Villa im Tiergarten. Artur Hermann Landsberger

Villa im Tiergarten - Artur Hermann Landsberger


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ist mir klar!“

      „Mir auch!“

      „Red’ doch nich! Warum, glaubt ihr denn, setzt sich die Baronin nicht in eure Autos, was doch, bei Gott, bequemer für sie wäre? Weil ihr mit eure Weibers rumkutschiert und zuviel Betrieb macht.“

      „Glaubst du?“ fragte Rolf.

      „Selbstredend! Eine Dame, die sich zweimal mit euch zeigt, ist kompromittiert.“

      „Erlaub’ mal!“ widersprachen wir, obschon uns eine Spur Wahrheit in Töns’ Worten zu liegen schien.

      „Ihr müßt wissen, worauf es ankommt! An euch allen haftet eben Kokottengeruch, und der stößt die Baronin ab.“

      „Ich bitt’ dich,“ widersprach Rolf, „wir alle verkehren doch in den ersten Familien.“

      „Das sagst du!“ erwiderte Töns.

      „Oder ist es etwa nicht die große Gesellschaft?“ — Und er nannte die Namen bekannter Fürstlichkeiten, hoher Diplomaten, milliardenreicher Industrieller, deren Namen in Berlin so bekannt waren wie in Wien und Budapest.

      „Aha!“ sagte Töns. „Wenn du große Gesellschaft sagst, hast du recht. Aber was ist das heute? Nenne mir eine Frau, die gut aussieht und sich gut anzieht, die ihren Mann nicht betrügt — meist mit Wissen des Mannes,“ — und er nannte die Trägerinnen klangvollster Namen und deren Verehrer.

      „Demnach wäre ja Häslein die einzige anständige Frau,“ sagte Rolf.

      „Wenn du’s so nimmst, schon,“ erwiderte Töns, „aber du darfst nicht vergessen, sie hat keine Familie. — Und dann, was heißt Anstand? Anstand in der heutigen Gesellschaft heißt: Geld haben und sich gut anziehen. Wenn dann noch ein bekannter Name hinzukommt, kann eine Frau soviel Liebhaber haben wie sie will.“

      „Und ein junges Mädchen?“ fragte ich.

      „Auch! — Aber dann muß sie schon einen sehr guten Namen und sehr viel Geld haben.“

      „Leider hat er recht,“ bestätigte Etville, verbesserte sich aber schnell und sagte: „Das heißt, eigentlich ist es ganz amüsant so!“

      „Da triffst du den Nagel auf den Kopf!“ erwiderte Töns. „Darauf kommt heute alles an, daß es amüsant ist! Die Welt will sich amüsieren. Alles andre ist Nebensache!“

      „Darum ist es auf den Gesellschaften in den guten Familien auch so langweilig,“ sagte Etville.

      „Aha!“ rief Rolf. „Da hast du’s! Weil dir die Kokottenatmosphäre fehlt. Und deshalb passen wir auch alle nicht mehr zur Ehe. Ein Mädchen aus so einer guten alten Familie liegt uns nicht, und eine Frau aus der großen Gesellschaft zu heiraten, damit sie nachher ein Andrer hat — dazu fehlt, wenigstens mir, die Größe — das heißt, sofern es sich um meine eigne Frau handelt.“

      „So kleinlich darf man nicht sein,“ widersprach Töns. „Ich würde zum Beispiel der Baronin ohne weiteres die Konzession einräumen.“

      „Womit du bei ihr von vornherein ausgespielt hättest,“ erwiderte ich.

      „Vielleicht! — Aber wenn ich imstande bin, ihr die Macht zu geben.“

      „Oder ich den Ruhm,“ ergänzte Timm.

      „Auch dann nicht!“ erwiderte ich, und die Andern stimmten bei.

      „Ich gebe zu,“ sagte Töns, „sie ist eine Ausnahme! Und ihr großer Reiz liegt darin, daß sie aus großer Familie stammt, reich, schön und elegant ist und dabei doch jene Atmosphäre ausströmt, ohne die für uns die schönste Frau reizlos bleibt.“

      „Du vergißt die Hauptsache,“ erwiderte ich. „Frauen, wie du sie schilderst, gibt es — nun, sagen wir mal, ein, zwei Dutzend. Aber sie haben das eine Gemeinsame: daß sie erreichbar sind. Was die Baronin besonders reizvoll macht, ist das bei allem Mondänen Unerreichbare. Und dieses Unerreichbare wieder reizt dadurch, daß es nicht etwa die Folge von Prüderie ist! Keine Spur von Heiligenschein! Im Gegenteil! Die Sinnlichkeit springt ihr nur so aus den Augen. Aber die Kunst, wie sie sich beherrscht und in der Gewalt hat, wirkt aufreizend — wenigstens auf mich!“

      „Auf mich auch!“ stimmte Rolf bei, und die Andern gaben durch Nicken der Köpfe zu erkennen, daß sie der gleichen Meinung waren.

