Gesetz des Menschlichen. Jakob Vedelsby
kommuniziere mit ihren Seelen. Es fing im Zug an. Meine Seele fragt ihre Seelen, ob sie mit auf die Reise gehen werden, wenn die Raumschiffe kommen. Ist die Antwort ‚Ja’, übertrage ich meinen energetischen Abdruck, er ist der Zugangscode zu Ashtars Flotte und damit zu der neuen Welt.“
„Ich gehe davon aus, dass wir auch eingeladen werden, an Bord zu kommen?“ sage ich und versuche, nicht allzu nachsichtig zu lächeln.
„Natürlich. Stell dich darauf ein, dass du und Kassandra zu den Führern in der neuen Welt gehören. Sonst wäre ich mit euch nicht in Kontakt. Später wirst du alles verstehen, mein Freund“, fügt er hinzu und tätschelt mir beruhigend den Arm. „Die Bewegung, von der ich ein Teil bin, vereint Tausende von Menschen in vielen Ländern, junge, alte, Handwerker, Ingenieure, Ärzte, Priester, Studenten, Hausfrauen. Sie alle haben ‚Stimmen des Himmels’ gelesen, sie sitzen vor den Computerbildschirmen bereit und warten auf Nachricht von mir. Ich mache die ersten entscheidenden Schritte, und sie folgen mir auf meinen Spuren, wenn die Zeit gekommen ist. Und das wird bald der Fall sein. Stunde um Stunde werde ich von mehr Kraft erfüllt. In den letzten Wochen ist meine Intuition in einem Maß geschärft worden, dass ich die Antworten auf jegliche Fragen schon wahrnehme, bevor sie in meinem Bewusstsein zu Ende formuliert sind.“
Alexandros wird in Alberts Zimmer untergebracht. Die Zwillinge begrüßen den Griechen kurz und gehen zu einigen Freunden. Momentan sehen wir sie nicht so häufig. Ich koche Tee für Alexandros, aber er vergisst, ihn zu trinken, weil er die ganze Zeit redet:
„Die Zerstörung beginnt in höchstens sechs Tagen“, sagt er. „Denn dann sind es vierzig Tage her, dass ich meine Reise begonnen habe. Ihr wisst ja noch, dass Jesus nach vierzig Tagen in der Wüste in den Himmel aufgefahren ist. Bevor er wegging, sagte er zu seinen Jüngern: ‚Ich werde euch nicht vaterlos zurücklassen; ich komme zu euch. Die Welt sieht mich nicht mehr, aber ihr seht mich, denn ich lebe, und auch ihr werdet leben’. Und dann ging er hinaus in die Wüste, um allein zu sein, zu Gott zu beten und darüber nachzudenken, wie er den Menschen helfen könnte, an Gott zu glauben.“
„Betrachtest du uns als deine Jünger?“ fragt Kassandra.
„Carl ist einer der Jünger. Du stehst mir noch näher. Mehr kann ich nicht sagen. Es ist zu früh. Sobald ich aus eigener Kraft fliegen kann, werde ich alles wissen, und dann werde ich alles erzählen. Ich warte auf ein Zeichen, aber es gibt schon viele andere Zeichen. Städte und Landgebiete werden aufgrund steigender Wasserstände überschwemmt werden. Mutter Erde wird uns etliche große Erdbeben, Vulkanausbrüche und Tsunamis bescheren. Waldbrände werden enorme Gebiete veröden lassen. Tausende von Menschen werden in Kriegen getötet werden; Millionen werden sterben, durch Hunger, verunreinigtes Trinkwasser und unheilbare Krankheiten, ausgelöst durch mutierte Bakterien, die in Labors für chemische Kriegsführung oder von der Natur selbst geschaffen wurden. Der Zerfallsprozess ist in vollem Gang und nimmt Tag für Tag an Intensität und Schnelligkeit zu.“
In dem Moment flimmert das Sonnenlicht durch die Fensterscheibe, und Alexandros deutet auf das sinnreiche System der Schatten, die sich über die Wand bewegen.
„Dieser überirdische Bescheid bekräftigt, dass alles so sein wird, wie ich sage. Meine Kraft wächst fortdauernd, und es dauert nur noch kurze Zeit, bis ich meine Arme ausbreiten und fliegen kann, wohin ich im Universum will. Freut euch, denn auch ihr werdet das können, wenn ich nach dem Aufenthalt im Raumschiff zurückkehre. Zu der Zeit dann wird das Magnetfeld der Erde schneller schwingen als jetzt, und wir werden uns in einer anderen Dimension befinden, wo alle Menschen in jeglicher Hinsicht frei sind. Das ist das Reich der Freiheit, das Gott denen versprochen hat, die ihn lieben.“
Alexandros verbringt die Tage damit, durch Kopenhagen zu streifen und seinen energetischen Abdruck zu verteilen. Er verbringt auch Stunden mit Meditation in der ‚Kirche Unserer Lieben Frau’. Und eines Abends erzählt er uns von den Vorgängen, die seiner Abreise nach Dänemark vorausgegangen waren.
