Der neue Sonnenwinkel Box 11 – Familienroman. Michaela Dornberg
begreifen wird, was er an dir hat.«
Es waren schöne Komplimente, die er ihr gerade machte, doch freuen konnte sich Inge augenblicklich darüber nicht.
»Verabschieden, Berthold? Was meinst du damit? Du hast doch hier das Haus, in das du mit Angela einziehen wolltest und das ihr so liebevoll renoviert habt.«
Er nickte.
»Das Haus ist der eigentliche Grund. Ich habe es verkauft, es hat sich sofort ein Käufer gefunden, und ich war bei Heinz Rückert, der es beurkundet hat.«
Aus also der Traum für Berthold und Angela!
Inge war so enttäuscht, dass sie zunächst einmal nichts sagen konnte. Der Verkauf des Hauses hatte bereits einmal im Raum gestanden, doch dann hatte Berthold alles abgeblasen in der Hoffnung, doch noch mit Angela in die Villa einziehen zu können, die ein richtiges Juwel war. Es war kein Wunder, dass sie nicht lange auf dem Markt gewesen war wie beispielsweise die Villa von Rosmarie und Heinz, die sie angeboten hatten wie saures Bier und trotz erheblicher Preisabschläge zunächst nicht verkaufen konnten. Sie hatten sie mittlerweile längst verkauft, sogar zum ursprünglichen Preis, in Kürze würde das Internat eröffnet werden. Sie musste sich deswegen keine Gedanken machen, sondern erst einmal verdauen, was Berthold ihr da gerade verkündet hatte. Aber so war es, erfuhr man etwas, was einem nicht gefiel, dachte man prompt, um abzulenken, an etwas anderes.
Sie erkundigte sich nicht danach, wer die Villa gekauft hatte, was eigentlich naheliegend gewesen wäre. Sie war irritiert darüber, dass es geschehen war.
Inge wusste nicht, wie sie sich jetzt verhalten sollte und konnte nur hoffen, dass Berthold ihr ihre Enttäuschung nicht zu sehr ansah, weil es sie schließlich nichts anging, ob und was er mit seiner Immobilie machte. Und was zwischen ihm und Angela war, das durfte sie ebenfalls nicht interessieren. Doch wenn man so miteinander verbandelt war wie die Auerbachs, die von Roths und die Damen von Bergen, dann war das wie eine Familie, und was die betraf, ging einem alles nahe, so einfach war das.
Zum Glück bemerkte Berthold nicht ihre Zerrissenheit, er begann von sich aus über sich und Angela zu sprechen, über die Villa, die ihr Lebensmittelpunkt hatte werden sollen.
»Wie du weißt, Inge, hätte ich Angela die Villa gern geschenkt, weil sie es so sehr verdient hätte. Ohne sie hätte ich die letzte Zeit nicht überstanden.« Seine Stimme klang bewegt, und er hatte Tränen in den Augen, was Inge veranlasste, ebenfalls zu weinen, weil sie so gerührt war, als Berthold begann von Angela zu schwärmen, die ihm vorbehaltlos ihr Herz geschenkt hatte.
»Inge, ich liebe Angela, ich werde niemals aufhören, sie zu lieben, doch sie hat mehr verdient als das, was ich ihr geben kann. Ich kann nachvollziehen, warum sie die Reißleine gezogen hat. Eine Frau wie Angela hat ein ganzes Herz verdient, nicht ein Stückchen, weil das meiste bereits besetzt ist …, doch Inge, ich kann nicht gegen meine Gefühle an, und ich kann Angela auch nicht belügen, dazu ist sie ein zu wertvoller Mensch, sie hat einen Mann verdient, der ganz und vorbehaltlos für sie da ist, nicht so einen menschlichen Krüppel wie mich, der sich …«
Jetzt unterbrach Inge ihn.
»Berthold, bitte hör auf damit. Niemand kann über seinen Schatten springen, und ich glaube auch, niemand, der selbst nicht ein solches Schicksal hatte wie du, kann ermessen, wie es in dir aussieht.« Sie glaubte, Angela in Schutz nehmen zu müssen. »Ich bin überzeugt davon, dass Angela es sich nicht leicht gemacht hat. Und dass sie das Haus nicht möchte, kann ich verstehen. Wie hätte sie dort einziehen können, alles würde sie doch an dich erinnern und an das Leben, das ihr dort führen wolltet. Und das Haus anzunehmen, um es zu verkaufen, so etwas ist nicht Angelas Ding, sie ist keine Goldgräberin, die nur ihren Vorteil sieht.«
»Inge, das weiß ich doch, du glaubst überhaupt nicht, wie sehr ich es bedaure, dass sie sich von mir getrennt hat, doch, wie bereits gesagt, ich kann ihren Schritt nachvollziehen. An ihrer Stelle hätte ich auch nicht anders gehandelt.«
»Ich denke, Berthold, Angela musste auf deinen Weg kommen, und sei es nur, um dir dabei zu helfen, einen Weg zu finden, wieder am Leben teilnehmen zu können. Und das ist ihr gelungen.«
Er bestätigte es sofort, begann erneut von Angela zu schwärmen, und das zerriss Inge beinahe das Herz. Wieso war das Schicksal so grausam, zwei Menschen zusammenzuführen, die wie sonst nichts zueinanderpassten und um dann doch Barrieren aufzurichten, die nicht überwunden werden konnten.
