Herzblut. Michaela Neumann

Herzblut - Michaela Neumann


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nickte und ging mit Dexter zu ihrem Wagen. Der Kies knirschte unter den Reifen des Wagens, als sie die Ausfahrt hinausfuhr.

      »Was ist denn Morgen um acht Uhr?«, fragte James skeptisch.

      »Ich hab Sie auf eine Tasse Tee eingeladen.«

      »Wozu?«

      »Nur so. Außerdem – musst du denn alles wissen?«

      »Ja, muss ich. Lass die Finger von Hope.«

      Logan hob verteidigend die Hände. »Keine Sorge. Ich möchte gerne den alten Fall durchgehen. O’Reilly hat eine völlig andere Sichtweise als wir es haben. Vielleicht kommt ja dabei etwas heraus.«

      »Aha. Nichts weiter?«

      »Bruderehrenwort.« Logan kreuzte die Finger vor der Brust.

      James zog die Augenbrauen hoch. »Vergiss nicht, ich bin hier der Boss.«

      Logan nickte und James war sich bewusst, dass sein Bruder das Versprechen nicht halten würde.

      Drei

      Hope fuhr nicht nach Hause. Sie fuhr geradewegs zu Zoe. Ihre Laune war so mies, dass sie jetzt nichts mehr zu verlieren hatte. Die perfekte Stimmung für ein klärendes Gespräch, denn so konnte es nicht weitergehen. Sie stellte ihren Alfa vor Zoes Haus ab. Doch dann kamen die Zweifel. Ob es eine gute Idee war? Sie blieb einen Moment sitzen und dachte über die Konsequenzen nach. Um sich voll und ganz auf den aktuellen Fall konzentrieren zu können, durfte sie sich nicht von anderen Dingen in ihrem Privatleben abgelenken lassen und darum beschloss die Sache mit Zoe anzugehen. Sie klopfte an der Tür.

      »Ist er da?«, fragte Hope, als Zoe ihre Haustüre öffnete. Obwohl öffnen in dem Fall übertrieben war – Zoe war hinter dem kleinen Spalt zwischen Tür und Angel nur zu erahnen.

      »Ja, ist er«, flüsterte Zoe.

      Hope drückte die Tür auf und schob Zoe dadurch zur Seite. Tom saß entspannt auf dem Sofa und starrte in die Glotze. Als er Hope in die Augen schaute, sah er weder erfreut noch verärgert aus.

      »Guten Abend, die Dame. Was verschafft uns die Ehre?«

      Allein der Anblick dieses selbstgefälligen Grinsens machte Hope so unglaublich wütend. »Spar dir das, Tom. Ich bin hier, um mit Zoe zu sprechen. Und ich möchte allein mir ihr sprechen.«

      »Tu dir keinen Zwang an.«

      Er musste sich über Anschuldigungen von Zoe keine Sorgen machen, er hatte sie unter Kontrolle. Man sah es ihr an, denn sie wich seinem Blick aus.

      Hope führte Zoe in die Küche. Sie hörte, dass Tom den Fernseher leiser machte, damit er etwas vom Gesagten mithören konnte. Zumindest schätzte sie ihn so ein. Deshalb schloss Hope die Tür.

      »Hast du Angst, er könnte uns hören?«, fragte Hope.

      »Was? Nein, das passt schon.« Klang nicht sehr überzeugend.

      »Mach das Radio an.«

      Zoe tat, wie ihr geheißen und drehte am Lautstärkenregler. It’s my life von Bon Jovi strömte aus den Boxen. Wie passend.

      »Wie lange läuft das schon?«, wollte Hope wissen.

      »Was meinst du?«

      »Ich weiß, ich habe dir versprochen, mich nicht einzumischen. Aber das ist eine Ausnahmesituation. So wie du dich Tom gegenüber verhältst, geht das schon viel zu lange. Er manipuliert dich und hat dich im Griff. Also sag mir, wie lange schon?«

      Zoe schien all ihren Mut zusammenzunehmen, der ihr noch übrig geblieben war und holte tief Luft.