„Vor drei Monaten fahre ich in einem nagelneuen Auto durch Athen. Aber nicht ich lenke den Wagen, ich kann nicht fahren. Ich bin krank, ich sterbe fast. Ich habe meine eigene Baufirma und schufte mich ab mit einer Prachtvilla am Meer in Lemos im Süden der Stadt. Sie ist aus Marmor und hat vier Garagen, die Einfahrt hat einen Belag aus Granitschotter, es gibt einen 25 Meter-Swimmingpool und einen Garten mit Wegen und Blumenbeeten, umgeben von Golfplatz-Rasen.
Alexandros macht einen tiefen Atemzug.
„Den ganzen Tag schon hat es mir vor Augen geflimmert, aber ich tue es als gewöhnliche Überanstrengung und Müdigkeit ab. Trotzdem rufe ich nach der Arbeit meine Cousine an, die in der Nähe wohnt und eine anerkannte Heilpraktikerin ist. Jetzt bin ich es, dem sie hilft. Sie sitzt hinter dem Steuer, als die Schmerzen mich wie ein Pistolenschuss in die Stirn treffen. In diesem Moment verwandelt sich die Welt draußen vor den Fenstern des Autos in einen vibrierenden Nebel, und Menschen, Gebäude und Fahrzeuge gleiten gallertartig durcheinander. Es tut weh, wenn ich Luft hole, und ich habe ein Gefühl, als könnte ich mich auf dem Sitz nicht rühren. Ich rufe meiner Cousine zu, sie solle sich beeilen, und ich habe Angst und fühle, dass ich sterben werde. Das werde ich auch. Das muss man, wenn das Gehirn von jemandem hundert Mal größer ist als der Schädel. Meine Schmerzen werden stärker und stärker, und im ganzen Körper breitet sich Panik aus, und ich beginne, am Sicherheitsgurt zu reißen und zu zerren. Ich schnappe nach Luft, ich bin dabei zu ersticken. Jetzt werde ich aus dem Auto gezogen, schon befinde ich mich in einem Aufzug und dann in einem Bett. Der Schweiß strömt mir am Körper herunter. Ich schlage den Kopf gegen das Kopfteil des Bettgestells, es bricht, und weiter in die Betonwand und ich falle auf dem Bett um. Im selben Moment verschwinden die Schmerzen.“
Alexandros wischt sich mit dem Handrücken Tränen von seiner Wange.
„Ich kann sehen, wie meine Cousine dasteht und mit der geballten Faust auf meine Brust hämmert und dabei ruft, ich solle atmen, aber dafür gibt es keinen Grund, denn ich schwebe durch den Raum und fühle mich dabei unglaublich gut. Ich kann wirklich fliegen, es ist wunderbar, Nirwana. Sie gibt mir künstliche Beatmung und drückt auf meine Brust, aber das wirkt nicht, denn ich soll nicht zurück zu den Schmerzen. Ich fliege unter der Zimmerdecke umher, tauche hinunter zum Fußboden, schwinge mich vor die Tür, wieder hinauf zur Decke und weiter die Wände entlang. Es fühlt sich ein wenig wie Schwimmen an, es geht nur schneller und macht viel, viel mehr Spaß. Ein paar Meter über dem Bett bleibe ich in der Luft hängen und schaue auf mein eigenes friedvolles Gesicht herab. Meine Cousine sitzt auf der Bettkante und schluchzt. Jetzt dreht sie sich um und legt die Handflächen auf mein Gesicht. Die Worte strömen nur so aus ihrem Mund und hüllen mich in Segnungen und Gebete. Es ist ihre Aufgabe, mich zum Leben zu erwecken, das muss und will sie, und das tut sie auch, denn kurz darauf bin ich zurück in meinem schmerzenden Körper im Bett.“
Alexandros massiert auf der Stirn einen Punkt über einem Auge, dann fährt er fort:
„Dann öffnet sich Gottes Auge vor mir, und als ich in dieses hinein fliege und weiter durch das Licht, beginne ich in rasender Fahrt Visionen zu haben, wie das Universum aufgebaut ist. Mein Gehirn ist brennendheiß, und meine Trommelfelle knistern wie eine überlastete Computer-Festplatte. Plötzlich fühle ich einen schneidenden Schmerz, der gleichzeitig in meinen Handflächen und meinen Füßen entsteht. Ich sehe, wie meine Cousine telefoniert, und bald schon liege ich im Krankenwagen auf dem Weg ins Krankenhaus. Das Morphium zeigt keine Wirkung, und die Schmerzen in Kopf, Händen und Füßen werden immer schlimmer. Drei Tage und Nächte lang wäscht sie mir die Stirn mit kalten Lappen und betet für mich. Drei Tage lang sehe ich die ganze Zeit alles auf einmal. Ich befinde mich auf der Grenze zwischen verschiedenen Dimensionen und lebe in diesen allen, ohne an einem der Orte vollständig zugegen zu sein. Allmählich aber beginnen die Schmerzen zurückzugehen, und ich falle in einen tiefen Schlaf.“
Alexandros leert seinen Teebecher.
„Als ich aufwache, sagt meine Cousine, dass ich Jesus bin, der auf die Erde zurückgekehrt ist. Zuerst werde ich wütend auf sie und schimpfe sie aus, aber dann erzählt sie, dass ich die ganze Zeit über in einer Sprache gesprochen habe, die an Aramäisch erinnert, die Muttersprache Jesu. Später überkommen mich Zweifel, und ich bitte sie, den Mund zu halten. So einer wie ich, der in einem kleinen Flecken im nördlichen Griechenland