Millionäre. Artur Hermann Landsberger
„Aber deine Emilie hat mich betölpelt mit schöne Reden – ja, ich bin mit schuld an seinem Unglück – aber ich bin bestraft – das geschieht mir recht – ich hab’s nicht besser verdient!“
„Mit deinem Gejammer machst du es nicht gut,“ sagte Leopold.
„Sage mir, wie ich es gut machen kann!“ erwiderte Jacoby. „Wenn eine Möglichkeit existiert – es gibt kein Opfer, das ich nicht brächte!“
Leopold sah ihm in die Augen.
„Ich hätte nicht übel Lust, dich beim Wort zu nehmen!“ sagte er.
„Tu’s!“ bat Jacoby.
„Es gibt eine Möglichkeit, ihn zu retten.“ Und nun erzählte ihm Leopold unter strengster Verschwiegenheit von dem Terraingeschäft und der Option seines Schwiegervaters, und wie er, Leopold, sich seit Tagen vergeblich bemühe, das Geld zusammenzubringen.
„Diese Summe! Das is nich möglich!“ sagte Jacoby.
„Doch!“ widersprach Leopold. – „Wenn es dir Ernst is um seine Rettung – du brauchst nichts weiter zu tun, als auf – na sagen wir mal fünf Jahre irgendwo ausserhalb Deutschlands – du lieber Gott, die Welt is gross ...“
„Ein Verbrechen soll ich begehen!“ schrie Jacoby auf – „nie im Leben!“
„Reg dich nich auf!“ erwiderte Leopold in aller Ruhe. „Wer spricht von Verbrechen? Dazu werd’ ich mir ausgerechnet n’ Helden wie dich aussuchen. – Aber lassen mer’s; wenn de nich mal das kleine Opfer ...“
„Bis ans Ende der Welt will ich gehen,“ beteuerte Jacoby – „und bis an mein Lebensende fortbleiben, wenn ich ihn damit retten kann. Aber ich begreif’ nich ...“
„Du wirst gleich begreifen,“ unterbrach ihn Leopold. Und er zog aus seiner Tasche einen ganzen Stoss Wechselformulare heraus und legte sie auf den Tisch.
„Was soll das?“ fragte Jacoby.
„Hier“ – und er reichte ihm ein Päckchen ausgefüllter Wechselformulare –“ gebe ich dir für dreimalhunderttausend Mark Akzepte – Se sind gut! – sämtlich auf meinen Namen – du kannst se unbesorgt nehmen.“
Jacoby zögerte.
„Wofür?“ fragte er. – „Wozu?“
„‚Du hast die Liebenswürdigkeit, mir von dir für dreimalhunderttausend Mark Akzepte dagegen zu geben – da“ – und er schob ihm ein Päckchen unbeschriebener Formulare hin – „füll aus – und schreib die Fälligkeitsdaten von dem Zettel hier ab – es is nötig, dass sie später fällig sind als meine.“ Jacoby sah ihn verwirrt an.–„Ich weiss nich, warum du zögerst – es kann kein glatteres Geschäft geben: ich geb dir dreimalhunderttausend Mark und du zahlst mir dreimalhunderttausend Mark zurück.“
„Das schon; aber wozu?“ fragte Jacoby und schüttelte den Kopf.
„Hast du Angst, ich will dich hineinlegen? Sind meine Wechsel nicht besser als deine?“
„Eben – darum – wie kann ich Akzepte ausstellen über dreimalhunderttausend Mark, wo ich nicht weis, wovon ich morgen leben soll.“
„Kannst du mehr tun, als mir das sagen? wenn ich son Esel bin und geb dir trotzdem dagegen meine, was geht’s dich an?“
Jacoby nahm den Halter auf und überlegte – dann tauchte er ein und schrieb:
„Ich kann dabei Strafbares nich finden,“ sagte er – „wenngleich ich nich weiss, wie du damit dem Alten helfen willst.“
„Brauchst du auch nicht zu wissen,“ erwiderte Leopold. „Schreib nur!“
Und Jacoby schrieb quer – Wechsel um Wechsel, füllte Summe und Fälligkeitstermine, wie Leopold sie auf dem Zettetl angegeben hatte, aus und zählte zusammen.