      »Seit ungefähr einem Jahr.«

      Hope starrte sie an. Ein Jahr war eine Ewigkeit in dieser Situation, aber man konnte immer noch entkommen. Sie nahm Zoes Hand, schloss die Augen und senkte den Kopf. Warum war ihr das nicht früher aufgefallen? Dass die beiden häufig stritten, war klar, aber um Gewalt ging es noch nie. Zoe hatte auch nie den Anschein gemacht, als wäre es mehr als nur ein Ehestreit. Es wäre falsch, ihr jetzt Vorwürfe darüber zu machen, dass sie nicht schon viel früher etwas gesagt hatte. Aber das war die traurige Normalität einer gewalttätigen Beziehung. Zuerst kamen immer die Verleugnung und die Hoffnung auf bessere Zeiten; dass alles wieder so werden würde wie früher. Man klammerte sich an die Momente, in denen der Partner liebevoll war, so wie er war, als man sich in ihn verliebte.

      »Klingt schlimm, ich weiß. Aber es ist nicht immer so. Nur wenn ich ihn verärgere.«

      »Das ist eine blöde Ausrede, die er nutzt, um sein Verhalten zu verteidigen. Bitte lass dir nicht einreden, es sei deine Schuld. Es ist ganz und gar nicht deine Schuld. Ich kann dir nicht helfen, wenn du nicht willst und du kannst dich aus dieser Situation nur selbst befreien. Ich will dich nicht dazu drängen, ihn zu verlassen, doch wenn du bleibst, wird es nicht besser werden – sondern nur schlimmer. Aber egal, wie du dich entscheidest, ich stehe hinter dir.«

      Hope hatte schon mit einigen Frauen zu tun, die in einer gewalttätigen Beziehung lebten. Doch wenn es der besten Freundin passierte, war das ein ganz anderer Fall.

      »Ich möchte ihn nicht verlassen, Hope. Ich liebe ihn immer noch.«

      »Das verstehe ich, aber das kann so nicht weitergehen.«

      »Vielleicht hilft uns eine Paartherapie«, sagte Zoe.

      »Da wird Tom nie und nimmer mitmachen. Sollte ein Wunder geschehen und Tom sich doch darauf einlassen, dann stelle ich gerne einen Kontakt her.«

      Zoe nickte und verschränkte die Arme.

      »Versprichst du mir, dass du mir alles erzählen wirst?« Hope streckte ihr den ausgestreckten kleinen Finger hin.

      Zoe hakte ihren ein. »Versprochen.«

      In diesem Moment platzte Tom in die Küche. Er ging zum Kühlschrank und holte sich ein Bier. »Na, hat sich meine liebe Frau bei dir ausgekotzt?« Er kicherte übertrieben gut gelaunt.

      Hopes Geduldsfaden riss schneller als sonst, und der ganze Frust, der sich den Tag über aufgestaut hatte, drohte aus ihr auszubrechen. Doch sie nahm sich zusammen und ging gedanklich ihr Mantra durch. Das ist es nicht wert, er ist es nicht wert, der Stress ist es nicht wert.

      Also schlug sie einen sanfteren Ton an, als gewollt. »Siehst du nicht, dass sich deine Frau schlecht fühlt?«

      »Was hast du denn? Sie sieht doch toll aus«, sagte er, stellte sich neben Zoe und berührte ihren Arm.

      »Ich habe ihr gerade erzählt, dass ich mit dem Gedanken spiele, zu einer Paartherapie mit dir zu gehen. Dann können wir vielleicht unsere Unstimmigkeiten aus der Welt schaffen. Natürlich nur, wenn du willst.«

      Tom ließ Hope nicht aus den Augen. »Für dich tue ich alles mein Liebling, das weißt du.«

      Bevor Hope doch noch der Geduldfaden riss, verabschiedete sie sich und verließ das Haus.

      Hope öffnete die Fahrertür und steig ein. Schweigend saß sie ein paar Minuten im Auto und dachte nach. Sie war viel zu emotional für Zoes Situation und den Fall; Sie musste sich dringend wieder unter Kontrolle bringen.

      Hope atmete tief durch, dann startete sie den Motor und gab Gas.

      Vier

      Logan glich noch einmal die Adresse mit der in Hopes Nachricht ab. Er solle sich beim Portier anmelden und sie vor der Wohnung abholen. Es war zwanzig vor acht – er war viel zu früh dran –, dabei war er eigentlich der Typ, der grundsätzlich zu spät kam. Vielleicht lag es an der Nervosität. Was eigentlich auch gar nicht sein Ding war.

      Logan entschloss sich trotzdem dazu in die Lobby des Apartment-Komplexes zu gehen. Die Eingangshalle war einladend dekoriert. Man traute sich kaum, mit dreckigen Schuhen auf den weißen Hochglanzfliesen zu trampeln. Die Wände waren in Schwarz vertäfelt.


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