Gesetz des Menschlichen. Jakob Vedelsby

Gesetz des Menschlichen - Jakob Vedelsby


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zurück bis Christi Geburt. Hättest du vielleicht einen Wildfremden, der behauptet, er wäre Jesus, eingeladen, bei dir zuhause zu wohnen? Nein, wohl kaum! Aber es ist wichtig, dass du verstehst, dass du nichts verändern kannst, wenn du dir Sorgen machst. Die Erklärung ist einfach und sie kam mir unterwegs: Die Seele ist die Batterie des Menschen und eine ewige Kraft. Um den Menschen herum liegt die Aura, sie ist ein elektromagnetisches Feld. Du weißt, Elektromagnetismus ist die unsichtbare Kraft zwischen einem Magneten und einem Stück Eisen. Jeder Mensch ist von einem Magnetfeld umgeben. Sorgt sich der Mensch um Geld, um die Vergangenheit, die Zukunft, um Krankheit oder anderes, dann wird das Magnetfeld schwächer als es sonst sein würde. Gleichzeitig kann ein besorgter Mensch kein Licht von anderen Menschen empfangen, weil er damit beschäftigt ist, sich Sorgen zu machen. Ich sage es noch einmal: Wenn du anderen hilfst und nichts dafür erwartest, senden sie dir Liebe und Licht, die dein Magnetfeld wachsen, stärker werden und schneller schwingen lassen. Hilfst du einem kranken Mann, hilfst du auch seiner Frau und seinen Kindern, und dann werden der Mann, die Frau und die Kinder dir Licht senden, und dann wächst dein Magnetfeld. Und wenn dein Magnetfeld sich erweitert und schneller schwingt, hat dies den Effekt, dass das gesamte uns umgebende Universum größer wird, und dass Gott größer wird. Wenn du dir vorstellst, dass du dich immer mehr erweiterst und zuletzt eine göttliche Ebene erreichst, dann wird Gott zu diesem Zeitpunkt eine noch höhere Stufe erreicht haben. Aber dann bist du selbst vielleicht so stark und kraftvoll geworden, dass du dir dein eigenes Universum mit Galaxien, Sternen, Planeten und Milliarden von Bewohnern gebildet hast.“

      „Wie weiß ich, dass mein Magnetfeld wächst?“ frage ich, ohne zu versuchen, meine Zweifel zu verbergen.

      „Du spürst die Wärme im Herzen und in den Händen, und du fühlst dich kraftvoll. Schau mich an, ich brauche nicht zu schlafen. Ich habe vollständige Selbstkontrolle, weil ich weiß, dass ich mich auf dem richtigen Weg befinde. Jeden Tag gehe ich durch Kopenhagen und denke an Gott und an die Zusammenhänge, von denen ich dir erzählt habe, und ich kann keinen einzigen Fehler entdecken. Die Dinge müssen so zusammenhängen. Ich weiß auch bereits, was mit uns oben in Ashtars Raumschiff geschehen wird. Wir werden lernen, die Kapazität unseres Gehirns besser zu nutzen. Wir nutzen nur zehn Prozent, aber wir werden auf hundert kommen, bevor wir zurückkehren und die Erde wieder aufbauen.“ Er schweigt eine Zeit lang. „In der Zukunft wird auf der Erde nur Platz für diejenigen sein, die begreifen, dass das Leben Geben bedeutet, denn dies ist es, was Entwicklung und Wachstum schafft. Alle anderen gehen in den Reinigungsprozess ein, in dem alles Lebende und vom Menschen Geschaffene in den allumfassenden Zerstörungen verschwindet. Sie werden kurzzeitig Schmerz empfinden, und sie werden verstehen, dass es Konsequenzen hatte, ihren freien Willen dazu zu gebrauchen, Kriege zu führen, zu töten, zu zerstören, zu unterdrücken, zu hassen, zu erniedrigen. Später aber werden sie auf anderen Planeten wiedergeboren, denn die Seele ist ewig. Ich weiß auch, dass das Körperbewusstsein oben in den Raumschiffen verschwindet, und dass die Gedanken vorbeigleiten wie Wolken am Himmel, bis auch sie irgendwann ganz verschwinden, und es sich anfühlt, als existiere man nicht mehr als Individuum mit einem Körper. Wie im Tod, wenn die Seele sich frei entfaltet. Ich weiß auch, wie das Universum zusammenhängt. Die Galaxis, in der wir uns befinden, hat eine konstante Geschwindigkeit von dreihunderttausend Kilometern in der Sekunde. Wenn der Entwicklungssprung, der uns bevorsteht, stattgefunden hat, werden sich alle Galaxien schneller bewegen als zuvor. Denn wenn mehr Kraft kommt, kommt auch mehr Licht, und dann nimmt die Geschwindigkeit zu. Sie wird in unserer Galaxis vielleicht dreihundertfünfzigtausend Kilometer in der Sekunde erreichen, und dann gleiten wir in eine andere Dimension, denn das Licht, das vorher existierte, gibt es in der neuen Lichtgeschwindigkeit nicht.“

      Auf Alexandros’ Gesicht breitet sich ein Lächeln aus.

