Der neue Sonnenwinkel Box 11 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Box 11 – Familienroman - Michaela Dornberg


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Er war meine große Liebe, und so, wie wir getrennt wurden, das wünscht man nicht einmal seinem ärgsten Feind. Es hat sich aber etwas verändert. Es zerreißt mich nicht mehr vor lauter Schmerz, sondern in mir ist unendlich viel Dankbarkeit, dass ich die Zeit mit Lars erleben durfte. Ihm zu begegnen, das war Schicksal, kein Zufall, eine Fügung, Vorbestimmung. Solche Worte sind dir nicht fremd, Nicki, mir schon. Ich würde sie nicht immer anwenden, aber was mich und Lars betrifft, schon. Und es war sein Schicksal, eigentlich ohne Grund noch einmal ins ewige Eis zu gehen und dort dann spurlos zu verschwinden. Vielleicht hat er es ja auch geahnt, denn warum hätte er zuvor so vieles hinterlassen, was mich erst nach seinem Verschwinden erreichte? Den gemeinsamen Stern, den Brief, seinen Heiratsantrag, das poesievolle Buch ›Sternenstaub‹, mit dem er mich in seine Seele blicken ließ.«

      »Und das mir den Auftrag in Japan verschaffte«, wandte Nicki ein. »Lars Magnusson war wirklich ein ganz besonderer Mann, warum verdammte Hacke musste das passieren? Warum habt ihr nicht noch mal eine Chance bekommen, um jetzt eure Träume zu leben, gemeinsam zu leben? All die Träume, die du zuerst allein hattest. Das ist gemein, so was von gemein.« Nicki ereiferte sich richtig, doch das tat sie immer, wenn sie emotional bewegt war.

      »Ach, Nicki, du glaubst nicht, wie oft ich mir deswegen den Kopf zerbrochen habe, mit dem Schicksal haderte. Auch dass es dieses jähe, tragische Ende fand, war kein Zufall, es war Schicksal, deswegen kann ich auch nicht jammern, weil es mit Lars und mir keine zweite Chance gab, die niemals geben wird. Das mit ihm und mir ist wie ein Buch, das zugenäht ist, das kann man nicht mehr öffnen. Doch bitte, lass uns davon aufhören und nicht in eine Traurigkeit versinken. Ich bin so froh, das du hier bist, egal, aus welchem Grund auch immer. Und weißt du, worauf ich mich am meisten freue? Auf einen Mädchenabend wie in alten Zeiten mit einem zu Herzen gehenden Film, einer großen Tüte Chips, leckerem Wein und in Reichweite eine riesige Packung von Taschentüchern.«

      »Ich bin nicht ganz einverstanden«, widersprach Nicki, und nun war Roberta ganz erstaunt. »Aber das haben wir doch immer so gemacht, und wir hatten viel Spaß dabei.«

      »Ist schon gut, Roberta, es gibt da nur noch eine Kleinigkeit, die ich hinzufügen möchte.«

      »Da bin ich jetzt aber gespannt.«

      »Zwei Tüten Chips«, sagte Nicki, »du weißt doch, dass uns eine niemals reicht und dass wir immer Probleme damit haben, wer aufsteht, um die zweite Packung zu holen.«

      Als sie über Lars gesprochen hatte, war es wieder da gewesen, dieses schmerzhafte Ziehen in ihrem Herzen, doch jetzt musste sie lachen, und sie merkte, wie sich ihre innere Anspannung zu lösen begann, und das war gut so, nichts ließ sich ­zurückholen, nichts ließ sich herbeiwünschen. Wider Willen musste Roberta lachen.

      »Wenn das deine einzige Sorge ist, liebste Freundin, die musst du dir nicht machen, natürlich bekommst du deine zwei Tüten Chips.«

      Alma kam zurück, weil sie etwas vergessen hatte, sie bedauerte, am Abend nicht da zu sein, weil sie Chorprobe mit ihrem Gospelchor hatte, doch sie versprach, für das leibliche Wohl der beiden Damen zu sorgen, sie erkundigte sich bei Nicki nach deren Wünschen, und insgeheim musste Roberta schmunzeln, denn das tat Alma bei ihr so gut wie nie. Doch damit hatte sie überhaupt kein Problem.

      *

      Inge und Rosmarie trafen sich oft, sie mussten keine Treffen ausmachen, man kam einfach vorbei. Bei den Auerbachs war es immer so gewesen, mittlerweile funktionierte es auch bei den Rückerts.

      Beide Damen freuten sich, als sie unverhofft auf dem Bauernmarkt zusammentrafen, der manchmal nur einmal, manchmal zweimal im Sonnenwinkel stattfand.

      Den Bauernmarkt liebten alle Bewohner des Sonnenwinkels, nicht nur, um erstklassige Waren einzukaufen, sondern auch, um hier und da ein Schwätzchen zu halten. Mit den Schwätzchen hatte sich allerdings etwas verändert. Man war nicht mehr so unbefangen wie vor diesem schrecklichen Brand, der noch immer die Bewohner lähmte, weil leider noch immer nicht bekannt war, wer diese Freveltat zu verantworten hatte. Und so misstraute beinahe jeder jedem. Das war unschön, und der idyllische Frieden war längst gestört.

