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Prozent. Aber wenn ich mich nicht durchgesetzt und schon wieder nachgegeben hatte, so war ich mir dessen zumindest bewusst. Manchmal konnte ich noch korrigieren, manchmal nicht.
Sich nicht zu verraten, ist ebenfalls etwas, das ich beibehalten habe. Es gab eine Grenze, über die ich moralisch nie hinausgegangen bin. Man muss sich in den Spiegel schauen können. Das hat übrigens auch Stella Kadmon gelebt. Sie hat Stücke gespielt, wo sie wusste, das Theater würde nicht voll sein, aber sie wollte die Themen, die ihr am Herzen lagen, unbedingt spielen. Das war schon großartig, da habe ich viel von ihr gelernt.
Woran ich mich zu wenig hielt? Ich hatte mir fest vorgenommen, schnell Nein zu sagen, wenn ich etwas für falsch oder nicht richtig befinde. Das musste ich jedoch erst mühsam erlernen. Ich machte unglaublich viele Anfangsfehler, da sträuben sich mir jetzt noch die Haare! Es gibt ein Zitat, das besagt, Nein zu sagen, sei das Wichtigste überhaupt. Ich war in dieser Hinsicht viel zu wenig radikal. Zunächst aus Unerfahrenheit, dann aus Ängstlichkeit, jemanden ins Gesicht zu sagen: »Nein! Wir können Sie hier am Theater leider nicht brauchen.« Es soll aber Direktoren geben, die so etwas gern sagen, sogar mit Vergnügen!
MADONNA, HIRSCHER, LAGERFELDBegeistern kann ich mich seltsamerweise auch für Protagonisten in Sparten, mit denen ich eigentlich überhaupt nichts am Hut habe, nämlich Popmusik, Leistungssport, Haute Couture.
Dennoch habe ich ein Faible für einen Leistungssportler wie Marcel Hirscher. Seine Kunstfertigkeit fasziniert mich, der Mann ist für mich ein Künstler, und da sind wir wieder beim Thema Leidenschaft: Er hat diesen Sport mit unglaublicher Leidenschaft betrieben, das ist für mich nicht Verbissenheit, das ist Leidenschaft! Und dann diese Mischung aus Talent, Fleiß und Können. Ich fand auch toll, wie er den Schlussstrich gezogen hat. Einfach zu sagen: Jetzt ist genug!
Madonna bewundere ich dafür, dass sie sich immer wieder neu erfindet, ihre Wandlungsfähigkeit und ihre alterslose Wirkung auf Menschen. Sie ist ein Popstar, und als solchen empfand ich auch Karl Lagerfeld. Oft sind Leute verwundert, wenn sie hören, dass ich auch für ihn schwärme, aber mich fasziniert sein Leben. Wie sich dieser Mensch durchgebissen und immer wieder verändert hat. Ich bewundere Menschen, die sich immer wieder neu erfinden. Und, das ist der wichtigste Punkt, Karl Lagerfeld hatte so unglaublich viel Humor. Humor und Selbstironie sind für mich ganz wichtige Dinge und sicher ebenfalls etwas, das ich vom Elternhaus mitbekommen habe.
Daher konnte daheim auch nie ein wirklicher Streit sein, weil wir kurz danach alle zu lachen angefangen haben, als wir sahen, was wir da eben für ein Theater aufgeführt hatten. Ich kann meiner Familie dafür gar nicht genug danken und hoffe, ich habe davon ein bisschen etwas weitergeben können.
GESELLSCHAFTSPOLITISCHE VORBILDERWenn man sich vorstellt, was die ersten großen Frauenrechtlerinnen und Sozialdemokratinnen riskiert haben, die verspottet und verhöhnt und mit faulen Eiern beworfen wurden. Diese Frauen waren so radikal, dass sie von den Leuten total abgelehnt wurden. Aber diesen Liebesverlust nahmen sie in Kauf! Das bewundere ich sehr, das könnte ich nicht. Besonders Frauen scheuen ja den Liebesverlust. Johanna Dohnal hat diesen Liebesverlust ebenfalls ertragen müssen. Ihre Definition von Feminismus finde ich nach wie vor brillant: »Die Vision des Feminismus ist nicht eine weibliche Zukunft, es ist eine menschliche Zukunft. Ohne Rollenzwänge, ohne Macht- und Gewaltverhältnisse, ohne Männerbündelei und Weiblichkeitswahn.« Dazu stehe ich hundertprozentig.
Natürlich habe ich Bruno Kreisky adoriert, vor allem für das, was er für die Frauen geleistet hat. Ihm kann nicht genug gedankt werden für die damals längst überfällige Reform des Familienrechts, das bis dahin gespickt war mit heute unvorstellbar diskriminierenden Verboten für Frauen. Er hat ein Bewusstsein geschaffen, das nach und nach seltsamerweise aber oft wieder gefährdet war. Ich weiß, dass er Fehler gemacht hat: Unter dem Strich bleibt für mich aber, was er Großartiges gemacht hat.
