Millionäre. Artur Hermann Landsberger

Millionäre - Artur Hermann Landsberger


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unterziehen wolltest. Es ist mir übrigens lieber, du nimmst das Buch mit nach Hause. Ich möchte nicht, dass man es bei mir findet.“

      Er reichte ihr das Buch, dass sie gelangweilt aufschlug.

      „Was soll das?“ fragte sie ..

      „Blättre nur bis zu Ende!“ bat er.

      „Was? – was?“ rief sie und bekam einen roten Kopf. Dreimalhunderttausend Mark zu meinen Gunsten – wo – wo kommen die her?“

      „Ich weiss es nicht!“ erwiderte Leopold. „Ich dachte, dass du es vielleicht wüsstest. Ich habe nur die Mitteilungen von der Bank erhalten, dass diese Summe auf dein Konto einbezahlt worden ist.“

      „Leopold! Du bist nicht bei Verstand!“ rief Emilie.

      „Allerdings sind hier in den letzten Wochen Akzepte von mir in Höhe von dreihunderttausend Mark vorgekommen, die mein Geschäft infolge der hohen Kassenbestände prompt eingelöst hat.“

      „Und wer – wer – hat die präsentiert?“ fragte Emilie zitternd.“

      Voraussichtlich jemand, dem ich sie vorher übergeben hatte.“

      „Ja – und?“

      „Und der muss dann wohl die Freundlichkeit gehabt haben, die Valuta auf dein Konto einzuzahlen. Es ist möglich, dass er dabei einer kleinen Anregung von meiner Seite gefolgt ist – das Resultat ist jedenfalls: dass du zurzeit über ein Vermögen von dreihunderttausend Mark verfügst – somit also in der Lage bist, das Terraingeschäft deines Vaters auf eigene Rechnung zu machen.“

      „Leopold!“ schrie Emilie – sie schrie immer, wenn sie erregt war – „dann sind wir ja Millio ...“

      Leopold hielt ihr die Hand vor den Mund.

      „Pscht!“ sagte er – „zunächst werde ich jetzt als rechtschaffener Kaufmann mit allem Anstand in Konkurs gehen. – Ich habe bis Ultimo etwa dreimalhunderttausend Mark zu zahlen.“

      „Dreimalhunderttausend Mark,“ erwiderte Emilie. „Das ist ja genau so viel, wie mein Vermögen.“

      „Ich danke Gott, dass es nicht mein Vermögen is,“ erklärte Leopold. „Ich habe getan, was ich konnte. Ich habe bisher immer pünktlich bezahlt. Auch diesmal habe ich alle Lieferanten befriedigt.“

      „Also!“

      „Konnte ich wissen, dass der Kerl ein Halunke is?“

      „Welcher Kerl?“ fragte Emilie.

      „Dessen Wechsel ich den Lieferanten in Zahlung gegeben habe und der nun, wo sie fällig sind ...“

      „... nicht zahlt!“ ergänzte Emilie – „ich begreife!“

      „Nich nur nicht zahlt,“ erwiderte Leopold – „er ist einfach nicht auffindbar – er ist auf und davon – kein Mensch weiss, wohin.“

      „Vornehm is das!“ sagte Emilie verächtlich – „und wer is dieser Jöntelmen?“

      „Was tut der Name zur Sache,“ erwiderte Leopold, und als Emilie ihre Frage wiederholte, antwortete er: „Jacoby.“

      Sie standen sich jetzt gegenüber und sahen sich an. Dann platzten sie beide heraus und pruschten laut los.

      „Nein, Leopold!“ rief Emilie und schüttelte sich vor Lachen. „Mit deinen Anlagen kannst du es noch einmal bis zum Bankdirektor bringen.“ –

      Und so ging denn Leopold Lesser in Konkurs – in den Augen seiner Gläubiger und der Welt zugrunde gerichtet von einem gewissenlosen Menschen, von dem man nur wusste, dass er Jacoby hiess und fünfzehn Jahre lang im Hause von Lessers Schwiegervater in Neutomischel das grösste Vertrauen genossen hatte – sein blühendes Geschäft war ihm zum Opfer gefallen.

