedanken bringen.“

      Jette sass neben ihrem Grossvater –


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