      „Wenn das Feuer ausgegangen ist, wird die neue Erde tausende von Jahren verödet sein, bevor langsam wieder Leben entsteht. Es werden sich wieder Wolken, Regen und Schnee bilden. Die Wasserfälle werden erneut brausen, und es werden sich die ersten Zeichen von Tierleben zeigen. Aus den überlebenden Samen tief unter der meterdicken Ascheschicht werden im Laufe der Jahre Bäume, die weitere Samen abwerfen, und Wälder werden sich über die Erde verbreiten. Zu dieser Zeit werden wir zurückkehren und mit dem Wiederaufbau beginnen. Alles wird sehr schnell gehen, denn wir haben gelernt, die Materie mit Hilfe des Bewusstseins zu beherrschen. Allein durch die Kraft des Gedankens können wir dann Häuser bauen und uns in der neuen Welt bewegen, ja, überall im Universum. Es wird wunderbar sein. Du kannst Baumaterialien materialisieren und dich zu der Art und Weise hindenken, wie sie zusammengesetzt werden müssen. Das Ergebnis werden die schönsten Häuser sein, die du dir vorstellen kannst, ohne dass du einen Finger zu rühren brauchst.“

      Alexandros, von seinen eigenen Worten angefeuert, steht auf und geht im Zimmer auf und ab.

      „In der neuen Welt existiert die Zeit nicht, und damit nicht der Tod. Man kann seinen Körper wiedererschaffen oder einen neuen und anderen materialisieren, wenn man das lieber will. Wenn man hungrig ist, braucht man nur an das zu denken, worauf man Appetit hat, und schon steht es vor einem. In der neuen Welt ist Geld überflüssig, und es gibt keine Kriege, weil es für die Menschen keinen Grund gibt, sich zu streiten. Man kann seine Freunde überall im Universum besuchen, man kann mit den Frauen und Männern schlafen, denen man begegnet. Man ist ein freies Wesen. Das bedeutet aber nicht, dass der Sinn des Lebens verschwindet, denn es wird immer einen Teil ehrenvoller Arbeit zu tun geben. Es wird Planeten gebe, deren Bewohner Hilfe brauchen, so wie wir hier auf der Erde. Das ist das Leben, das dich und mich erwartet, und ich freue mich unsäglich darauf, es zu leben.“

      Die Kante des Balkons hat tiefe Abdrücke auf der Unterseite meiner Schenkel hinterlassen. Ich stelle mich hin, beuge mich vor und spüre kurzzeitig eine Brise um die Hausecke wehen. Im Laufe meiner ersten Woche in Athen habe ich lange Tage in der Botschaft verbracht, und das Personal hat mich mit den Aufgaben vertraut gemacht. Pierre Montgomery hat Bescheid bekommen, sich aufgrund der Personalaffäre fernzuhalten, und ich bin ihm erst am frühen Abend beim Abendessen in der Residenz anlässlich der Amtsübergabe begegnet. Außer dem Botschafter und mir selbst ist seine Frau Frida zugegen.

      Sie ist weit jünger als ihr korpulenter Mann, der sich seit damals, als er mein Vorgesetzter im Ministerium war, gar nicht verändert hat. Natürlich haben die Jahre an ihm ihre Spuren hinterlassen, das Gesicht ist teigiger, und die Augen haben an Lebenskraft eingebüßt und wirken verschwommen. Sie ist wohl um die dreißig, ein schmächtiges, schwebendes Wesen, und ihre Figur erinnert an die Kassandras. Fridas Haare sind pechschwarz, kurz geschnitten und schmiegen sich um das Gesicht. Sie trägt blauen Lidschatten, und an jedem Ohrläppchen hängt am Ende eines weißgoldenen Kettchens ein ansehnlicher Diamant. Ihre Hände zittern ganz leicht, während sie die mit Knoblauch und Tomaten gegrillten Garnelen verzehrt und dabei erzählt, dass sie dem Küchenpersonal bei der Zubereitung des Hauptgerichts geholfen hat: mit Rosmarin gewürzte Lammkoteletts, Salat mit rustikal zubereiteten Tomaten- und Gurkenscheiben und in Öl und Essig gewendetem Feta-Käse, verziert mit Kalamata Oliven, dazu Tzatziki, Brot und ein wenig Reis zur Dekoration. Sie versorgt mich mit einem eiskalten Retsina aus einer Metallkanne. Der Botschafter trinkt Rotwein.

      „Es schmeckt hervorragend“, sage ich zum wiederholten Mal, was Pierre Montgomery laut aufseufzen lässt. Er möchte lieber über das untaugliche Personal reden, mit dem er sich in der Botschaft herumplagen muss.

      „Du kannst sagen, was du willst, aber das Niveau ist längst nicht mehr das wie früher. Heute kann jeder, der sich während der Arbeitszeit wach hält, im Außenministerium Karriere machen. Es erfordert weder Muskelkraft noch Arbeitseinsatz, keine Fähigkeit, durch den Panzer der Leute hindurch bis in ihren Kern zu schauen und zu entscheiden, ob sie das haben, was erforderlich ist, oder nicht. Aber ich besitze diese Fähigkeit, Bernstein. Ich durchschaue jeden Blender im Bruchteil einer Sekunde, und dann stoße ich das Messer hinein und drehe es herum. Wenn die Leute den Schmerz nicht ertragen können, sind sie meiner klaren Überzeugung nach für die Arbeit an einer Botschaft im Dienste Dänemarks nicht geeignet.“ Er nickt auf seinem Weg durch das Zimmer vor sich selbst hin, er muss wohl zur Toilette oder hinaus in die Küche, um etwas Hochprozentigeres zu schlucken.

      „Mich hat in der letzten Woche eine halbseitige Parese erwischt“, murmelt Frida, als die Tür sich hinter dem Botschafter geschlossen hat. „Das ist eine partielle Lähmung, durch die


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