Villa im Tiergarten. Artur Hermann Landsberger
auch!“
„Wie auch? Wer denn noch?“
„Nun, Herr Töns,“ erwiderte sie und schlug die Augen nieder.
„Herr Töns!“ erwiderte Frau Inge und traute ihren Ohren nicht. „Und der ...“
Frida schüttelte den Kopf und sagte:
„Seit Frau Baronin hier sind, nicht mehr.“
„Gehen Sie jetzt,“ sagte Frau Inge, ließ noch einmal die vier Frauen an ihrem Auge vorüberziehen, lächelte, warf sich auf die Chaiselongue und dachte:
„Wie überall! — Immer dasselbe! Wenn man doch mal etwas Neues erlebte!“
Fünftes kapitel
Als Baronin Inge am Abend mit Fräulein Fleck und Burg das Programm des nächsten Tages besprach, zeigte es sich, wie täglich, daß sämtliche Herren sowohl mittags wie abends zu Hause speisen wollten.
„Mit der üblichen Einschränkung,“ erklärte Burg, „daß auch die Frau Baronin zu Hause speisen. Im übrigen habe ich der Frau Baronin für morgen zu überbringen: Eine Aufforderung Baron Etvilles zum Concours hippique, eine Einladung des Dr. Lenz in die Kammerspiele und diesen Strauß Orchideen von Herrn Graezer mit der Bitte, mit ihm morgen eine Autofahrt nach Potsdam zu unternehmen. Diesen Roman mit Widmung überreicht Herr Karl Theodor Timm mit der Bitte, das Buch in dem ‚Adelsblatt für Frauen‘ zu besprechen, und diesen Flieder brachte soeben Fräulein Häslein persönlich mit ein paar Worten der Entschuldigung für die am Vormittag verursachte Störung.
„Dies letzte hat Sinn und Stil,“ erwiderte Inge. „Alles andere langweilt mich. Die Einladungen lehne ich mit höflichem Dank und der üblichen Begründung ab, im Hause zu tun zu haben, das Buch nehme ich an und lasse danken, dem Häslein werde ich persönlich ein paar Zeilen schreiben.“
Nach Erledigung der häuslichen Dinge entfernte sich Fräulein Fleck, während Burg auf Wunsch Inges im Zimmer blieb.
„Ich habe Ihnen unrecht getan, Burg,“ sagte sie, „und möchte mich hiermit bei Ihnen entschuldigen.“
„Nicht, daß ich wüßte,“ erwiderte Burg. „Und wäre es der Fall, so hätten Frau Baronin auch nicht nötig, mich um Entschuldigung zu bitten.“
„Ich bin anderer Ansicht. — Jedenfalls ist es dann damit erledigt.“
An der Tür sagte Burg:
„Verzeihen, Frau Baronin, ich bin sonst nicht neugierig. Aber in bezug auf die Frau Baronin möchte ich doch wissen — zumal, wenn es mit mir in Beziehung steht.“
„Wenn Sie es verlangen. — Sie haben ein Recht darauf.“ Und da er nicht widersprach, so fuhr sie fort:
„Ich hatte Sie in einem falschen Verdacht.“
„Meine Zeugnisse — meine früheren Stellungen sprechen dafür, daß ...“
„Nicht in der Richtung. Ich glaubte, daß Sie und Frida ...“
„Nicht möglich!“ — Ausdruck des Gesichtes und Stimme zeugten von höchster Entrüstung. „Ich und Fri ...? — Frau Baronin!“ beteuerte er mit Pathos. „Von meinem einundzwanzigsten Jahre an, in dem ich persönlicher Diener des Barons Lauf wurde, bis heute — also in dreiundzwanzig Jahren! — habe ich mit keinem Domestiken beiderlei Geschlechts Umgang oder gar Verkehr gehabt. Ich kann mich rühmen, die Baro ...“
„Rühmen Sie sich nicht!“ fiel ihm Frau Inge ins Wort. „Wenn Sie schon Wert darauf legen, ein Gentleman zu sein, so seien Sie es ganz!“
„Wie konnten Frau Baronin mir nur den Geschmack zutrauen.“
„Frida ist hübsch, graziös, nicht dumm und würde in anderen Kleidern wie eine Dame aussehen.“
„Wie eine Dame,“ wiederholte Burg. „Liegt darin nicht schon ihre Verurteilung?“
„Und wenn ich sagte, Sie sehen aus wie ein Kavalier?“