      „Darum“, fuhr ich fort, „halte ich es auch für falsch, was Töns will, nämlich die Atmosphäre hier sozusagen zu entsinnlichen. Im Gegenteil, wir müssen alles tun, um ihre krampfhaft zurückgehaltene Leidenschaft anzufachen. Wem sie dann in die Arme fällt, ist vielleicht mehr Zufall oder Gelegenheit als Liebe. Darauf aber müssen wir es ankommen lassen.“

      Burg, der aus einer Art Zugehörigkeitsgefühl noch immer im Zimmer stand, ohne daß wir, vom Sekt angeregt, es merkten, sah wieder Möglichkeiten. Auch die Anderen fanden in Peters Worten Wahrheit.

      „Aber wie stellen wir das an?“ fragte Rolf.

      „Indem wir unser Leben, wenn möglich, noch mehr als bisher auf Sinnlichkeit stellen. Damit, daß wir seit ihrem Hiersein wie die Konfirmanden mit gefalteten Händen bei Tische sitzen, sie anhimmeln, uns um zehn Uhr mit Handkuß von ihr verabschieden und uns jungfräulich in unsere Betten legen, schaffen wir hier eine Kirchhofsatmosphäre, die selbst die erotisch veranlagteste Frau abregen muß. Wir müssen wieder leben wie früher. Unsere Freundinnen müssen soviel wie möglich bei uns sein! Aber wir dürfen sie nicht berühren! Sie müssen mit heißen, unerfüllten Wünschen von uns gehen — kurzum, wir müssen eine von Sinnlichkeit angefüllte Atmosphäre schaffen, damit sie in dem Kampf, den sie mit sich selbst führt, unterliegt.“

      Allen leuchtete das ein, nur der vorsichtige Töns sagte:

      „Wobei uns passieren kann, daß ein Außenseiter den Vogel abschießt.“

      „Daß wir nicht die Einzigen sind,“ erwiderte ich, „die sie begehren, ist sicher. Aber wir sind die Nächsten und wären Trottel, wenn wir uns die Beute abjagen ließen.“

      „Jedenfalls bin ich dafür, daß wenigstens immer einer von uns zu Haus bleibt,“ meinte Etville.

      Jetzt erst meldete sich Burg, der bis dahin, ohne sich zu rühren, an der Wand gestanden hatte, und sagte:

      „Es dürfte vielleicht genügen, wenn ich ...“

      „Was wollen denn Sie?“ rief ich. „Was geht denn Sie das an?“

      Und Burg zog sich gewandt heraus und sagte:

      „Ich könnte im gegebenen Fall, wenn ich merke, daß die Anwesenheit eines der Herren geboten ist, im Klub oder bei Pelzer oder Palais — je nach der Zeit — anrufen und bitten, daß einer der Herren sich herbemüht.“

      „Was geht das Sie an?“ rief Rolf. „Was wir hier besprochen haben, war natürlich Scherz! — Sektlaune — weiter nichts!“

      Burg verbeugte sich und sagte:

      „In vino veritas.“

      „Wo haben Sie Ihre Bildung her?“ fragte Timm.

      „Kinderstube,“ erwiderte Burg.

      „Was war Ihr Vater?“

      „Mir unbekannt. Meine Erinnerung reicht nur bis zu meinem neunten Lebensjahr zurück, als ich Page im Hotel Stephanie in Baden-Baden war. Von da nahm mich ein Jahr später der Fürst Danski mit auf seine Güter in die Krim. — Dies ist das erste Haus ohne Geschichte, in dem ich einen Posten bekleide.“

      „Wir machen Geschichte,“ erwiderte ich.

      Burg verbeugte sich und ging. Als er draußen war, sagte Etville und leerte sein Glas:

      „Wenn ich euch richtig verstanden habe, so fangen wir nach vierzehntägiger Pause unser altes Leben heute wieder an.“ — Alle stimmten zu, und Etville fuhr fort: „Mit der Maßgabe, daß immer einer von uns zu Haus bleibt. Ich erbiete mich freiwillig, dies Amt zu übernehmen und zwar


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