Der neue Sonnenwinkel Box 11 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Box 11 – Familienroman - Michaela Dornberg


Скачать книгу
kann …« Er hörte auf herumzurühren, schmiss den Kochlöffel beiseite. »Ach, was soll es, es geht mich schließlich nichts an. Es ist deine Sache, und wenn …«

      Jetzt hinderte Julia ihn daran, seinen Satz zu beenden. Sie trat an ihn heran, umarmte ihn und küsste ihn einfach, weil das wirksamer war als alle Worte dieser Welt. Nachdem das geschehen war, löste Julia sich von Tim, blickte ihm ganz tief in die Augen.

      »Tim, mein Schatz, du bist ja wirklich eifersüchtig. Doch das musst du wirklich nicht sein, nicht auf Daniel. Auch wenn es keine neue Frau in seinem Leben gäbe, könnte er mir nicht mehr gefährlich werden, das mit ihm und mir, das ist vorbei. Da gibt es wirklich keinen Weg zurück, und jetzt, mit dir an meiner Seite, weiß ich, dass alles gut ist, so wie es gekommen ist. Ich liebe dich über alle Maßen, du bist für mich der perfekte …«, sie zögerte, hatte eigentlich Mann sagen wollen, doch sie wusste nicht, was das wieder bei ihm auslösen würde, also fuhr sie fort: »Partner.«

      Jetzt nahm Tim sie in seine Arme, umschloss sie fest und zärtlich zugleich. Sie waren sich ganz nahe. Julia spürte seinen Herzschlag. Es war ein Augenblick der Magie, der keine Worte brauchte.

      Nach einer ganzen Weile gab er zu, dass er tatsächlich eifersüchtig auf Daniel war.

      »Es ist auch zu verstehen, er ist schon ein cooler Typ, klug, redegewandt, und er …«

      »Kann nicht kochen«, vollendete Julia seinen Satz lächelnd. »Tim, Tim, jeder Mensch hat seinen Platz im Leben, und der von Daniel ist ganz gewiss nicht hier, er war es nicht, deswegen mussten wir auch scheitern, aber du …«

      Es war nicht wichtig, was sie jetzt sagen wollte, wichtiger war, dass er sie wieder küsste, diesmal voller Leidenschaft, und das genoss Julia, denn Tim Richter war der Mann ihrer Liebe, und das, was jetzt gerade geschah, war wunderschön und hatte überhaupt nichts damit zu tun, dass sie so gern seine Ehefrau werden wollte. Wenn man verheiratet war, küsste man auch nicht anders, und wenn man sich liebte, wenn man wusste, dass man zusammengehörte, spielte es überhaupt keine Rolle, wessen Namen man trug, und der Ring am Finger, zugegebenermaßen träumte davon jede Frau, doch das Glücksempfinden beeinflusste er nicht …

      *

      Manchmal gelang es einem tatsächlich, mit Worten, mit Gedanken, etwas heraufzubeschwören. Daran musste Inge denken, als ihr plötzlich ihr Sohn Jörg gegenüberstand, über den sie doch gerade erst mit Werner gesprochen hatte, auch über die längst überfällige Reise nach Stockholm. Doch das war dann irgendwie im Sande verlaufen.

      »Jörg, was für eine Überraschung, wie schön, dich zu sehen«, Inge umarmte glücklich ihren Ältesten, der so unverhofft vor der Haustür gestanden hatte.

      Im Gegensatz zu sonst blieb Jörg ziemlich steif, und es klang auch nicht gerade freundlich, als er sagte: »Wenn ich nicht ab und zu vorbeischauen würde, bekämen wir uns ja überhaupt nicht mehr zu Gesicht.«

      Sofort bekam Inge ein schlechtes Gewissen, sie konnte auch dazu nichts sagen, weil Jörg recht hatte.

      Sie bat ihn ins Haus, bot ihm einen Kaffee an, entschuldigte sich dafür, dass sie für ihn nichts vorbereitet hatte, weil sie von diesem Besuch überrascht worden war.

      »Mama, ich bin nicht gekommen, um zu essen und zu trinken. Ich habe auch nicht viel Zeit, sondern habe einen Umweg auf mich genommen, um wenigstens mal Hallo zu sagen. Auch wenn es mittlerweile aus der Mode bekommen ist, lege ich Wert auf persönliche Begegnungen, da komme ich wohl auf dich, Mama.«

      Noch hatte er seinen Kaffee nicht angerührt, auch nicht die Kekse, die sie rasch noch auf den Tisch gestellt hatte, und das war für Inge ein Zeichen dafür, dass Jörg wirklich sauer war. Sie konnte sich glücklich schätzen, dass er dennoch gekommen war.

      »Ach, weißt du, Jörg, ich habe schon ein schlechtes Gewissen, weil ich noch nicht nach Stockholm gekommen bin, um mir die kleine Lena persönlich anzuschauen, sie in den Arm zu nehmen. Aber ich denke viel an euch, besonders an die Kleine. Und habt ihr mein Paket erhalten mit den Sachen für sie, vor allem mit diesem entzückenden Schlaftier?«

      Endlich trank Jörg etwas, die Kekse rührte er noch immer nicht an, und das war ungewöhnlich.