„Dann würden Frau Baronin damit zeigen, daß Sie sich nicht die Mühe gegeben haben, mich zu studieren.“
„Mir ist der Gedanke bis heute nicht gekommen. Und Sie glauben, es wäre lohnend?“
„Ich wäre glücklich, wenn Frau Baronin es täten. Sie wären die erste Frau, die ich erst darum bitten muß.“
„Und wenn ich bestätigt fände, was Sie behaupten?“
„Dann würde die Frau Baronin mich mit anderen Augen ansehen.“
„Gefällt Ihnen meine Art nicht?“
„Sie ist tadellos.“
„Nun also.“
„Zu tadellos.“
„Kehre ich die Herrin heraus? — Ich glaube doch, daß ich jedem von Ihnen genau so persönlich begegne wie den jungen Herren.“
„Das ist es ja! daß Frau Baronin auf meine Individualität keine Rücksicht nehmen. Die jungen Herren? — nun ja! — Sie unterscheiden sich nur in der Form, in der sie das Geld ihrer Väter auf die Straße werfen — oder, wie im Falle des Herrn Töns, festhalten.“
„Diese Kritik kommt Ihnen nicht zu!“
„Verzeihung, Frau Baronin! Ich wollte damit nur zum Ausdruck bringen, daß ich doch wohl etwas differenzierter bin.“
„Sie halten sich demnach für einen interessanten Fall?“
„Mir würde es vollkommen genügen, von der Frau Baronin dafür gehalten zu werden.“
Frau Inge stand auf und sagte schneidend:
„Falls Sie Wert darauf legen, in diesem Hause zu bleiben, so richten Sie Ihr Interesse künftighin auf andere Dinge! Ich hoffe, es genügt, daß ich es einmal sage! Ein zweites Mal würde die Antwort anders lauten.“
Burg verzog keine Miene, verbeugte sich und ging.
„Die Menschen sind hier genau so blöd wie überall,“ dachte Frau Inge. Dieser „gehobene“ Diener ist schon ganz unmöglich. Früher fand man wenigstens unter dem Personal den Einen oder Andern, der ursprünglich war! Aber heute! Und indem sie den Flieder aus der Vase nahm und damit in ihr Zimmer ging, dachte sie: Den besten Eindruck macht auf mich noch dies Häslein. — Und sie beschloß, sich mit dieser Frau, die ihre Schönheit so schlicht und taktvoll trug, näher zu beschäftigen. —
Währenddessen saßen rauchend um den großen runden Tisch, den ein Diener eben abdeckte, die Herren des Hauses. Burg hatte soeben sachlicher als sonst den Bescheid gebracht, daß die Baronin sowohl die Einladung zu den Kammerspielen, wie zum Concours und zu der Autofahrt ablehne. Da er noch völlig unter dem Eindruck der ihm angetanen Schmach stand, so fehlte ihm die Stimmung, den Herren durch Beiwerk, das er erdichtete, den bitteren Trank zu versüßen. Bis heute hatte er das weniger aus Mitleid als im Gefühl des Triumphes getan. Denn in jedem Korb, den die Baronin den Herren des Hauses durch ihn überreichen ließ, hatte er eine persönliche Gunsterweisung erblickt. Heute war es ein freudloser Auftrag, den er überbrachte, und zum ersten Male fühlte er sich ihnen gegenüber nicht mehr als Gegner, sondern als Mitleidender und vertiefte durch seine gedrückte Stimmung den Eindruck einer Niederlage, den er bisher durch ein paar Worte wie: „Die Baronin hofft bestimmt ein andermal“ oder „Niemand bedauert mehr als die Baronin“ abgeschwächt hatte.
Und so wirkte denn, was sich ein paar Wochen allabendlich wiederholte, ohne nachhaltig zu verstimmen, heute wie eine Katastrophe. Eine Zeitlang sprach niemand ein Wort. Schließlich rief Etville, ohne aus dem Sportblatt, das er längst ausgelesen hatte, aufzusehen:
„Schampus!“
und die anderen, die darin eine Erlösung sahen, atmeten auf.
Töns, der weniger mit Gefühl arbeitete, brachte als Ergebnis seiner Verstandesarbeit nach einer Weile hervor:
„Das