Privatdetektiv Joe Barry - Das Erbe des Teufels. Joe Barry

Privatdetektiv Joe Barry - Das Erbe des Teufels - Joe Barry


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will darüber nachdenken“, sagte Hymnie ruhig. „Jedenfalls danke ich für den Tip.“

      Sie gingen. Joe stellte sich ans Fenster und beobachtete, wie Hymnie unten in einen schwarzen Chrysler, Modell 63, kletterte. Gleich darauf rollte das Schlachtschiff durch die Gun Hill Road davon.

      Joe blieb noch einen Augenblick am Fenster stehen und sah dem Wagen nach. Seine grauen Augen zeigten einen nachdenklichen Ausdruck. Er spürte, daß dieser Besuch Folgen haben würde.

      Barry hatte eigentlich vorgehabt, an diesem Vormittag nach Newark zu fahren, um einen Klienten zu besuchen. Aber das verschob er. Statt dessen fuhr er ins Police Headquarter nach Manhattan.

      Der Paternoster brachte ihn in die vierte Etage des altertümlichen Gebäudes. Ohne Anklopfen öffnete er die Tür mit der Aufschrift „Mordkommission“.

      Lieutenant Antony Starr, Barrys bester Freund seit der Steinzeit, saß hinter seinem Schreibtisch. Er kniff die Augen zusammen, als er Joe sah.

      „Bring mir bloß keine Leiche!“ brummte er. „Du hast so einen Gesichtsausdruck …“

      Joe ließ sich in den Besuchersessel fallen.

      „Davon ist keine Rede“, versicherte er. „Ich habe eine ganz harmlose Frage an dich: Ist dir ein Mann namens Hymnie A. Hevwood schon untergekommen?“

      Der Captain auf der Unfehlbarkeitsseife des Schreibtisches spitzte die Ohren.

      „Hymnie – aber sicher. Du willst mir doch nicht einreden, du hättest noch nie von ihm gehört?“

      „Das nicht. Ich wollte mich nur mal aus erster Hand informieren, was an dem Burschen alles dran ist.“

      „Erzähl schon, was ist passiert?“ Tom holte die Whiskyflasche aus dem Aktenschrank. Gespannt hörte er zu, während Joe ihm Bericht erstattete.

      Tom machte ein zweifelndes Gesicht.

      „Unmöglich ist ďas nicht. Übrigens bin ich nicht unvorbereitet.“ Er tippte auf einen dünnen Schnellhefter, der vor ihm auf dem Tisch lag. „Das da ist ein Bericht, den uns die FBI-Zentrale von Dallas gestern zugeschickt hat. Darin macht man uns auf Hymnie aufmerksam. Normalerweise lebt er nämlich in Texas. Warum er jetzt nach New York gekommen ist, weiß keiner. Das FBI hielt diese Tatsache immerhin für so bemerkenswert, daß es uns davon unterrichtete.“

      „Ich weiß nicht, worauf Hymnie hinauswill“, schloß Barry. „Irgendwo ist da ein Haken. Der Kerl kann doch nicht im Ernst geglaubt haben, ich würde für ihn arbeiten.“

      „Erwähnt das FBI auch jemanden namens Bayard Swope?“

      Tom schüttelte den Kopf.

      „No, das scheint eine reine Untergrundtype zu sein. Ich habe den Namen noch nie gehört.“

      „Ich auch nicht. Möglicherweise existiert er gar nicht.“

      „Wer weiß? Jedenfalls werden wir uns den Namen merken.“

      Joe öffnete die Flasche. Es war ein alter Bourbon, die Marke, die Antony Starr nur mit Freunden trank.

      „Nun mal los!“ sagte Joe. „Warum ist das FBI so besorgt um Hymnie?“

      „Weil man immer noch hofft, ihm eines Tages etwas nachweisen zu können. Hymnie gehört noch zu der alten Garde, die während der Prohibition groß geworden ist. Aber er war raffinierter als die anderen. Al Capone wurde geschnappt, Lucky Luciano ausgewiesen, nur Hymnie kam ungeschoren durch. Dabei weiß man ziemlich genau, was er auf dem Kerbholz hat.“

      „Gibt es da irgendeine Spezialität?“

      „Yeah, Unfälle!“

      „Unfälle?“

      „Hymnie hat eine Menge Leute auf dem Gewissen. Aber er stellte es raffiniert an. Ein anderer sorgte vielleicht nur für sich persönlich, indem er sich ein Alibi verschaffte oder etwas Ähnliches. Hymnie ging von einem anderen Gedanken aus: Er sagte sich, es darf erst gar nicht zu einem Prozeß kommen. Er verhinderte, daß man einen Mord als solchen überhaupt nachweisen konnte. Alle seine Gegner verunglückten eines Tages. Kein Mensch glaubte je an Unfall, aber das allein reichte nicht zu einem Prozeß.“

