Privatdetektiv Joe Barry - Das Erbe des Teufels. Joe Barry

Privatdetektiv Joe Barry - Das Erbe des Teufels - Joe Barry


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Leutnant Myers abgelenkt.

      „Chef“, sagte der Leutnant, „Sie sollten sich mal die Mordwaffe ansehen. Ist ein ganz eigenartiger Dolch.“

      Die Männer gingen wieder zu dem Ermordeten. Die Tragbahre stand schon bereit.

      „Sehen Sie sich das an!“ sagte Myers.

      „Ja, ein Dolch; genau gesagt, ein Finnendolch. Was ist schon Besonderes damit?“

      „Haben Sie ihn noch nie gesehen?“

      „Doch“, sagte Tom zögernd.

      Joe trat näher.

      „Der Dolch gehört mir“, sagte er ruhig. „Er hing in meiner Wohnung an der Wand. Da habt ihr ihn wohl gesehen. Was siehst du mich so komisch an, Leutnant?“

      „Ach, nur so“, sagte der Leutnant verlegen. „Ist nur merkwürdig. Bei jedem anderen wäre es sehr komisch. Es hat ja keiner gesehen, daß da ein Messerwerfer war. Zehn Meter sind auch eine ganze schöne Entfernung. Und dann stellt sich heraus, daß der Dolch dir gehört! Du verstehst, was ich meine?“

      Tom sah Joe aufmerksam an. „Nun?“ fragte er.

      „Ist doch ganz einfach“, sagte Joe. „Der Dolch hing bei mir an der Wand. Heute früh, als Hymnie zusammen mit dem Chauffeur bei mir war, wurde er mir gestohlen. Während ich mich mit Hymnie unterhielt, lief der Chauffeur durch die Wohnung und faßte alles an. Vermutlich hat er dabei den Dolch eingesteckt. Ich habe nicht darauf geachtet.“

      „Da sieht man’s wieder: „Unrecht Gut gedeihet nicht!“ sagte Myers erleichtert. „Ich bin beruhigt, daß es so war. Hätte doch sonst sehr komisch ausgesehen. Wäre zwar auf Notwehr hinausgelaufen, aber immerhin …“

      „Leutnant Myers“, sagte der Captain scharf, „Sie sollten Privatdetektiv Joe Barry allmählich kennen. Wenn Barry sagt, der Dolch wurde ihm gestohlen, ist das auch so. Übrigens können Sie dafür sorgen, daß die Presse nichts erfährt.“

      Joe schüttelte sich eine Chesterfield aus der Packung.

      „Warum die Aufregung?“ sagte er. „Ich finde diese Sache sehr aufschlußreich. Man kann darüber denken, wie man will. Man kann jede Theorie aufstellen, und jede Theorie wird passen.“

      „Theorien – was ist das schon? Über Hymnie werden seit dreißig Jahren Theorien aufgestellt. Wir brauchen etwas Besseres.“

      „Tatsachen“, brummte Joe. „Beweise, handfest wie ein Henkerstrick.“

      „Und eine kugelsichere Weste“, fügte Myers grinsend hinzu.

      Das Gesicht des Captains blieb düster.

      „Hymnie ist ein harter Brocken. Hoffentlich verschlucken wir uns nicht an ihm.“

      Sie machten Platz. Die Bahre mit dem toten Chauffeur wurde an ihnen vorbeigetragen. Die Männer sahen ihr nach. Man hatte eine Decke über die Leiche gelegt, aber eine Hand hing seitwärts heraus. Eine Hand mit verkrampften Fingern, so, wie sie sich zuletzt in Barrys Schulter gekrallt hatte. Sie wirkte wie eine Anklage.

      Der nächste Schritt wurde den Kriminalisten automatisch vorgezeichnet. Sie mußten sich Hymnie vornehmen. Ganz offiziell.

      Keiner versprach sich etwas davon.

      [4]

      Hymnie A. Heywood, der Mann mit dem Unfehlbarkeitsruf, saß mit geistesabwesendem Gesichtsansdruck in einem Chippendalesessel. Sein Appartement im Marberry war das feudalste in diesem Luxushotel; eine Dreizimmersuite mit Dachgarten und Blick auf den East River.

      Der Ausdruck geistesabwesender Isolation täuschte. Hymnie dachte scharf nach.