VORBILD ODER PIONIERIN?Ich glaube, Pionierin passt eher auf mich. Ich bekam oft von jungen Frauen Korrespondenz, manche verfassten auch Arbeiten, da hatte ich schon das Gefühl, dass sie sich ein wenig an mir orientieren. Als Vorbild würde ich das aber nicht bezeichnen. Ich kann vielleicht ein Bild darstellen, an dem diese Frauen ihrerseits wieder herumdoktern: Das gefällt mir an ihr, das und jenes aber nicht. Dazu stelle ich mich gern zur Verfügung: Hier bin ich, ich kann nicht anders. Denn eines, glaube ich, habe ich, obwohl ich eine Schauspielerin bin, nicht gemacht: Ich habe mich nie verstellt. Das hat mir oft genug geschadet. Aber ich habe mich trotzdem nicht verstellt.
ERSTE FRAU, DIE IM DEUTSCHSPRACHIGEN RAUM EIN GROSSES THEATER LEITETEDiese Vorreiterrolle war mir nicht bewusst und absolut kein Thema. Ich war erstaunt, dass da so ein Hype daraus wurde. Solange ich in der Drachengasse, in dem kleinen Theater war, wurde ich gehätschelt. Kaum war der Kopf einen Stock höher – wusch, ist es schon losgegangen mit den Schlägen. Heute würde ich jammern: »Um Gottes willen!« Aber damals habe ich mich um das überhaupt nicht geschert. Ich bin hineingesprungen und habe gesagt: »Fangen wir an!«
Mein Lieblingsmotto lautet: Der Weg entsteht im Gehen. Das sagte ich auch oft meiner Enkeltochter. Wir haben einmal einen riesig hohen Berg Schnittholz geliefert bekommen am Land, standen davor, und die Kleine sagte: »Nein, das fange ich gleich gar nicht an.« Da habe ich gesagt: »Wenn du dich vor der Größe des Berges fürchtest, wirst du es nie schaffen. Du musst jetzt anfangen, ein Stück nach dem anderen zu nehmen und einzuordnen.« Und genau so ist es. Man muss einen Schritt machen und wieder einen Schritt und so weiter.
MUT ZUR ENTSCHEIDUNGMein Glück war damals, dass ich im Volkstheater keine Vorbereitungszeit hatte. Heute haben Intendanten oft ein, zwei Jahre Zeit, um sich auf so eine Aufgabe vorzubereiten. Ich übernahm im Jänner 1988 die Leitung dieses großen Theaters, und Ende April war bereits Spielplankonferenz. Das muss man sich vorstellen! Ich war gleich gezwungen zu handeln, also kaum »von des Gedankens Blässe angekränkelt«, wie es im Hamlet heißt. Das ist etwas, das ich immer gerne vermitteln möchte: Macht einen ersten Schritt, nur nicht zu viel grübeln! Was heute am Theater gegrübelt wird! Die Regisseure grübeln, die Schauspieler grübeln, es vergehen oft Wochen mit Grübeln. Ich konnte das nicht und habe dadurch natürlich etliche Fehlgriffe gemacht. Ich halte dennoch Entscheidungsfähigkeit für eine meiner besten Eigenschaften. Deshalb finde ich folgendes Zitat großartig: »Alles heilt der Entschluss!« Das ist wunderbar, auch im Alltag!
Wenn man mich nach dem wichtigsten Verb in meinem Leben fragen würde, bestünde die Antwort aus drei Buchstaben: TUN. So viele Menschen sind Weltmeister in ihren Absichten. Der Erfolg der Absicht ist aber immer nur die Tat. Darum bewundere ich alle, egal ob Frauen oder Männer, die Taten setzen – auch gegen Widerstände!
HELDINNEN ALS SIGNALWIRKUNGIch wollte die starken Frauen der Literatur zeigen, vor allem jene, die um ihr Recht auf Selbstbestimmung gekämpft haben. Die Eröffnung jeder neuen Spielzeit mit einer großen Heldin der Literatur sollte Signalwirkung haben. Die allererste Eröffnungsvorstellung war Schillers Jungfrau von Orleans, bald darauf Grillparzers Libussa. Aber wir zeigten auch seltene Heldinnen wie Federico García Lorcas Mariana Pineda oder Yerma. Mutige, wütende Frauen, die ihre Identität nicht verlieren, ihren Wünschen und Zielen nicht untreu werden wollten. Eine Sappho, die aus unglücklicher Liebe ins Wasser geht, anstatt den untreuen Liebhaber zu verjagen? Nein, habe ich gesagt, die kommt mir nicht ins Haus!
Von Ernst Bloch gibt es dieses großartige Zitat: »Not lehrt denken.« Letztlich sind das alles Vorbilder, diese Sätze, die ich seit jeher sammle und in mein berühmtes Büchlein schreibe. Gerade in meiner Anfangszeit sind aus der Not heraus viele Ideen geboren worden, die dann eine Eigendynamik entwickelten, weil sie sich bewährt haben. So war das auch mit den Heldinnen, und wir hatten fabelhafte Darstellerinnen, die ihnen authentisch Leben einhauchten.
ELFRIEDE JELINEK: »OHNE DIESE WIENER THEATERDIREKTORIN UND IHRE DRAMATURGEN WÄRE ICH WOHL NIEMALS IN WIEN AUFGEFÜHRT WORDEN«Es ist kein Zufall, dass ich die Jelinek erstmals hier in Österreich in einem großen Theater gespielt habe. Krankheit oder Moderne Frauen 1990 auf den Spielplan zu setzen, war im Grunde ein viel größeres Wagnis, als Thomas Bernhards Heldenplatz es gewesen war. Letztlich wurde es ein großer Triumph. Nicht zuletzt durch den Regisseur, den Dramaturgen und