      »Haben wir, und Charlotte hat sich in unserem Namen auch dafür bedankt. Mama, lenk jetzt bitte nicht ab. Außerdem, dein Besuch wäre schöner als alle Schlaftiere dieser Welt. Was ist eigentlich so schwer daran, sich in einen Flieger zu setzen und für ein paar Tage zu kommen. Kannst du mir das sagen?« Er blickte seine Mutter anklagend an, er ist wirklich sehr ungehalten, dachte Inge besorgt. »Du hast keine Verpflichtungen, deine ehrenamtliche Arbeit kannst du aufschieben, und Pamela geht gern zu den Großeltern, die scharrt vermutlich bereits mit den Hufen, um ein paar Tage bei ihnen verbringen zu dürfen. Mama, wir können es wirklich nicht verstehen, warum du keine unserer Einladungen annimmst, Charlotte beginnt bereits zu glauben, dass du etwas gegen sie hast.«

      »Aber nein, Jörg, Charlotte ist das Beste, was dir passieren konnte. Wir mögen sie alle, auch Sven, ihren Sohn.« Ehe er etwas anderes Törichtes sagen konnte, fuhr sie rasch fort: »Und ihr wohnt in einem wunderschönen Haus, Stockholm ist eine ganz großartige Stadt.«

      »Und was ist es dann, Mama?«, bohrte er weiter. »Dieser Besuch bei uns vor gefühlten Ewigkeiten hat dir doch sehr gefallen, erinnerst du dich?«

      Und ob sie das tat, sie hatte jeden Tag bei ihren Lieben genossen.

      »Jörg, dein Vater …«

      Er ließ sie nicht aussprechen.

      »Gibt es erneut Probleme mit Papa?«, erkundigte er sich, denn das war damals einer der Gründe für den Besuch seiner Mutter gewesen.

      »Ja …, nein …, mit Papa und mir ist alles in Ordnung. Es ist nur so, dass er ziemliche Probleme damit hat, nicht mehr so gefragt zu sein wie früher, dass junge Wissenschaftler nach vorne drängen, die auch etwas zu sagen haben.«

      Jetzt griff Jörg in die Keksschale, stopfte sich gleich mehrere Kekse in den Mund, weil sie lecker waren. »Na und?«, entgegnete Jörg ungerührt. »Das ist der Lauf der Dinge, ist Papa endlich in der Realität angekommen? Klar, für jemanden wie ihn muss es hart sein, den Platz an der Sonne, auf der Spitze des Olymps verlassen zu müssen.«

      Es gefiel Inge nicht, wie Jörg über seinen Vater sprach, doch widersprechen konnte sie ihm auch nicht, weil er nichts Falsches von sich gegeben hatte.

      Sie erzählte ihrem Sohn von dem erst kürzlich geführten Gespräch mit Werner, sie konnte es tun, Jörg war schließlich kein Fremder, er war der Sohn des Hauses. Und man konnte nicht alles für sich behalten, sie machte sich wirklich Sorgen um Werner, und Jörg und sie waren sich sehr nahe, auch wenn er heute ziemlich distanziert wirkte.

      »Jörg, ich mache mir wirklich Sorgen um euren Vater. Er hat den Boden unter den Füßen verloren, weiß mit sich nichts anzufangen, er weiß nicht, was Alltag ist.«

      Jörg griff erneut in die Keksschale, ließ sich mit einer Antwort Zeit, und als sie dann kam, gefiel sie Inge überhaupt nicht.

      »Mama, man kann alles lernen, auch ein Herr Professor Auerbach ist davon nicht ausgeschlossen. Ich denke, Papa jammert auf einem hohen Niveau. Er ist nach wie vor gefragt und geschätzt, von ihm erscheinen kluge Beiträge in den renommiertesten Fachzeitschriften, er wird weltweit eingeladen. Er ist nicht mehr der Jüngste, kann also durchaus etwas Tempo aus seinem Leben herausnehmen. Schon allein deinetwegen, Mama, denn du bist in all den Jahren ziemlich auf der Strecke geblieben. Und komm jetzt bitte nicht damit, dass es für dich okay war, dass es dir genügte, die starke Frau an seiner Seite zu sein. Weißt du, wie es für mich aussah und noch immer aussieht? Du bist auf der Strecke geblieben, damit Papa sich verwirklichen konnte. Er ist in meinen Augen ein großer Egoist.«

      Jetzt glaubte Inge, ihren Mann verteidigen zu müssen.

      »Hätte er zurückgesteckt, wäre er nicht der geworden, der er jetzt ist. Werner hat wirklich alles erreicht, was man nur erreichen konnte, und deswegen hat er jetzt vermutlich auch diese großen Probleme, mit einer anderen, ihm unbekannten Situation fertig zu werden.«

      Jörg


Скачать книгу