Herzblut. Michaela Neumann

Herzblut - Michaela Neumann


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braucht. Er wird nicht richtig verstanden und die Vorurteile über seine Person werden stark vertreten. Anschließend habe ich ihm von der gefundenen Leiche berichtet. Danach habe ich die Beweise erwähnt. Habe ihm von den Initialen und seiner DNA erzählt. Als ich ihm meine Theorien erläuterte, wurde er wütend und hat auf den Tisch geschlagen. Den Rest kennen Sie ja.«

      »Was denken Sie? Hat er etwas damit zu tun?«

      »Er hatte keinen Grund dazu, wieder zu morden. Wie er schon sagte, seine Mission seine Tochter zu rächen ist zu Ende. Und ich glaube ihm.«

      Logan nickte verständnisvoll. Vorsichtich legte er seine Hand auf die ihre und drückte sie sanft.

      »Darf ich Sie morgen auf einen Kaffee einladen? Ich würde gerne den Fall aus Ihrer Sicht betrachten.«

      Der abrupte Wechsel brachte sie zum Schmunzeln. »Vielen Dank, aber ich trinke keinen Kaffee.«

      Hope bemerkte, dass ihm die Worte fehlten und schritt ein. »Ich trinke keinen Kaffee, aber Sie dürfen mich gerne auf eine Tasse Tee einladen.« Sie zwinkerte ihm frech zu.

      Logan starrte sie verwirrt an und Hope gab ihm einen Klaps gegen die Brust.

      »Sie hätten Ihren Blick sehen müssen. Der wird mir den ganzen Tag versüßen. Sie Macho.«

      Sie ging zurück zur Klinik, Dexter wie immer an ihrer Seite, drehte sich einmal um und sagte: »Kommen Sie? Ich möchte den Klinikleiter Dr. Green in seinem Büro sprechen.«

      Logan schien immer noch perplex, schüttelte den Kopf, tat es dem Hund gleich und lief ihr hinterher.

      *

      Das Büro des Klinikleiters befand sich im Erdgeschoss des rechten Flügels. Es passte ganz und gar nicht in das Gesamtbild der Klinik. Dieser Raum unterschied sich von den anderen Teilen der Klinik, da hier deutlich mehr Geld investiert worden war. Das Interieur war aus massiven Nussbaum. Es bestand aus einem langen Sekretär, welcher mit Gold verziert war. Davor standen Ledersessel wie in den Patientenzimmern, nur waren diese nicht abgenutzt, sondern schienen nagelneu zu sein. Ein schwarzer, opulenter Bürostuhl drohte, den Klinikleiter zu verschlingen. Bücherregale reichten bis zur Decke und kolossale Aktenschränke ließen den Raum düster und finster wirken. Ein typischer Büro-Ficus Benjamina stand kurz vor dem Verwelken und versuchte mit aller Kraft die letzten Sonnenstrahlen an diesem Tag einzusaugen. Green deutete den Ermittlern, Platz zu nehmen. Da es nur zwei Sitzgelegenheiten gab, verzog sich Logan in den Hintergrund und musterte die unzähligen Bücher. Die meisten hatten lateinische Titel.

      »Mir ist zu Ohren gekommen, dass das Gespräch mit unserem Patienten nicht gut verlaufen ist.«

      »Es war lediglich ein emotionaler Ausbruch«, versuchte Hope Boyed zu verteidigen.

      »Da bin ich Ihrer Meinung. Trotzdem muss ich Dr. Harson in ihrer Entscheidung unterstützen und Ihnen den weiteren Zugang zu unserem Patienten verwehren. Jeglicher Stress während der Stabilisierungsphase verzögert die Heilung und wirft den Prozess Monate zurück. Das verstehen Sie sicher.«

      »Er zählt zu den Verdächtigen«, mischte sich James in das Gespräch ein. »Sie können uns nicht verbieten mit ihm zu sprechen.«

      »Nun, das kann ich sehr wohl, wenn es die Gesundheit eines Patienten gefährdet. Von jetzt an werden Sie nur noch mit Dr. Harson in Kontakt treten. Mr. Boyed braucht eine erfahrene Psychologin. Jemand, der etwas vom Fach versteht. Eben jemand wie Dr. Harson«, sagte Green und dabei lächelte er Hope an.

      James musterte Hope genau. Ihrem Blick nach zu urteilen, ging sie innerlich gerade ihr Entspannungsmantra durch. Sie ließ sich von Green sicher nicht provozieren, so gut kannte er sie bereits. Doch er dachte, dass Green mit den Sticheleien nicht aufhören würde, solange Hope anwesend war.

      »Am besten, du wartest draußen, Hope.«

      Hope tat wie ihr geheißen und verließ zusammen mit Logan den Raum.

