TRAPPED - GEFANGEN. Michael Hodges

TRAPPED - GEFANGEN - Michael Hodges


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Mann zwar den Rücken zugekehrt, hörte ihn aber näherkommen; auf ihr Gehör war Verlass. Einen Augenblick später ragte er mit dem Gewehr hinter ihr auf. Sie gab vor, ihn nicht zu bemerken, was sie aber sehr wohl tat. Als sie erkannte, dass er schneller ging, und seine Schritte am Boden wahrnahm, wirbelte sie zu seinen Füßen herum und biss in einen Knöchel, so fest sie konnte. Als er sich danach bückte, trieb sie ihre Zähne in seinen nackten Unterarm, sodass Blut auf ihr glänzendes Fell spritzte. Gnomes brüllte und brach zusammen, das Gewehr fiel in den Sand.

       Nachdem sie weiter am Zaun herumgelaufen war, fand sie endlich die Öffnung, die sie zuvor gebuddelt hatte. Sie zwängte sich hinein, schob sich grunzend durch das Loch. Dann wetzte sie in den Uferwald zwischen Birken und Erlen, wo sie vor den neugierigen Augen der Menschen sicher war. Anscheinend wurde man sie nie los; sie waren überall, ständig. Sie wollte nur bei ihresgleichen sein. Der Mann hinter ihr schrie, war wütend, das waren die Menschen immer.

       Die Sterne geleiteten sie am Fluss entlang, während sie dem Instinkt folgte, der sie nach Norden trieb.

       Bald nahm die Zahl der Menschen in der Umgebung ab, obwohl das Land noch immer vor ihnen wimmelte. Die Nächte kühlten ab, weshalb sie nicht mehr so viel hecheln musste. Der Fluss wurde breiter, der Wald dichter. Die Tage verschwammen ineinander, ein Einerlei aus Nagern, Krebsen und rauschender Strömung. Zudem schmeckte das Wasser besser. Sie begegnete Tieren, die sie nie zuvor gesehen hatte – etwa einer langsamen, gewaltigen Ratte, aus der Dornen wuchsen. Sie wollte sie fressen, doch die Dinger stachen ihr in die Nase; darum musste sie ihren Kopf einziehen und ihre Pfoten auf die Dornen stellen, um sie herauszuziehen. Ihre Nase tat immer noch weh.

       Die Bäume am Ufer veränderten sich. Viele sah sie zum ersten Mal, solche mit spitzen Blättern und strengen Düften. Wie sie rochen, gefiel ihr. Außerdem mochte sie die besonders dicken Hasen mit den großen Füßen; auf die war sie auch noch nie gestoßen.

       Die Nächte wurden kälter, Begegnungen mit Menschen seltener. Sie wagte sich weiter vom Fluss fort, blieb aber trotzdem immer vor den Zweibeinern verborgen. Eines Nachts schlief sie sogar fernab des Wassers.

       Sie kringelte sich an einem verharzten Baumstumpf ein und schob die Schnauze unter ihren Schwanz. Als sie aufwachte, war ihr Fell mit Reif überzogen. Sie schüttelte sich. Auf dem Rückweg zum Fluss erblickte sie etwas, das sie auch noch nie gesehen hatte. Es war schwarz, besaß breite Schultern und ein noch dickeres Hinterteil. Dieses Tier jagte ihr Angst ein. Seine Krallen waren sehr lang. Sie sträubte sich, ging nervös herum und lief schließlich weiter. Als sie kurz darauf wieder stehen blieb und sich umdrehte, schien das Riesengeschöpf sie aber gar nicht bemerkt zu haben. Sicherheitshalber hielt sie sich davon fern. Sie konnte es riechen; es verpestete den ganzen Wald.

       Im Laufe der Tage sichtete sie mehrere dieser Tiere, kleine wie große. Sie fand heraus, dass sie nicht besonders klug waren, musste aber Abstand zu ihnen wahren; sie mochten sie nämlich überhaupt nicht. Das sollte ihr recht sein; solange sie fernblieben, war es in Ordnung.

       Was das Fressen anging, so konnte sie sich nicht beklagen; Nahrung war in Hülle und Fülle vorhanden. Sie wollte ihren Partner herbringen, ihm die Freiheit zeigen. Sie hatten einen Bund fürs Leben geschlossen, wie es alle anständigen Kojoten taten.

       In dieser Gegend lebten kaum Menschen, weshalb es auch nur wenige Pfade mit hartem Boden oder Metallroller gab. Dies war ein gutes Land für Kojoten.

       Heute wachte sie unter einer Tanne auf, deren Äste verhinderten, dass Regen auf sie tropfte. Als sie etwas im Wind witterte, stand sie auf und wartete darauf, dass sich das andere Tier zeigte. Sie richtete die Ohren geradeaus nach vorne, wobei sich ihre Pupillen weiteten. Dann rauschte es leise – Zweige, die über Fell strichen und dann wieder zurückschnellten.

       Von Süden her hörte sie Schnaufen, Zähne blinkten zwischen raschelndem Laub auf.

       Sie knurrte und ging rückwärts, bereitete sich auf einen Kampf vor.

