Villa im Tiergarten. Artur Hermann Landsberger

Villa im Tiergarten - Artur Hermann Landsberger


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nicht gerade freundlich. —

      Nachts klopfte es an meine Tür.

      „Peter!“ rief laut eine Stimme, die ich trotz Veronals sofort als die Etvilles erkannte. Das war nichts Ungewohntes, da neben meinem Bett ein schwerer Biedermeierschrank mit — Whisky, Gins und Rebinowka stand.

      „Zum Teufel!“ rief ich und stellte fest, daß es ein Viertel vor vier war.

      „Mach auf!“ polterte Etville, und ich erwiderte:

      „Nach ein Uhr wird keinerlei Schnaps verabfolgt.“

      „Hier ist was los! So komm schon!“ brüllte Etville ganz gegen seine Gewohnheit, so daß ich erschrak, aufsprang und zur Tür eilte.

      „Was ist los?“ fragte ich. „Laß mich schlafen.“

      „Die Wohnung sieht so sonderbar aus,“ erwiderte er.

      „Kein Wunder!“ sagte ich. „Wie du sie siehst — in deiner Verfassung.“

      Aber er blieb dabei:

      „Die Flurtür draußen stand sperrangelweit offen.“

      Ich ging im Nachtanzug, ohne Schuhe an den Füßen, ins Nebenzimmer, knipste das Licht an und sah zu meinem Entsetzen, daß sämtliche Schübe des großen Büfetts aufgezogen und — wie ich bei näherem Zusehen wahrnahm — leer waren.

      „Teufel ja!“ rief ich. „Das ist ja lieblich!“ und sah im selben Augenblick, daß im Eßsaal zwei Perserteppiche und eine kostbare Tischdecke fehlten.

      Etville, den eine böse Ahnung in sein Zimmer geführt hatte, kam in ziemlich ernüchtertem Zustand zurück und meldete:

      „Bei mir fehlen drei Teppiche — außerdem ist mein großer Kleiderschrank vollkommen ausgeräumt.“

      „Schlagen wir Lärm!“ rief ich, aber Etville sagte:

      „Nein! die Diebe sind noch im Hause!“

      Mit Revolvern in der Hand suchten wir vorsichtig die vorderen Zimmer ab. Ueberall herrschte Unordnung, waren die Schränke erbrochen, fehlten Wertsachen und Teppiche — aber niemand trat uns entgegen und in keiner Ecke und hinter keinem Schrank war jemand verborgen.

      Wir stürzten die Treppe hinunter zur Haustür. Sie stand angelehnt.

      „Hattest du hinter dir zugeschlossen?“

      Etville bejahte mit aller Bestimmtheit.

      „Dann muß in diesem Augenblick, während wir suchten, jemand hinausgegangen sein, der die Schlüssel hatte.“

      Etville machte mich auf ein paar Perserbrücken aufmerksam, die im Vorraum lagen und halb zusammengerollt wie eine von Künstlerhand arrangierte Auslage in einem Schaufenster wirkten.

      „Das ist gestellt!“ sagte ich, und Etville erklärte:

      „Das ist eine interne Angelegenheit! Auf keinen Fall ein Einbruch von außen.“

      „Laien haben das gemacht!“

      „Idioten!“

      „Ich habe nie etwas Dümmeres gesehen!“

      „Den besten Teppich, der noch dazu so bequem lag, haben sie liegen lassen!“

      „Wahrhaftig! Da liegen meine Perlen unberührt!“

      „Statt dessen schleppen sie sich mit alten Anzügen und Ueberziehern.“

      „Wie ich so einen Dilettantismus hasse!“

      „Da!“ rief ich. „Nicht einmal das Sicherheitsschloß haben sie gesprengt.“

      „Woran siehst du das?“

      „Daß es keine Spuren aufweist.“

      „Und das Druckschloß mit einem Dieterich zu öffnen, ist ein Kinderspiel.“

      „Eine Haarnadel genügt,“ erwiderte ich.

      „Du meinst, eine Frau hat ihre Hand im Spiel?“

      „Möglich! — Aber woraus schließt du das?“

      Etville erkannte seinen Irrtum und sagte:

      „Laß nur! Ich bin etwas vertattert. — Halt!“ rief er plötzlich und hob den Revolver in der Richtung des Küchenflurs.