»Und was willst du jetzt tun, Berthold?«, erkundigte sie sich leise, nachdem er eine kleine Pause gemacht hatte, um etwas von seinem Kaffee zu trinken, den er zuvor kaum angerührt hatte und der mittlerweile ziemlich kalt sein musste. Sie sprach ihn nicht darauf an, weil das jetzt so nebensächlich war.
Er stellte seine Tasse zurück, und Inge bemerkte, wie sehr seine Hand vor innerer Anspannung zitterte. Am liebsten wäre sie aufgesprungen, hätte ihn tröstend in die Arme genommen. Sie verkniff es sich, weil das etwas war, womit er allein fertig werden musste, wobei ihm niemand helfen konnte. Wenn er es wollte, konnte sie ihm eine helfende Hand reichen, mehr ging nicht, denn man konnte jemanden auch mit seinen Gefühlen, seinem Mitleid unangenehm bedrängen.
»Ich werde alles hinter mir lassen und nach Afrika gehen, dorthin, wo ich alles verloren habe. Ich war bereits mit Angela dort, mit ihr an meiner Seite konnte ich beginnen, alles, was geschehen war, ein wenig aufzuarbeiten. Ohne sie wird es ganz furchtbar werden, doch ich habe keine andere Wahl. Ich bin überzeugt davon, dass es niemals mehr eine andere Frau an meiner Seite geben wird. Ich weiß, dass ich an Angela denken werde, wenn der Schmerz mich zu zerreißen droht, und daraus werde ich Kraft schöpfen, werde ich versuchen, Kraft zu schöpfen«, korrigierte er sich sofort.
Er war blass, hatte einen zerquälten Gesichtsausdruck, Inge musste an sich halten, ihm jetzt zuzurufen, die Toten ruhen zu lassen, sich den Lebenden zuzuwenden. Warum quälte er sich so? Er hatte diesen Flugzeugabsturz nicht verursacht, wäre selbst Insasse gewesen, hätte man ihn nicht zurückgerufen wegen eines dringenden geschäftlichen Anrufs. Und er hatte den Flug verschieben wollen, doch damit waren seine Frau und seine Kinder nicht einverstanden gewesen. Sie hatten es so gewollt, das Schicksal hatte die Karten gemischt, ihn am Leben gelassen, seine Familie in den Tod geschickt. Auch wenn es kein Trost war, so hatten er, seine Frau und die Kinder lachend voneinander Abschied genommen.
Der Preis, den er jetzt zahlte, der war zu hoch!
»Berthold, was du tun willst, das ist keine Lösung, hast du …, hast du schon mal darüber nachgedacht, dir psychiatrische Hilfe zu holen?«
»Ja, doch das hat mir nichts gebracht. Mit mir ist nichts mehr los, selbst Angela mit all ihrer Geduld, ihrer Empathie, ihrem großen, warmen Herzen musste die Segel streichen, um von mir nicht erdrückt zu werden … Inge, lass es gut sein. Inge, ich wünsche Angela von ganzem Herzen, dass sie noch mal einen Mann kennenlernen wird ohne Altlasten … Inge, wenn es dir nichts ausmacht, dann möchte ich jetzt nicht mehr über Angela sprechen, es ist alles noch so frisch, und es tut verdammt weh. Bei dir möchte ich mich auch noch mal ganz besonders bedanken, dass du dich so sehr um mich gekümmert hast, als ich wirklich am Boden lag. Der Abschied von dir, deinen Lieben, fällt mir ganz besonders schwer.«
Sie war gerührt, sagte etwas, was sie eigentlich nicht hatte sagen wollen. Doch immerhin passte es.
»Berthold, es muss kein Abschied für immer sein.«
Er blickte sie ernst an.
»Nein, Inge, das muss es nicht. Doch es wird ein wenig schwierig werden, und eines ist gewiss, wenn ich jetzt Deutschland verlasse, dann für immer. Und kannst du dir vorstellen, mich in Kenia zu besuchen?« Weil sie nicht sofort antwortete, fuhr er fort: »Inge, Kenia ist ein wundervolles Land, es würde dir gefallen. Und was immer dort auch geschehen ist, das Land kann nichts dafür.«
Inge hütete sich davor, jetzt eine Zusage zu machen, die sie dann doch nicht einhalten würde. Sie schaffte es ja nicht einmal, bis Stockholm zu fliegen, und dann bis Kenia? Sie durfte wirklich keine Versprechungen machen, die sie nicht halten konnte, Berthold war überempfindlich und verletzlich.
»Danke für die Einladung, Berthold, doch komm erst einmal an, zum Glück