       Als der Fremde zwischen Blaubeersträuchern hervortrat, bellte sie schrill und zog Kreise; der andere Kojote tat das Gleiche. Sie rieben ihre Nasen aneinander und leckten sich gegenseitig die Schnauzen.

       Es war ihr Partner.

       Sie liefen gemeinsam los, kläfften und leckten weiter, um einander die Felle zu säubern, tollten herum. Schließlich preschten sie hinaus auf ein Feld und sprangen hintereinander her – die Schwänze hochgestellt, Pfoten und Beine gespreizt.

       Sie jagten Wühlmäuse, rissen sie und schlangen sie hinunter. Das Weibchen hielt inne, streckte seine Schnauze in die Luft und schnupperte. Von Norden her wehte ein Geruch heran, dem zu folgen, sie gezwungen war. Das wusste sie. Ihr Partner stierte sie an; der Wind fuhr durch sein Fell.

       Dann lief sie voraus, und er folgte ihr.

      Bob Sanders

      Der Toyota-Pick-up raste die Auffahrt hinunter und scherte auf die Julip Road aus. Matt riss das Lenkrad in letzter Sekunde nach rechts in Richtung Hochland.

       Bald wurde die Straße schmaler und Schieferplatten ragten aus der Erde wie Fossilien. Auf der mit Stoff gepolsterten Sitzbank kam er sich vor wie auf einem Rodeopferd, während der Wagen ächzte und ruckelte. Nach einer Meile bog er rechts auf eine matschige Fahrspur ab, die Grauerlen und Traubenkirschbäume zu verschlucken drohten. Während der Weg weiter abfiel, flutete Wasser die niedrigeren Stellen. Sumpfgebiet.

       Der Pick-up besaß ein hohes Fahrwerk mit Unterbodenschutz, also machte sich Matt keine allzu großen Sorgen. Es dauerte nicht lange, bis Fichten und Tannen die Straßenränder vereinnahmten, obwohl die Bezeichnung »Straße« äußerst beschönigend war. Äste kratzten an der Karosserie, Schlammklumpen trafen schmatzend auf die Windschutzscheibe und spritzten im Rückspiegel hoch.

       Na, wenn das nicht seiner Vorstellung von einer ordentlichen Straße entsprach …

       Er grinste und hielt das Lenkrad ruhig.

       Als die Schlammpiste an der befestigten Silver Road endete, stoppte Matt den Wagen. Dieser Weg würde ihn zu dem Bassin hinter Sanders Anwesen führen. Nachdem er nach links eingelenkt hatte, trat er kräftig aufs Gas, einfach nur, um im Seitenspiegel zu sehen, wie Schotter hochflog.

       »Gib alles, altes Haus«, sagte er. »Zeig mir, dass du noch Feuer hast.«

       Sein Truck gehorchte.

       Nach einer halben Meile auf der Silver Road gen Süden, erblickte Matt Sanders Landhaus, dessen Blau sich mit dem Grün des Waldes biss.

       Rasch zog er seine Anglerklamotten an, sperrte den Wagen ab und begab sich auf den Weg zum Grundstück. Er wollte nicht zu dicht davor parken, weil man nie voraussehen konnte, was bei Bob geschah. Während er an der Straße entlangging, zwitscherte auf einem Ast zu seiner linken ein Meisenhäher. Matt hielt inne und betrachtete den zierlichen, aber stimmgewaltigen Vogel. So nahe war er einem solchen Tier noch nie gekommen. Als er eine Hand ausstreckte, tschilpte der Vogel wieder und flog weg, drehte seinen Kopf aber noch herum und schaute mit glänzend schwarzen Augen nach ihm, während er im dichten Wald verschwand.

       Gut gelaunt nach dieser Begegnung setzte Matt seinen Weg auf der Straßenseite fort, die dem Haus gegenüberlag, um sicherzugehen, dass Sanders ihn schon aus der Ferne sah. Jemanden wie ihn überraschte man besser nicht. Das war unbedingt zu vermeiden …

       Die Terrassentür wurde aufgezogen und eine junge Frau erschien, lächelnd. Sie sah verblüffend gut aus, hatte kurzes, blondes Haar, rosige Wangen und eine Nase wie eine Porzellanpuppe. Bestimmt war sie 20 Jahre jünger als Bob, ihre Mundwinkel blieben zu einem halben Lächeln hochgezogen.

       »Sie kommen zum Fischen, oder?«, fragte sie.

       Matt nickte. »Macht es Ihnen was aus, wenn ich auf dem Weg zum Silver hier durchlaufe?«

       »Ach was«, antwortete sie mit strahlenden Augen. »Ist aber auch nicht mein Land, wissen Sie? Es gehört Bob.«

       Der Genannte trat hinter ihr vor und zeigte mit einer schlaksigen Bewegung auf Matt. Er trug ein rotes Hawaiihemd und eine Bluejeans. Sanders war noch keine 60, schlank und braun gebrannt. Sein meliertes Haar trug er soldatisch kurz, wohingegen sein Schnauzbart albern wirkte – und dann natürlich sein für die obere Halbinsel klassischer Akzent; wie hätte Matt den vergessen können?

      


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