      „Hände hoch!“ rief ich und setzte ebenfalls an. Irgendeine weiße Gestalt schlürfte den Korridor entlang, hob auf meinen Anruf hin die Arme und rief laut:

      „Hilfe! — Mörder!“ dann schlug sie, wohl aus Furcht, wir würden schießen, lang zu Boden.

      Eine Tür wurde aufgerissen, etwas huschte über den Flur —

      „Hände hoch!“

      riefen wir abermals und liefen in derselben Richtung. Etville stolperte über die Person, die am Boden lag und rang mit ihr auf Leben und Tod. Sein Revolver war beim Sturz mit lautem Krach zur Erde gefallen. Ich war dem huschenden Schatten jetzt so nahe, daß ich danach greifen konnte, da streckte der den Arm aus — ich sah den hellschimmernden Smaragd — und knipste das Licht an.

      Es war die Baronin, in tiefstem Negligé, die in aller Ruhe sagte:

      „Was machen Sie denn für’n Lärm? — Mitten in der Nacht!“

      „Einbrecher!“ erwiderte ich und wies auf den Boden, auf dem etwa sechs Meter von uns entfernt ein Mann mit weißseidenem, blutbeflecktem Pyjama lag, den Etville unbarmherzig mit beiden Fäusten bearbeitete.

      „Aber Baron!“ rief Frau Inge. „Was hat Ihnen denn der arme Töns getan?“

      Etville ließ von seinem Opfer ab, und der mit Beulen bedeckte, stark blutende Töns richtete sich auf und stammelte:

      „Ueberfall!“

      „Da! schon wieder!“ rief ich und wies zur Diele, wo eben in unmittelbarer Nähe Etvilles eine Gestalt vorüberhuschte und durch die noch immer offene Flurtür verschwand.

      „Weg den Revolver!“ befahl Frau Inge. „Sie treffen ja doch den Falschen!“

      Sie entriß mir die Waffe und stürzte in das nächste Zimmer, das rechts vom Flur lag. Unmittelbar an der Tür stand, reichlich blaß, aber korrekt und vorschriftsmäßig für die Nacht gekleidet, in langem Rock von schwerer blauer Seide Rolf und sagte mit belegter Stimme:

      „Was gibt’s denn da?“

      „Mord und Totschlag!“ erwiderte Frau Inge und stürmte an ihm vorbei ans Fenster, riß es auf, beugte sich hinaus und schoß mehrmals hintereinander auf die Straße. Nach dem dritten Schuß stieß jemand einen Schrei aus, und ein Auto raste durch die dunkle Straße.

      Aus der oberen Wohnung kam unter Führung von Burg, verschlafen und verängstigt, die Dienerschaft, von unten kroch der Portier mit seiner Frau herauf — und fünf Minuten später ward der ausgeraubte Eßsaal zum Tribunal. Nur die Angeklagten fehlten.

      Den Vorsitz führte, was jeder selbstverständlich fand, Frau Inge, die im Nu das Haar aufgesteckt hatte und in eine schwarzseidene Matinee geschlüpft war. Neben ihr saß der verbeulte Töns, der mit kaltem Wasser aus einer Meißner Schale seine Wunden kühlte. Etville hatte „zur Beruhigung der Gemüter“ ein paar Flaschen Deutz & Geldermann öffnen und von Burg herunter jedem Hausbewohner ein Glas reichen lassen. Er kämpfte mit dem Tischtelephon, um eine Verbindung mit dem Polizeipräsidium zu erhalten: Der Kampf war kurz: Man wies ihn von einer Instanz zur anderen, um ihm schließlich zu bedeuten, daß ein Einbruch, selbst in diesem Ausmaße, kein Grund wäre, um mitten in der Nacht einen Beamten in Bewegung zu setzen. Dazu müsse als das Mindeste Mord vorliegen. Etville entschuldigte sich, damit nicht dienen zu können und sagte:

      „Vielleicht das nächste Mal,“

      worauf der Beamte mit dem freundlichen Hinweis, daß am nächsten Morgen die Nacht vorbei sei, den Hörer anhing.

      Frau Inge hatte als


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