THE BOYS OF SUMMER. Richard Cox H.

THE BOYS OF SUMMER - Richard Cox H.


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Glas zerschmetterte, Holz riss ein, die Erde öffnete sich. Alles erstickte.

      Seltsamerweise kam es Adam bei all diesem Lärm so vor, als ob er Musik hören könnte. Er stellte sich vor, dass ein Junge für ihn Musik spielte … für sie alle. Es war heiß draußen. Es war Sommer.

      »Adam!«, schrie seine Schwester. »Mach, dass es aufhört! Bitte!«

      Es waren seine Freunde, diese vier Jungs. Es war Sommer. Der Lärm, den der Sturm machte, war ohrenbetäubend. Adam konnte nicht verstehen, wo Gott war. Warum ließ er sie beide ganz allein?

      Dann war der Schrank verschwunden, oder jedenfalls die Hälfte von ihm, und sie standen plötzlich im Freien. Das übrige Haus, mit Ausnahme der beiden Wände des Schranks, war ebenfalls verschwunden. Der Wind peitschte und heulte um sie herum. Auf seinem Gesicht und auf den Armen spürte er ein Prickeln und Stechen, wie Blätter und Zweige und kleine Holzstücke. Seine Schwester schrie ihm die ganze Zeit die Ohren voll. Er konnte das Schuldgefühl einfach nicht länger ertragen. Hier war die nackte Betonwand ihres Hauses, und das sah irgendwie falsch aus, und doch irgendwie auch vertraut. Lange Zeit sollte er nicht verstehen, wie diese Rechtecke sein weiteres Leben bestimmen würden.

      Der Tornado wütete immer weiter. Adam konnte sehen, wie er durch die Häuser, die er verschlungen hatte, immer fetter wurde. Aus irgendeinem Grund hatte er sie beide verschont. Gott war groß! Gott war gut!

      »Christi?«, sagte er. »Geht es dir gut?«

      Schon bevor Adam hinschaute, wusste er, dass etwas nicht stimmte. Irgendwann hatte sich der Griff seiner Schwester gelockert. Sie klammerte sich nicht länger an ihn, so wie sie das zuvor getan hatte. Eigentlich konnte er ihr Gewicht überhaupt nicht mehr spüren.

      Als er nach unten zu seiner Schwester schaute, schien sie sich irgendwie verändert zu haben. Adam hatte das Gefühl, dass sein Kopf aufgeblasen wurde wie ein Ballon. Jeden Moment könnte er platzen. Sein Körper schien schwerelos zu werden und in den Weltraum zu steigen, wo es kein Oben und kein Unten mehr gab, und wo es auch keine Richtungen gab. Für eine Weile sah er nichts außer etwas, das formlos und weiß war. In diesem Raum schwebte er für einige Zeit. Er konnte nicht sagen, für wie lange. Vielleicht hatte er Leute sprechen gehört oder auch schreien, vielleicht aber auch nicht. Er war sich nicht sicher, denn alles war mit diesem Schleier des Nichts bedeckt.

      Schließlich wurde Adam bewusst, dass um ihn herum Leute waren. Seine Nachbarin Mrs. Merrill, kniete vor ihm. Sie schien zu sprechen, aber Adam konnte nicht hören, was sie sagte. Vielleicht wollte er es auch gar nicht hören, denn Christi war gegangen, und sie würde niemals mehr zurückkommen. Adam hatte sich geweigert, sie festzuhalten. Er hatte es vorgezogen, ihren Körper nicht mit seinem eigenen zu schützen. Er hatte als ihr großer Bruder versagt. Er konnte sich nicht vorstellen, wie seine Eltern reagieren würden, wenn sie erfuhren, dass ihr kleiner Schatz für immer gegangen war.

      Später betete er zu Gott und bot ihm sein Leben für das von Christi an. Nicht nur, weil es ihm leidtat, sondern auch, weil er dieses Leben eigentlich gar nicht mehr wollte. Neun Jahre waren für ihn lange genug, um zu verstehen, dass sich einige Dinge niemals verbessern würden. Sie würden höchstens noch schlimmer werden. Irgendwann würde die gesamte Welt in Flammen aufgehen, und da Adam nicht dabei sein wollte, wenn dies geschah, betete er immer wieder zu Gott, ihm diese kleine Gnade zu gewähren.

      Doch alles, was er bekam, war Schweigen.

      Kapitel 6

      Für Todd Willis war die weiße Leere nicht besonders beängstigend. Sie erzeugte keinerlei emotionale Reaktion bei ihm. Sie existierte einfach, und jetzt existierte er in ihr.