      »Zurück zum Thema. Können Sie sich vorstellen, wie und ob Boyed es überhaupt geschafft haben könnte, hier unbemerkt auszubrechen? Könnte ihm jemand geholfen haben?«

      »Möchten Sie uns etwa unterstellen, unsere Einrichtung wäre nicht ausbruchssicher oder jemand der Angestellten gar bestechlich?«

      »Wir müssen jede Möglichkeit in Betracht ziehen.«

      »Ich vertraue unserem Personal voll und ganz. Die Angestellten werden von Kopf bis Fuß überprüf, bevor sie eingestellt werden. Sie können also davon ausgehen, dass hier alles mit rechten Dingen zugeht.«

      »Davon gehe ich aus – schließlich befinden sich einige der gefährlichsten Männer des Landes in Ihrer Obhut. Und daher brauche ich Ihre volle Unterstützung in diesem Fall. Haben Sie irgendeinen Verdacht, wer es mit den Regeln nicht so eng sieht?«

      Green schaute James abfällig an, jedoch schien er zumindest über die Frage nachzudenken. »Es gibt einen Mitarbeiter, der ab und zu seine Pausenzeiten nicht einträgt«, sagte er schließlich.

      »Haben Sie ihn schon einmal darauf angesprochen?«

      »Sicher. Er meint, er vergisst es einfach«, gab er knapp zurück.

      Immer das Gleiche, dachte James. Bei Unterstellungen waren sie schnell, doch wenn die Herrschaften etwas preisgeben sollten, was ihre Verantwortung betraf, musste man es ihnen aus der Nase ziehen.

      »Bitte bereiten Sie eine Liste aller Mitarbeiter vor und markieren Sie diejenigen, mit denen es Problemen gab. Legen Sie noch die Zeiterfassung der Zugangskarten der Angestellten bei.«

      »Ich werde meiner Sekretärin Bescheid geben.« Er machte sich nebenbei Notizen.

      »Wir brauchen auch die Überwachungsbänder.«

      Auf einmal wirkte Green nervös. »Das … das geht nicht. Wir garantieren jedem unserer Angestellten und Patienten, die Privatsphäre zu achten. Das ist unser höchstes Gebot.« Er versteckte die Hände unter dem Schreibtisch.

      »Haben Sie etwas zu verbergen, Dr. Green?«

      Green ging nicht auf seine Fragen ein. »Sie dürfen das Videomaterial nur mit einem Durchsuchungsbeschluss einsehen«, sagte er stattdessen.

      »Dessen bin ich mir durchaus bewusst. Ich hatte nur auf Ihre Zusammenarbeit gehofft, ohne zu einem Richter gehen zu müssen, um ihm mitzuteilen, dass sie nicht kooperieren.«

      Green zögerte und überlegte. Er ließ sich Zeit. Zu viel Zeit. Als würde er ernsthaft einen Fluchtversuch in Betracht ziehen. Widerwillig stand er auf, ging zu einem Bücherregal und öffnete einen Schrank, der sich hinter dem Regal befand. Dort waren unzählige Festplatten und CDs gestapelt. Dies waren Kopien der Überwachungsbänder von mindestens einem Jahr. Green musste nicht lange nach der CD suchen, da es die erste war, die auf dem Stapel lag und mit dem Datum der letzten Woche versehen war. Mit gestraften Schultern überreichte er James das Überwachungsband.

      »Die Videos sind in verschiedenen Ordnern sortiert. Sie sollten also gleich den richtigen finden und müssen nicht das gesamte Material durchsuchen.

      »Das ist reine Routine, das machen wir sowieso. Vielen Dank für Ihre Kooperation«, gab James lächelnd zurück.

      James stand auf und verließ den Raum. Vor dem Gebäude wartete Hope bereits auf ihn. Sie kam ihm entgegen und sagte: »Ich hoffe, du hast ihn schwitzen lassen.«

      »Natürlich. Green ist ein sexistisches Arschloch. Er will sich groß aufspielen. Das hat nichts mit deiner Arbeit zu tun.«

      Hope verzog ihren Mund zu einem frechen Lächeln. James würde immer hinter ihr stehen und sie verteidigen, denn er wusste, dass sie die Beste in ihrem Job war. Dexter schmiegte sich an sein Bein und wurde mit einem sanften Ohrenkraulen belohnt.

      »Höchstwahrscheinlich werden wir etwas Heikles auf den Überwachungsbändern finden. Mein Gefühl sagt mir, es wird seiner Karriere sehr schaden.«

      Hope lächelte James dankbar an. »Schick mir bitte alle Daten auf den Laptop. Dann kann ich es in Ruhe zu Hause durchgehen.« Sie wandte


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