Crossover. Fred Ink
Trick, den er schon in jungen Jahren gelernt hatte.
Das Ding klang wie ein monströser Hund. Und gleichzeitig nach so viel mehr. Bilder blitzten vor Harald auf, und im Gegensatz zu seiner Umgebung sah er sie gestochen scharf: Pelz. Schuppen. Zähne. Gezackte Mundwerkzeuge. Hörner. Antennen. Klauen und Giftdrüsen. Borsten. Gierige, rote Augen.
Das Wesen mochte sämtliche dieser Merkmale in sich vereinen oder keines davon. Klar war nur, dass es nicht stimmte. Genau wie alles hier.
Im nächsten Moment erzitterte die Wand in Haralds Rücken, als etwas Kolossales sich dagegen warf. Die Überreste der Fensterscheibe rieselten auf ihn herab, etwas schob sich in die Öffnung und füllte sie aus.
Harald konnte später nicht sagen, ob er deswegen nicht aufschrie, weil er im Kern noch immer ein abgebrühter Soldat war, oder weil der Schreck ihn lähmte. Er starrte nach oben, die Arme um den hageren Körper geschlungen, die Knie zitternd.
Es war eine Art Bein. Eine Extremität, mit einem zangenförmigen Greifwerkzeug am Ende. Sie war anthrazitfarben und gepanzert. Wie die Platten einer Ritterrüstung umschloss festes Material das Ding, nur an den Gelenkstellen klafften Lücken. In diesen Spalten war helles Fleisch zu sehen, voller Schleim und durchzogen von fingerdicken, türkisfarbenen Blutgefäßen. Die Zange selbst bestand aus drei Gliedern, einem größeren und zwei kleinen. Jedes davon hätte Harald problemlos umfassen können. Und jetzt stocherten sie hinter dem Fenster herum.
Ein fürchterlicher Gestank nach Fisch und Erbrochenem senkte sich herab, während die Greifwerkzeuge krachend aufeinander schlugen und Harald sich so tief duckte, wie es ihm möglich war. Dass er sich dabei an weiteren Scherben schnitt, nahm er kaum wahr.
Zwei-, dreimal fuhr die monströse Zange dicht über ihn hinweg, während das Wesen versuchte, noch tiefer in den Raum hineinzugreifen. Es verdeckte die Fensteröffnung jetzt vollständig und verwandelte das Zimmer in ein Durcheinander entsetzlicher Schatten.
Das Schnauben steigerte sich. Zuerst zu einem Grollen, dann zu einem dröhnenden, alles durchdringenden Fauchen. Staub rieselte herab, der Boden erbebte.
Harald schloss die Augen, schlug die Hände über dem Kopf zusammen, bedeckte seine Ohren mit den Unterarmen und ließ sich zur Seite fallen. Er konnte und wollte das nicht länger miterleben. Zwischen seinen Beinen wurde es feucht.
Dann herrschte plötzlich Stille.
Licht fiel auf Haralds geschlossene Lider. Ungläubig öffnete er sie und spähte nach oben. Das Wesen war fort, er hörte seine stampfenden Schritte in der Ferne verklingen. Es hatte den Versuch eingestellt, seiner habhaft zu werden.
Fürs Erste.
»Ich weiß jetzt, wo ich bin«, stöhnte Harald. Voller Scham sah er an sich hinab.
Er war tot und alles war anders. Aber das hier war nicht der Himmel. Er hätte sich denken können, dass einem Mann wie ihm etwas anderes blühte.
Tom Meyer war mächtig angepisst.
»Was soll die Scheiße?«
Sein Schädel dröhnte wie bei ’nem Mörder-Kater, er hatte keinen Plan, wo er war, und auch sonst wusste er nicht viel. Was auch immer er eingeworfen hatte, es ballerte ihn ordentlich weg.
»Fuck.«
Er lag auf dem Boden, im Staub. Seine Billabong-Hose war verdreckt, ebenso wie der Burton-Hoodie. Von den limitierten Nikes ganz zu schweigen. Schnell stand er auf, schwankte, stützte sich an etwas ab, das wie ein völlig vergammelter Tisch aussah, und klopfte sich, so gut es ging, den Schmutz von den Klamotten.
Pilze … es mussten Pilze gewesen sein. Vermutlich wirkte der Scheiß noch immer und ließ Tom Hallus sehen. Es waren bestimmt Hallus, denn er war noch nie an so einem abgefuckten Ort gewesen. Er musste besser aufpassen, wo er sein Zeug herbekam.
Aber wo bekam er sein Zeug eigentlich her?
