TRAPPED - GEFANGEN. Michael Hodges
aus Illinois. Es spielte auf die Bedeutung von Landwirtschaft für diesen Staat an, mitunter auch diffamierend.
Matt hielt sich nun betont aufrecht und schaute den Trapper verärgert an; vielleicht begriff er jetzt, dass Schluss war. »Ich heiße Matt und bin kein Maisbauer. Außerdem ist das so etwas wie ein Klischee, finden Sie nicht?«
Der Mann spuckte einen schwarzen Klumpen auf den trockenen Baumstamm und verfehlte nur knapp eine Ameise, die dort krabbelte. »Nichts da, Quiche-ee, wenn's denn stimmt. Ach ja, ich bin Skeet – Skeet Ackerson. Wohne drüben an der Jessup Road, ist die letzte begradigte Straße vor den Hurons.«
Matt lachte leise. Quiche-ee?
»Also dann, war nett, Sie kennenzulernen, Skeet. Viel Glück bei Ihrer Jagd«, sagte er ungefähr so begeistert wie ein kleiner Junge, der seinen Eltern bestätigte, dass er seine grünen Bohnen sehr wohl noch artig aufessen würde. Skeet schaute blinzelnd zu den Wipfeln hinauf, ehe er den Blick weiter durch den Wald schweifen ließ, als hüpfte etwas von Baum zu Baum. »Sei vorsichtig da draußen, Junge. Ich stelle schon seit vielen Jahren Fallen in diesen Wäldern; sie sind nicht geheuer. Mausbauer hin oder her, wir alle müssen in dieser Wirtschaft zusehen, wo wir bleiben, nicht wahr, Kumpel?« Matt fand es ungewöhnlich, dass jemand in einem Satz zugleich ein Friedensangebot und eine Beleidigung unterbrachte, nahm es aber dennoch hin. »Stimmt«, erwiderte er. Skeet fixierte ihn, und dann machte Matt zum ersten Mal seit Beginn ihres Gesprächs Furcht im Tonfall seines Gegenüber aus. »Oh, und Junge: Halt dich von den Hurons fern. Davey war vor 14 Tagen da oben an der Grenze zur Wildnis und meinte, ihm sei dort was untergekommen, das er noch nie gesehen hat … also, gehört haben will er was. Soll geklungen haben wie ein Elefant, der zur Lichtung trampelte, und hat ihm solchen Schiss eingejagt, dass er abgehauen ist und mit seinem Chevy fast zwei Bäume gerammt hätte, bevor er bei sich daheim ankam. Als ich zu ihm ging, war die Haustür verrammelt. Ich konnte sein Auge durch den Schlitz zwischen den Brettern sehen, sein Zwinkern und die Pupille, die gezuckt hat wie 'ne Kaulquappe. Ich überredete ihn dazu, mich reinzulassen, und drinnen lagen dann all seine Kanonen auf dem Klapptisch, geladen und bereit. Er ging auch die ganze Zeit auf und ab; so hab ich Davey noch nie erlebt, echt nicht. Ich fragte ihn, ob es ein großer Bär gewesen sei, woraufhin er behauptete, es habe sich nicht annähernd mit einem Bär vergleichen lassen. Junge, uns sind hier oben schon viele Bären über den Weg gelaufen, und das war keiner; kein Bär kommt an Davey und mir vorbei.« Matt gefiel Skeets Ton nicht, und er stellte überrascht fest, dass es sich für ihn nicht nach der herkömmlichen Räuberpistole eines Trunkenbolds anhörte. Solche nämlich folgten einem bekannten Muster: Die Erzähler fuhren besoffen und bewaffnet durch den Wald. Sie fürchteten wenig; vielmehr fürchteten alle anderen sie. Dass diese grobschlächtigen Typen Angst bekamen? Was musste geschehen, damit dass passierte? »So, Junge, ich muss mal ein paar Eisen prüfen. Sei auf der Hut, und zwar nicht nur vor dem Aufseher. In diesem Wald geht es nicht mit rechten Dingen zu, wenn ich's dir sag.« Skeet wandte sich ab und stieg grunzend an der östlichen Wand hinauf. Matt staunte, weil er es so schnell schaffte. Als er die Silhouette des Alten am oberen Rand stehen sah, war ihm kurz, als schaute dieser ins Bassin hinab. Dann war er verschwunden.
Die Hütte
Auf dem Rückweg von den Black Falls bequemte sich ein Stachelschwein über die Julip Road, weshalb Matt einlenken musste, um auszuweichen. Das Tier hatte es nicht eilig. Stachelschweine brauchten vor kaum etwas Angst zu haben, doch Matt kannte einen Zeitgenossen, dem sie nicht in die Quere kommen wollten: dem Fischmarder. Er hatte vom Trick des Nagers gelesen, Stachelschweine umzuwerfen und in ihren weichen Bauch zu beißen.
Das Tier trottete am Wegrand hinauf in die Zimtfarne, wo es sich nach dem Pick-up umdrehte und großäugig glotzte. Dann richtete es seinen Kopf wieder nach vorne und wankte weiter zwischen den Farnen und Sumpfbirken. Einen Moment später regten sich Krähen in den Baumspitzen; ihre Flügel raschelten wie zerknittertes Zeitungspapier.