      Er zog das niedrige Tischchen mit dem silbernen Sektkühler zu sich heran. Ohne hinzusehen, nahm er eine Flasche Veuve Cliquot aus dem Eis und drückte den Stöpsel mit dem Daumen heraus. Der Champagner fiel in schweres Bleikristall.

      Langsam führte er das Glas an die Lippen. Mitten in der Bewegung unterbrach ihn das Schnarren der Sprechanlage.

      „Mr. Heywood?“ quäkte es aus dem Lautsprecher.

      „Was dachten Sie? Der Schah von Persien?“

      Die Stimme im Lautsprecher blieb ungerührt. Der Portier des Marberry hatte in seinem Leben schon exzentrischere Kunden bedient.

      „Miß Cynthia Capra ist da. Sie sagt, sie würde erwartet.“

      „Geht in Ordnung.“

      Hymnie blieb träge sitzen. Nur die Krawatte, die er gelockert hatte, zog er fest.

      Zwei Minuten später öffnete sich die Vordertür.

      Das Mädchen hätte gut ein Titelbild für „Vogue“ abgegeben. Sie war sehr schlank und nur da mit netten Rundungen versehen, wo sie hingehörten. Zu ihrem schlichten blauen Kostüm, das selbst auf der Fifth Avenue Aufsehen erregen mochte, trug sie blondes Haar. Es wurde durch ein Samtband zusammengehalten. Bei neunundneunzig von hundert Frauen hätte das nach nichts ausgesehen. Bei einer nicht. Hier war sie.

      „Nun?“ fragte Hymnie.

      „Ich habe die Adresse.“

      Sie setzte sich ihm gegenüber und streifte die hellen Wildlederhandschuhe ab.

      „Wo?“ erkundigte sich Hymnie.

      Sie nahm einen Zettel aus der Krokodiltasche und warf einen Blick darauf.

      „Ambrose Hotel, 74 East, 256 Bendix Street. Ich glaube nicht, daß es ein gutes Hotel ist.“

      Ihre Stimme klang voll wie ein Toscanini-Orehester.

      Hymnie nickte teilnahmslos.

      „Gut gemacht, Cindy. War’s schwer?“

      „Es war leicht. Ich verstehe nicht, warum du es nicht selbst gemacht hast.“

      Er lachte ironisch.

      „Ich habe in meinem Leben immer nur die schweren Dinge erledigt. Für die einfachen hatte ich meine Leute.“

      Sie verzog den Mund; er beeilte sich hinzuzufügen: „Heute ist das anders. Heute sind mir die Hände gebunden. Der große Hymnie ist nur noch eine Legende, Ich habe zwar ’ne Menge Geld, aber ich kann mir nicht mal unkontrolliert die Zähne putzen. Jeder Tellerwäscher ist besser dran als ich.“

      Er stand auf und trat ans Fenster.

      „Komm her, Darling, ich will dir was zeigen. – Siehst du den grauen Chevrolet da unten?“

      Sie trat zu ihm.

      „Der Wagen ist mir vorhin gefolgt.“

      „Glaubst du, daß sie wissen, worauf es dir ankam?“

      „Nein. Ich habe mich genau an deine Anweisungen gehalten.“

      Er stülpte nachdenklich die Unterlippe vor.

      „Die sind auch wirklich nicht gefährlich. Das ist das FBI. Seit zehn Jahren belauern sie mich. Sie hoffen, mir mal etwas nachzuweisen. Du glaubst gar nicht, wieviel Dienststunden allein mit meiner Bewachung vertrödelt worden sind.“

      Wenn Hymnie sprach, konnte man den Aufstieg des Mannes begreifen, der als abgerissener Bursche mit einem Nickel in der Tasche begonnen hatte, der so lange getreten wurde, bis er zurücktrat. Und der es dann nicht mehr lassen konnte.

      „Woher Weißt du, daß es FBI-Leute sind?“ fragte Cindy.

      „Erfahrung“, sagte er. „Kriminalbeamte tragen alle eine Uniform. Ich meine nicht die Trenchcoats und die Schlapphüte, auch nicht die unauffälligen grauen Limousinen. Ich meine den Gesichtsausdruck. – Hast du schon mal einen Bluthund gesehen, der eine Spur verfolgt? Ich schon. Als junger Bursche war ich mal unten in Georgia. Dort züchten sie solche Hunde. Da habe ich den Ausdruck gesehen. Genauso sehen sie aus.“

      „Deine Erfahrungen habe ich leider nicht“, bemerkte


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