»Fuck, Mann.«
Er erinnerte sich an überhaupt nichts. Alter, Adresse, Freundin … gab es eine Schnecke in seinem Leben? Er schätzte schon, denn aufgrund seines Outfits war klar, dass er rockte und die Weiber auf ihn standen. Aber er wusste es nicht mit Sicherheit. Möglicherweise war er auch nicht der Typ für eine Beziehung. Die Welt war groß, es gab scharfe Bräute an jeder Ecke und jemand, der es geschnallt hatte, konnte feiern und vögeln, soviel er wollte. Die Bitches brauchten es doch, man musste sich nur ansehen, wie sie herumliefen.
»Yeah«, murmelte Tom und nickte. Das klang nach ihm. So einer war er, zumindest so lange, bis die Pilze aufhörten zu wirken. Und falls er anschließend feststellte, dass er doch nicht so einer war, würde er eben einer werden.
Sein Magen knurrte. Fressflash. Hatte er etwa auch einen durchgezogen?
Er sah sich um, suchte nach etwas Essbarem. Bereits nach wenigen Sekunden wusste er, dass er hier nichts Derartiges finden würde.
»Dieses Haus lutscht.«
Es kam ihm vor, als sei er in einen Teil der Resident Evil–Reihe gestolpert. Das Zimmer, in dem er stand, war früher vielleicht ein Labor gewesen. Inzwischen hatte es sich aber in eine Müllhalde verwandelt. Hängeschränke lagen zerbrochen und halb verrottet am Boden, Reste von Pappschachteln moderten überall vor sich hin, Kabel hingen von der Decke, löchrige, vom Rost zerfressene Leitungen verliefen zwischen ihnen oder hingen ebenfalls herab. Der Anstrich blätterte von den Wänden; wo er noch haftete, durchzogen ihn Risse, als wäre er aufgesprungener Wüstenboden. Alles war schmutzig und staubig, und wirklich hell war es auch nicht. Da gab es zwar ein Fenster, aber das sah aus, als hätte es jemand von oben bis unten vollgeschissen.
Überhaupt hing echt merkwürdiges Zeug in der Gegend herum. Zwischen den vielen Kabeln spannten sich Fäden, aber sie bildeten keine Spinnennetze. Sahen eher aus wie …
»Schleim«, murmelte er. »Was ist das für ein kranker Scheiß?«
Tom kannte kein Tier, das solche Dinger produzierte. Aber irgendwo mussten sie ja herkommen. Und dann diese kleinen Kugeln, die an mehreren Stellen das gammlige Holz bedeckten. Sie sahen aus wie Pilze, aber nicht wie die Sorte, die Tom sich gerne reinpfiff. Blass, käsig, irgendwie durchscheinend und … glibberig. Er stupste einen davon mit dem Finger an.
»Au!«
Es brannte, als hätte er eine glühende Zigarettenspitze berührt. Als wären diese Glibberkugeln Quallen und keine Pilze.
»Selbst wenn’s hier was zu essen gäbe, würde ich’s nicht fressen«, zischte er, während er die Hand mit dem verletzten Finger in der Luft schwenkte.
Ihm war heiß. Der Trip wurde immer schlimmer, jetzt fühlte er sich schon wie in der Sauna. Darauf bedacht, mit dem brennenden Finger nichts zu berühren, zog er den Hoodie aus und warf ihn sich lässig über die Schulter, wobei er den Daumen in der Kapuze verhakte. Einen schlechten Trip zu haben musste schließlich nicht automatisch bedeuten, scheiße auszusehen.
Aber auch wenn es ein verflucht schlechter Trip war … etwas stimmte nicht damit. Klar, mit schlechten Trips stimmte so manches nicht, aber sie fühlten sich trotzdem immer wie das an, was sie waren: Trips eben.
Hier fehlte das Gefühl; diese verschickte, verschobene Perspektive, das Eingelulltsein. Die Effekte, derentwegen man sich den Krempel überhaupt erst einwarf. Tom hatte verdammte Kopfschmerzen, aber er war nicht breit. Trotzdem stand er mitten in der Umbrella-Villa. Oder einem Labor an Bord der Nostromo aus Alien. Vielleicht schlüpfte ja gleich eine Horde Facehuggers aus den Schleimpilzen.
Wie ging man mit so etwas um? Tom hatte keine Erfahrung mit dermaßen üblen Hallus.
»Scheiße.«
Er wollte irgendwas tun, und wenn es nur dämliches Rumlaufen war. Aber das konnte gefährlich sein. Was, wenn er in Wirklichkeit über eine vielbefahrene Straße torkelte, während er sich einbildete, in diesem Drecksloch herumzustromern?
Was