„Es stimmt!“ sagte er – „es sind dreimalhunderttausend Mark – da!“ – und er reichte Leopold die Formulare, der sie zusammenkniffte und in die Tasche schob.
„Was nun?“ fragte Jacoby.
„Nun, mein lieber Jacoby, wirst du doch Geld brauchen.“
„Ich? wozu?“
„Nu, ich weiss ja nich, wo du hingehst – will’s auch nich wissen! – aber reisen kostet Geld. – Und dann: leben musst du ja schliesslich auch.“
„Lieber Leopold“, erwiderte Jacoby – „was bedeutet das alles? Wie kann dadurch, dass ich fortgeh ...“
„Du brauchst also Geld,“ fuhr Leopold fort und überhörte, was Jacoby sagte. „Ich mache dir einen Vorschlag: ich kaufe dir meine Wechsel ab. Und zwar für dreissigtausend Mark. Hier, zähl nach!“ – und er reichte ihm ein Päckchen Tausendmarkscheine, die Jacoby mit zitternden Händen nahm.
„Zähle!“ wiederholte Leopold.
„Ich kann nich,“ erwiderte Jacoby – „ich bin zu erregt – das is ja ein Vermögen – das reicht ja aus, um mir eine Existenz zu gründen. –“
Und immer wieder legte er einen Schein auf den andern und vergass in seiner Erregung, zu zählen, bis Leopold, der seine Wechsel wieder an sich genommen hatte, ungeduldig wurde und sagte:
„Nun gib mir dein Ehrenwort, Jacoby, dass du mindestens fünf Jahre fortbleibst.“
„Bis an mein Lebensende, wenn ihm damit gedient ist,“ gelobte Jacoby und gab ihm die Hand.
Fünftes kapitel
Leopold Lesser geht in Konkurs
Eines Vormittags erschien Emilie im Bureau ihres Mannes.
„Da bin ich! Was sind das für Eröffnungen, die du mir zu Hause nicht machen konntest. Ich muss sagen, du verstehst es, einen in Spannung zu halten. Ich habe kein Auge geschlossen heut nacht.“
Leopold sah nach der Uhr und schmunzelte.
„Bitte, setz’ dich!“ sagte er und schob ihr einen Stuhl hin.
Emilie setzte sich.
„Zunächst,“ begann Leopold – „habe ich dir mitzuteilen, dass sich mein Umsatz in den letzten vier Wochen vervierfacht hat.“
„Ich bitt dich, Leopold,“ erwiderte Emilie, „mach mit mir keine Flausen. Ich kenne doch den Betrieb hier. Du schleuderst doch! Du verkaufst deine Waren unter Einkaufspreis.“
„Wem sagst du das?“ erwiderte Leopold.
„Du setzt zu.“
„Allerdings!“
„Jeder Kunde kostet dich Geld.“
„Gehörig!“
„Und wenn du am Quartalsersten den Lieferanten zahlen sollst, bist du pleite.“
„Erraten!“‘
„Und um mir das mitzuteilen, muss ich hierherkommen. Das konntest du mir gar nicht zu Haus erzählen. – Oder,“ fragte sie ängstlich – „was hast du vor? Willst du etwa fliehen oder gar“ – sie zitterte – „Leopold, das wäre geschmacklos!“ Sie stand auf und sah ihn ängstlich an.
„Was ist dir? Was meinst du?‘“ fragte er erstaunt.
„Du willst dich doch nicht etwa vor meinen Augen erschiessen?“
„Gott behüte! – womit soll ich mich denn erschiessen?“ – erwiderte er – „und warum? wo wir gerettet sind!“
„Leopold!“ rief Emilie entsetzt – „du hast deinen Verstand verloren.“
„Nicht, dass ich wüsste!“ erwiderte er. „Im Gegenteil, ich fühle mich ausserordentlich behaglich.“
„Wo – du doch – selbst – sagst, dass du – vor dem Konkurse