      „Hymnie scheint keine gute Meinung von den Geschworenengerichten unseres Landes gehabt zu haben.“

      „Dazu hatte er allen Grund. Wenn es nur einmal gelungen wäre, ihn vor Gericht zu schleifen, dann wäre er bestimmt verurteilt worden. Notfalls auf Grund von Gefühlsmomenten, wobei diese Gefühle gar nicht falsch gewesen wären. Dieses Risiko hat er stets vermieden.“

      Joe dachte einen Augenblick nach.

      „Er hat mir erzählt, er habe sich seit zehn Jahren zur Ruhe gesetzt.“

      „Stimmt, das erwähnte das FBI auch. Zehn Jahre hat er sein Haus in Texas kaum verlassen. Deshalb erregte diese Reise nach New York ein solches Aufsehen.“

      Es summte, und dann knackte es im Sprechgerät.

      „Captain“, sagte die Stimme von Leutnant Myers, „da ruft einer an und verlangt Barry. Ist Joe da?“

      „Geben Sie’s nur durch, Ron“, sagte Tom. Er reichte Joe den Hörer und grinste.

      „Ich wette zwei zu eins, das ist Hymnie.“

      „Mr. Barry“, tönte es, „ich vermute, Ihr Freund Rowland kann Ihnen nicht alle Fragen, die Sie ihm hinsichtlich meiner Person stellen, beantworten. Deshalb schlage ich Ihnen vor, daß Sie direkt zu mir kommen. Ich bin im Marberry, habe einen erstklassigen Whisky da und kann Ihnen jede gewünschte Auskunft geben.“

      „Haben Sie Schokoladeplätzchen?“ erkundigte sich Joe.

      „Schokoladeplätzchen? Äh – hein!“

      „Dann komme ich nicht.“

      „Seien Sie nicht so bockig, Barry. Sie sind doch nicht die Garbo.“ Pause. Joe hatte das sichere Gefühl, daß Hymnie jetzt grinste. Vermutlich hatte er sich in der Zwischenzeit etwas ausgedacht.

      „Sind Sie noch da?“ fragte Hymnie.

      „Nur zu, ich lausche!“

      „Also passen Sie auf. Ich erhöhe mein Angebot auf tausend täglich. Das ist mehr, als der Präsident der Vereinigten Staaten verdient.“

      „Abgelehnt, Hymnie.“

      „Sehr dumm von Ihnen, Barry. Wenn Sie schon für mich arbeiten, sollten Sie auch mein Geld nehmen.“

      „Ich denke nicht daran, für Sie zu arbeiten. Schlagen Sie sich das aus dem Kopf.“

      „Irrtum. Sie werden für mich arbeiten. Wollen Sie wissen, warum? – Ich erfahre soeben, daß Bayard Swope mit seinen Leuten hier aufgetaucht ist. Demnächst wird das New Yorker Klima sehr ungemütlich werden.“

      „Was geht mich das an?“

      „Mehr als Sie denken. Ich habe mir die Freiheit genommen, ein paar alten Bekannten zu erzählen, Sie hätten meinen Schutz übernommen. Die Geschichte ist schon am ganzen Broadway herum. Hoffentlich haben Sie nichts dagegen. Es könnte nämlich passieren, daß die Story Bayard Swope zu Ohren kommt und dann. Hallo, hören Sie noch?“

      „Schon gut, Hymnie Sie halten sich wohl für einen ganz Schlauen?“

      „Das bin ich auch. Also, Barry, das wollte ich Ihnen gesagt haben. Falls Sie noch irgendwelche Fragen haben, kommen Sie nur ins Marberry. Ich bin zu jeder Tages- und Nachtzeit für Sie zu sprechen. Ergebenster Diener, lieber Barry! Sagen Sie dem Captain hello von mir.“

      Es knackte. Er hatte aufgelegt.

      Joe sah Tom an.

      „Man erlebt doch immer wieder Zeitgenossen, die den Begriff Unverschämtheit weit ausdehnen.“

      „Ich weiß nicht recht.“ Tom rieb sich das Kinn. „Da steckt ein Trick dahinter. Aber ich kann ihn noch nicht erkennen. Worauf will der Kerl


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