Der Weg vom Highway 5 aus zur Hütte war acht ruckelige Meilen weit und führte an Moorgebieten innerhalb des allgegenwärtigen Nadelwaldes vorbei. Von der Julip Road zweigten Wirtschaftswege ab. Der Wald war weithin durch diese widerrechtliche Erschließung von unberührtem Gebiet verschandelt. Matt fragte sich oft, wie viele Tiere der Einsatz von Maschinen aus ihren Bauten verscheucht hatte und wohin sie geflohen waren. Die Antwort darauf war vermutlich recht simpel: in die Sümpfe und abgelegenen Gebiete ohne Straßen in den Huron Mountains. Im Moor wuchsen alte Bäume, im allgemeinen Weymouth und Hemlock. Solche Orte waren offensichtlich ideal für Tiere, um Junge großzuziehen.
Als Matt das Grundstück mit der Hütte erreichte, bog er rechts in die steile Einfahrt ein. Hohes Gras streifte knisternd am Chassis vorbei. Innerhalb von Sekunden parkte er vor dem Gebäude. Als er den Motor abstellte, überwältigte ihn die plötzliche Ruhe.
Er liebte es.
Die Wagentür ging knarrend auf, und er blieb daneben stehen, um das Land zu überblicken. Er bekam Gänsehaut an den Armen, als er daran zurückdachte, wie sich sein Vater und er an genau dieser Stelle einen Football zugeworfen hatten.
Das Büdchen war eine uralte Blockhütte mit einer Grundfläche von 20 Quadratfuß aus handgefertigten Rundhölzern. Das Asphaltschindeldach hatte vorn und an den Seiten einen Überhang von je fünf Fuß. Die Wände nach Süden, Westen und Osten verfügten über jeweils ein Fenster. Diese waren mit schlichten Rahmenkreuzen aus Holz ausgestattet und ließen sich nach innen öffnen. Verlotterte Vorhänge aus rotem Sackleinen hingen an den Scheiben auf der Süd- und Ostseite.
Draußen stand eine Schubkarre – nicht mehr die neuste – neben einem Stapel Holz an der Westwand. Ein einfacher Coleman-Grill, wie man ihn auf Tausenden Terrassen fand, lehnte an den Scheiten. Über der Ostseite des Hüttendachs ragte jene gigantische Espe auf, die ihr Geäst in alle Richtungen ausstreckte. Sie war einer der beeindruckendsten Bäume, die Matt je gesehen hatte, und das wollte etwas heißen. Ihre Rinde war glatt und glanzlos weiß; die Blätter sahen aus wie übergroße Silberdollars. An zugigen Tagen schüttelte der Wind sie, sodass es klackte wie ein Glockenspiel aus Balsaholz.
Hinter der Hütte erstreckte sich nach Norden die weitläufige Plantage. An den Bäumen reiften keine süßen Äpfel mehr, sondern garstig herbe Winzlinge, bei deren Verzehr sich die Mundschleimhäute zusammenzogen. Am Ende dieses Feldes schloss der umgebende Wald an. Der Apfelgarten flankierte auch die Westseite des Gebäudes, doch dort verlief er sich auf offenem, höher gelegenem Gelände. Ein kurzer Pfad führte von der Hütte aus den Hügel hinauf zum höchsten Punkt des Grundstücks. Eine kleine Balustrade aus Holz markierte die Kuppe; nichts weiter als zwei Pfosten mit einem Querbalken dazwischen. Er stand symbolisch dafür, dass das Gut vor langer Zeit ein Hof mit Apfelplantage gewesen war. Seinerzeit hatte man Tiere daran festgebunden, doch jetzt nutzte man ihn als Ablage für Zigaretten und Feuerzeuge, stellte Bier und Whiskeyflaschen darauf. Neben der Balustrade, vertieft in rußschwarzem Boden, befand sich eine Feuerstelle. Die Aussicht von dort zählte zu den schönsten auf der gesamten oberen Halbinsel, und das war keine Übertreibung.
Der Mittlere Westen war nicht bekannt für malerische Landschaftsbilder, doch dies stellte eine Ausnahme dar. Jeder, der sich hier zum ersten Mal umschaute, schien in Trance zu fallen. Von diesem Fluchtpunkt aus konnte man nach Süden meilenweit über nahtlosen Wald hinwegsehen. Er setzte sich fort, bis er gegen die jahrtausendealten Hurons stieß, als stauche jemand einen kräftig grünen Teppich zusammen. Die Bergzüge – ein Buckel aus durchbrochenem Granit wie ein schlafender Riese – prägte den Horizont.
Westlich des höchsten Punktes flachte die Plantage ins Tiefland ab, wo schließlich Twenty Mile Bog lag, einer der am schwersten zugänglichen Bereiche der Northwoods. Die Bäume tief in dem Moor hatten noch nie eine Axt gespürt. Aus ihm drangen seit je eigenartige Geräusche. Man konnte Elche und Bären hören, wenn sie schnaubten und Zweige brachen; Fischmarder huschten durch die Sümpfe, indem sie totes Laub zu ihren Waldstraßen machten; Rotluchse beanspruchten die Plantage und den Rand des Moors als Jagdgründe, wo sie oftmals den zahlreichen Raufußhühnern nachstellten, die sich üblicherweise im hohen Gras versteckten. Der seltene Habicht nistete hoch oben in älteren Sumpfbäumen und jagte an den Grenzen des Apfelgartens, wo er Hasen und auch die Hühner aus dem Hinterhalt überraschte.
Dichte Vegetation umgab die zehn Morgen der Plantage von allen Seiten. Die