      Kurz bevor er hier eintraf, hatte Todd versucht, die Unterschrift seiner Mutter unter einem Schulzeugnis zu fälschen, während sie am Telefon mit seinem Dad redete, der immer noch auf der Arbeit war. Anscheinend hatten die beiden sich über Fenster unterhalten, denn nachdem das Gespräch beendet war, war seine Mutter eilig von einem Zimmer ins andere gelaufen, um jedes Fenster im Haus zu öffnen. Dieses Verhalten seiner Mutter beunruhigte ihn noch mehr als der sich nähernde Tornado, denn er hatte noch nie zuvor erlebt, dass sie aus irgendeinem Grund so gerannt wäre.

      Im Fernsehen gab der Mann von der Wetterkarte nun laute Geräusche von sich. Er schien selbst ziemliche Angst zu haben, und auch das erlebte Todd zum ersten Mal. Sobald sämtliche Fenster geöffnet waren, holte seine Mutter einige Decken aus dem Wäscheschrank und brachte sie ins Badezimmer. Sie legten sich kurz darauf zusammen in die Wanne. Sie zitterte wie Espenlaub, sagte ihm aber gleichzeitig, dass er sich keine Sorgen zu machen bräuchte. Sie versicherte ihm, dass alles gut werden würde.

      Aber dann kam der Sturm und das Brausen, und als seine Mutter anfing zu weinen, wusste er, dass sie genauso viel Angst hatte wie er. Er ergriff ihre Hand, als plötzlich alles wie wild zu beben begann.

      Doch dann hörte der Lärm ebenso plötzlich auf, wie er begonnen hatte. Es war so, als ob jemand ein Tonband abgespielt und es dann abgestellt hätte, so, als ob jemand eine gigantische STOP-Taste gedrückt hätte, mit der sämtliche Geräusche in der Welt abgestellt wurden.

      Jetzt war da nur noch diese weiße Leere. Er konnte weder etwas sehen noch etwas hören, und er fragte sich, ob sie jetzt tot waren.

      Nach einiger Zeit – er konnte nicht sagen, wie lange es gedauert hatte – kam es Todd so vor, als ob er doch wieder etwas hören könnte. Es war so, also ob jemand mit den Fingern auf einen Schreibtisch oder mit einem Stock auf den Boden klopfen würde. Zuerst dachte er, dass er sich das nur einbilden würde, aber später hörte er das Geräusch noch einmal, dieses Mal ein wenig lauter, und schließlich wusste er, dass das, was er da hörte, wirklich Musik war.

      Irgendwo lauschte irgendjemand dieser Musik. Es war ein Rock-Song, etwas, das er noch nie zuvor gehört hatte. Als er sich in der weißen Leere umschaute, in der immer noch keine Formen, Farben oder Schatten irgendwelcher Art zu erkennen waren, konnte er sich nicht vorstellen, woher dieser Song kam oder wie er seine Quelle ausfindig machen konnte. Wenn jemand diesem Song zuhörte, dann folgte daraus doch, dass noch jemand anders hier sein musste … jemand, mit dem er sich unterhalten konnte … wenn er nur herausfinden könnte, wie er ihn oder sie fand.

      Der schwermütige Text schien jedoch sämtliche Hoffnungen auf Gesellschaft zu zerstören.

       Nobody on the road

       Nobody on the beach

       I feel it in the air

       The summer‘s out of reach

       Empty lake, empty streets

       The sun goes down alone

       I‘m driving by your house

       Though I know you‘re not home.

      

       Niemand auf der Straße

       Niemand am Strand

       Ich spüre es in der Luft.

       Der Sommer ist außer Sicht.

       Leerer See, leere Straßen.

       Die Sonne geht einsam unter.

       Ich fahre zu deinem Haus.

       obwohl ich weiß, dass du nicht da bist.

      

      Mit seinen gerade mal neun Jahren hatte sich Todd bisher nicht allzu viele Gedanken über seine Moral gemacht. Der Tod war etwas, das nur in Filmen vorkam, und selbst dann war er irgendwie unverständlich. Darth Vader hatte Obi-Wan Kenobi mit seinem roten Lichtschwert getötet. Damit hätte er den alten Mann eigentlich in zwei Hälften teilen müssen, aber es gab kein Blut und keine Leiche, und auch sonst nichts, was man mit dem Tod in Zusammenhang bringen könnte. Wo war Obi-Wan hingegangen? An einen solchen


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