      Diese Auffassung herrschte im Gläubigerausschuss; und sie übertrug sich auch auf Gericht und Konkursverwalter. Und so war denn bei der ersten Gläubigerversammlung die Stimmung eine dem Gemeinschuldner günstige und versöhnliche. Und als der alte Geheime Justizrat Gause als Anwalt der Frau Emilie Lesser auftrat und die Erklärung abgab, dass seine Klientin zugunsten der Gläubiger auf ihre sämtlichen, nicht unerheblichen Ansprüche an das Vermögen ihres Mannes verzichte, da hatte man für den Schuldner nur Ausdrücke der Teilnahme und Hochachtung. Und man verurteilte das Vorgehen eines auswärtigen Gläubigers, der ihn einer geringen Schuld wegen zum Offenbarungseide zwang.

      Sechstes kapitel

      Wie Emilies Vater sich dupieren lässt

      Eines Morgens erhielt Emilies Vater in Neutomischel einen Brief, in dem sein Schwiegersohn ihm schrieb, dass er durch den Zusammenbruch eines seiner grössten Schuldner seinen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen könne und infolgedessen gezwungen sei, in Konkurs zu gehen. Er möge diese Tatsache mit derselben Ruhe aufnehmen, mit der sie seine Tochter Emilie aufgenommen habe. Er, Lesser, fühle sich jung genug, um mit frischer Kraft von vorn zu beginnen; im übrigen seien die geschäftlichen Erfahrungen, die er in Berlin gesammelt habe, mehr wert, als das verhältnismässig kleine Kapital, das er verloren habe. – Und am Schluss schrieb er: „Ich brauche dir wohl nicht erst zu versichern, dass deine Terrain - Transaktion durch meinen Konkurs in keiner Weise berührt wird. Das Geld ist mir von Prima Seite zugesichert und du kannst mit absoluter Bestimmtheit darauf rechnen.“

      Drei Tage vor dem ersten April kam Cohn nach Berlin. Der Zwangsvergleich, der Leopolds Konkurs beendet hatte, gefiel ihm gar nicht.

      „In sechs Wochen hätt’ ich deine Gläubiger auf Heller und Pfennig befriedigt. Aber zehn Prozent! Ich würd’ mich schämen an deiner Stelle. – Wie stehst du nu da!“

      Aber Leopold zeigte ihm Briefe seiner Gläubiger, in denen sie ihm dankten und ihn ihres ferneren Vertrauens versicherten. Ja einige räumten ihm sogar von neuem Kredite ein.

      „Da kann ich nicht mit!“ sagte Cohn.

      „Du vergisst, dass du über dreissig Jahre älter bist als wir!“ sagte Emilie.

      „Mag sein, dass es das ist. – Also reden wir von was anderm! Wie steht’s mit den zweihunderttausend Mark? Wann kann ich se haben?“

      „Ich denke morgen,“ erwiderte Leopold.

      „Was heisst, du denkst?“ fragte sein Schwiegervater.

      „Ich hab’ vorhin mit dem Geldmann telephoniert.“

      „Nu und?“

      „Er macht plötzlich allerlei Ausflüchte.“

      „Leopold!“ rief Cohn entsetzt – „das – das is ja nicht möglich – ich hab’ doch dein Wort – morgen muss das Geld da sein! ... Du weisst, dass ich sonst ...“

      „Vor allem kalt Blut!“ unterbrach ihn Leopold – „mit Schreien kommen wir nicht weiter. Ich hab’ getan, was ich konnte. – Wenn man mich jetzt im Stiche lässt, so ist das nicht meine Schuld.“

      „Wer ist der Mann?“ fragte Cohn in grosser Erregung.

      „Einer meiner zuverlässigsten Freunde,“ erwiderte Leopold. – „Emilie kennt ihn auch.“

      „Lass mich zu ihm!“ forderte Cohn. „Ich werde ihm sagen, wie schändlich es von ihm is, ein Ehrenmann hält, was er verspricht ...“

      „Das alles habe ich ihm gesagt,“ erwiderte Leopold.

      „Nun, und?“

      „Das wären Redensarten! hat er geantwortet.“

      „Was!“ rief Cohn – „und von so einem gewissenlosen Menschen sagst du, dass er einer deiner zuverlässigsten Freunde sei?“

      „Ich dachte es,“ erwiderte Leopold – „bis heute – ich habe mich eben geirrt.“

      „Lieber Leopold,“ sagte Cohn mit starker Betonung – „du irrst dich in letzter Zeit etwas häufig! Du bist mir, scheint’s, nicht


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