Ehrenmord - Schweden-Krimi. Björn Hellberg

Ehrenmord - Schweden-Krimi - Björn Hellberg


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natürlich die Glaubwürdigkeit des Zeugen in Frage stellen, aber selbst wenn ihr das gelingen sollte, war er von einer harten Bestrafung fest überzeugt.

      Er fühlte sich leicht euphorisch bei dem Gedanken an den bevorstehenden Sieg. Diesen Fall konnte er einfach nicht verlieren!

      Als seine geerbte Mora-Uhr Mitternacht zeigte, war er hellwach. Und dabei brauchte er doch seinen Schlaf. Er schloss die Akten in seinem Safe ein und schluckte eine Schlaftablette, die er mit einem Glas Milch hinunterspülte. Während er darauf wartete, dass die Tablette ihre Wirkung zeigte, machte er eine Inspektionsrunde durch die Villa. Das gehörte zu seinen Routinen, vor allem, weil er dabei seinem Chrysler einen Gutenachtklaps geben wollte. Ab und zu erlaubte er es sich, bei all dem Ernst etwas kindisch zu sein.

      Das Auto stand protzend in seinem Carport. Das rote Alarmsignal leuchtete natürlich, denn obwohl es hier ein ruhiges, friedliches Viertel war, musste man mit Einbrüchen rechnen. Der Chrysler war nicht so sicher wie der Oldtimer in seiner Garage in Sollentuna, und Elfvegren fühlte sich besser, nachdem er festgestellt hatte, dass alles so war, wie es sein sollte.

      Elfvegren war sich darüber klar, dass er ziemlich abseits wohnte, aber er hatte diese Wohnform freiwillig gewählt, war es leid gewesen, sich in übervölkerten Gegenden in Mietshäuser zu zwängen.

      »Gute Nacht, Kumpel«, flüsterte er und strich dem Chrysler über die Motorhaube.

      Der Gerechtigkeit halber wiederholte er die Prozedur auf dem Kofferraumdeckel.

      Dann verließ er den Carport.

      Die Nacht war kohlrabenschwarz; es gab keine Straßenbeleuchtung – die Gemeinde konnte es sich nicht leisten, die Wegstrecke zu beleuchten, die das Villenviertel mit seinem einsamen Anwesen verband.

      Manchmal fürchtete er diese Dunkelheit, aber das war meistens zu anderen Jahreszeiten der Fall, beispielsweise im Herbst, wenn es im Schornstein heulte und Berge toten Laubs raschelten.

      Aber jetzt war es warm und schön und in keiner Weise bedrohlich.

      Es würde ein wunderschöner Sommer werden. Das hatte er im Gefühl.

      Er ging ins Haus, schloss hinter sich ab und machte sich bettfertig. Wie immer schlief er mit offenem Schlafzimmerfenster. Mit halb geschlossenen Augen sah er, wie die helle Gardine sich im Luftzug bewegte.

      Da er so selten ein Schlafmittel nahm, schlug es gut an. Zufrieden spürte er, wie der Dämmerzustand angeschlichen kam, und es dauerte nicht lange, bis er in tiefen Träumen versank.

      Er schnarchte laut, als sich im Morgengrauen ein Schatten an der Häuserwand abzeichnete. Jemand ging an der Villa vorbei, mit leichten, zielsicheren Schritten.

      *

      Bill Elfvegren erwachte munter und in strahlender Laune. Genauso, wie es sein sollte, wenn es galt, neuen, spannenden Arbeitsaufgaben und hoffentlich auch der einen oder anderen backfrischen Eroberung entgegenzutreten.

      Er zog sich seinen Morgenmantel über, holte die Zeitungen herein und ging anschließend auf die Toilette für einen Moment der Besinnung.

      Beim Frühstück überlegte er, ob er Margita schon so früh am Morgen anrufen sollte, verschob das Gespräch dann aber lieber auf später. Er würde es in einer Pause während der Arbeitszeit erledigen. So unerhört wichtig war es bestimmt nicht. Ihr stand das Wasser ja nicht bis zum Hals. Sie sollte ihr Geld schon kriegen, und das erst recht, wenn sie es so arrangieren konnte, dass sie sich mal wieder trafen, hinter dem Rücken des ältlichen Ferienhausvermieters.

      Bill hatte ihn nur ein einziges Mal gesehen: einen fast kahlen, korpulenten armen Teufel mit rotadrigen Wangen.

      Mein Gott: Margita hatte wirklich nachgelassen. Aber der Kerl war ja vielleicht ganz lieb zu ihr und den Kindern. Reich war er jedenfalls nicht, zumindest sah es nicht so aus, wenn man sich ihre unverschämte endlose Bettelei vor Augen hielt. Aber vielleicht hatte er ja doch Geld und weigerte sich nur, ihr davon etwas abzugeben.