      Die Auerbachs und die Rückerts bedauerten natürlich zutiefst, was da geschehen war, doch weil sie voneinander wussten, dass sie nicht in das Geschehen involviert waren, konnten sie unbefangen damit umgehen, und sie konnten sich freuen, sich zu sehen. Das taten Inge und Rosmarie auch.

      Inge hatte ihre Einkäufe fast getätigt, sie brauchte nur noch ein paar Kleinigkeiten. Doch Rosmarie hier anzutreffen, verwunderte sie schon ein wenig, und das sagte sie ihr auch.

      »Was machst du denn auf dem Markt?«, erkundigte sie sich lachend. »Ist für die Einkäufe nicht deine unbezahlbare Meta zuständig?« Das bestätigte Rosmarie sofort.

      »Und so soll es auch bleiben, ich möchte nur ein paar Blumen kaufen, weil dieser Blumenstand wirklich unglaublich gut sortiert ist. Einen Strauß möchte ich für mich behalten, einen soll Meta bekommen, und einer ist für Frau Dr. Fischer vom Tierheim bestimmt. Ich weiß, wie gern sie Blumen mag und dass sie nicht das Geld dafür ausgeben will, sondern es immer ins Tierheim steckt, das wirklich so etwas wie ein Fass ohne Boden ist. Ich weiß nicht, woher diese Frau die Kraft nimmt, alles durchzustehen und zu managen. Mit einer Tierarztpraxis hätte sie es einfacher und würde Geld verdienen und müsste nicht jeden Cent zum Erhalt des Tierheimes opfern.«

      »Solange die Menschen keine andere Einstellung zu den Tieren bekommen und sie nur als ein nettes Spielzeug betrachten, das man mehr oder weniger entsorgen kann, wenn man dessen überdrüssig ist, wird sich auch nichts ändern. Aber da fällt mir ein, dass es doch ein weiteres Fest zur Erhaltung des Tierheims geben sollte, wie sieht es denn damit aus?«

      »Mit den Vorbereitungen hatten wir begonnen, doch dann ist deine Mutter erst einmal abgesprungen, weil sie sich in ihre Rolle als Grande Dame des Internats einarbeiten will, und jetzt soll sie sogar die Eröffnungsrede halten.«

      Das wusste Inge doch alles.

      »Und was hat das mit dem Fest zu tun?«, wollte sie wissen.

      Rosmarie lachte.

      »Deine Mutter will um jeden Preis bei der Gestaltung auch dieses Festes mitwirken, und du weißt, wie es ist, wenn deine Mutter etwas möchte.«

      Und ob Inge das wusste.

      »Mama kann nicht auf jeder Hochzeit tanzen«, bemerkte sie.

      »Ja, stimmt schon, aber, wie du weißt, ist sie dem Tierheim eng verbunden.«

      »Rosmarie, das bist du ebenfalls. Erinnere dich bitte daran, was du und Heinz schon getan habt, du hast deinen teuren Schmuck verkauft, Designertaschen und Outfits, Heinz hat ein ganzes Dach gespendet.«

      »Stimmt alles, Inge, doch deine Mutter sammelt unermüdlich, sie rennt von Haus zu Haus, redet, wann immer es auch möglich ist, die Leute an, und dagegen kommt niemand an. Teresa hat es geschafft, Piet van Beveren davon zu überzeugen, dieses Grundstück für das Tierheim zu kaufen, er hat Teresa freie Hand gegeben, monatlich über das Geld zu verfügen, das er für einen guten Zweck zur Verfügung stellt. Glaub mir, Inge, es wird immer etwas für das Tierheim abfallen.« Sie begann zu schwärmen. »Du weißt überhaupt nicht, was für eine großartige Mutter du hast, um die ich dich glühend beneide. Teresa traut sich was, aber was sie anpackt, hat Hand und Fuß.« Rosmarie lachte. »Na ja, Piet van Beveren ist ein ganz schlauer Fuchs, wenn er nicht wüsste, welches Potenzial in Teresa schlummert, hätte er ihr nicht all diese Angebote gemacht, die nicht nur viel Verantwortung bedeuten, sondern es geht auch um viel Geld, über das Teresa verfügen darf, und auch wenn dieser Mann mehr als genug davon besitzt, schmeißt er bestimmt nicht einfach damit herum.«

      Auch Inge, wie alle im Familienkreis, bewunderte ihre Mutter, und wenn sie ganz ehrlich war, würde sie sich das nicht zutrauen, sie war eher zögerlich, und leider hatte sie nichts von diesem großen Selbstbewusstsein ihrer Mutter. Vielleicht lag das wirklich daran, dass sie in einem hochherrschaftlichen Gut aufgewachsen war und feinstem Adel angehörte. Als sie auf die Welt gekommen war, war von allem nichts mehr übrig geblieben, denn ihre Eltern hatten alles verloren. Doch sie waren beide stark, hatten sich nicht unterkriegen lassen, hatten gekämpft, mit Armut umgehen


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