      Elfvegren vergaß seine Exehefrau und ihren bemoosten Liebhaber und ging ins Badezimmer, um zu duschen und sich zu rasieren.

      Eine halbe Stunde später trat er aus dem Haus und wandte sein Gesicht für einige Sekunden der Morgensonne zu. Er genoss es, wohl wissend, dass er ein eleganter und erfolgreicher Mann im besten Alter war, mit grau melierten Schläfen im sorgsam gekämmten braunen Haar, der Unmengen leuchtender Triumphe vorzuweisen hatte, sowohl während der Arbeitszeit als auch außerhalb. Wenn es nicht so unpassend gewesen wäre, hätte er der ganzen Welt entgegenschreien können, wie sehr er sich doch selbst gefiel.

      Er war bereit, allen Herausforderungen zu begegnen, beruflich wie auch privat, und er war sich sicher, dass er alle Prüfungen mit Glanz und Gloria bestehen würde.

      Es konnte wirklich nicht besser sein, als es ohnehin schon war.

      Lächelnd bog er um die Hausecke und ging zum Carport auf der Rückseite der Villa. Den hatte es noch nicht gegeben, als er das Haus kaufte, er war für viel Geld angebaut worden, nachdem die notwendigen Genehmigungen eingeholt worden waren. Sein Grundstück lag so abseits, dass er keine Schwierigkeiten mit klagenden Nachbarn zu fürchten hatte, und bei den Behörden hatte er sowieso keine Probleme gehabt, seine Pläne durchzusetzen.

      Er erstarrte, als er den Carport erreichte. Er sah sofort, dass das eine Vorderrad des Chryslers platt war. Merkwürdigerweise hatte er das bei seiner Inspektion am vergangenen Abend nicht bemerkt. Derartige Details entgingen ihm sonst nie. Nun ja, da war nicht viel zu machen. Er würde es am Abend reparieren. Er hatte keine Lust, schon am Morgen mit Wagenheber und Reserverad zu jonglieren, sondern beschloss, stattdessen den Vorortzug in die Stadt zu nehmen. Wenn er sich beeilte, würde er es ohne größere Schwierigkeiten noch rechtzeitig schaffen.

      Aber zunächst wollte er herausfinden, was eigentlich geschehen war. Er ging in die Hocke und sah sofort, was den Reifen platt gemacht hatte. Seine Gemütsstimmung veränderte sich drastisch. War er eben noch nur leicht irritiert, so wurde er jetzt geradezu wütend, fast rasend.

      Es sah so aus, als hätte jemand den Reifen absichtlich zerstochen, denn es waren an mehreren Stellen Schnitte zu sehen. Es konnte gar kein Zweifel herrschen: Hier handelte es sich um Sabotage.

      Wer besaß die Frechheit, wer wagte es, ihm so etwas anzutun? Wusste der Betreffende nicht, mit wem er es zu tun hatte? Bill Elfvegren war weiß Gott nicht so leicht einzuschüchtern.

      Er war aus härterem Stoff gemacht.

      Hinter seinem Rücken sagte jemand:

      »Kann ich helfen?«

      Bill Elfvegren zuckte zusammen. Er hatte niemanden kommen hören. Eher überrascht als erschrocken schaute er auf. Die Sonne stach ihm in die Augen und ließ die Konturen des Fremden verschwimmen. Elfvegren blinzelte, um erkennen zu können, wer da in der Öffnung des Carports stand.

      »Was hat das ...«

      »GutenTag, Nummer eins.«

      Er versuchte sich aus seiner hockenden Stellung zu erheben, konnte aber den Rücken nicht mehr strecken.

      Die Beine sackten unter ihm zusammen, und sein Gehirn war bereits verspritzt, bevor er zu Boden stürzte.

      Sten Wall

      Charles Trenets »La mer« summend, steuerte Sten Wall seinen fast neuen Volvo V 40 durch Österlens sanft modellierte Landschaft. Sein alter, treuer Weggefährte – ein Opel Ascona – war im letzten Jahr nach langen, treuen Diensten dahingeschieden. Laut Carl-Henrik Dalman hatte das Auto während seiner letzten Jahre an Senilität gelitten, ein Kommentar, der Wall nicht sonderlich gefiel.

      Jetzt brannte die Sonne vom Himmel, und der Kommissar war blendender Laune. Er fühlte sich ausgeschlafen, frisch wie eine Lerche und erwartungsvoll wie ein jugendlicher Liebhaber.

      Er hatte sich wirklich nach diesem Urlaub gesehnt, brauchte ihn mehr als in den Jahren zuvor.

      Zwei ungestörte Wochen lang wollte er so richtig ausspannen. Er hatte vor, auf alle Verpflichtungen zu pfeifen und um jede Tageszeitung


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