Freiheit und Ehre - Roman nach der wahren Geschichte eines dänischen Freiheitskämpfers. Pernille Juhl

Freiheit und Ehre - Roman nach der wahren Geschichte eines dänischen Freiheitskämpfers - Pernille Juhl


Скачать книгу
erzählte von Solvej und dass sie bald heiraten wollten. Gerne hätte Christian ihm von Gerda berichtet, aber darüber gab es nichts zu sagen. Dennoch hatte er ein gutes Gefühl. Vielleicht würde sich eine Freundschaft zwischen Peter und ihm entwickeln.

      „Und? Was hast du vor, wenn du hier fertig bist?“, fragte Peter. Ihre Mahlzeit hatten sie längst beendet, und ausnahmsweise warteten keine dienstlichen Pflichten auf sie.

      „Vielleicht gehe ich nach Kopenhagen und mache die Ausbildung zum Offizier, vielleicht bleibe ich hier und werde Ausbilder. Ich weiß es noch nicht. Und du?“

      Ein Lächeln breitete sich auf dem Gesicht seines neuen Freundes aus. „Ich werde wahrscheinlich auf die andere Seite der Grenze gehen, zum deutschen Militär. Da unten gehen zurzeit ein paar richtig interessante Dinge vor sich.“

      Christians Lächeln erstarrte zur Grimasse. Unwillkürlich kniff er die Augen zusammen, als er sagte:

      „Ich verstehe nicht.“

      „Hitler ist ein wahrer Teufelskerl. Er macht seine Sache hervorragend. Die Arbeitslosigkeit ist so gut wie ausgerottet, Deutschland ist es nie besser gegangen. Ich könnte mir vorstellen, in seinem Heer zu dienen. Hast du nie darüber nachgedacht?“ Seine Augen strahlten beinahe, während er über den deutschen Reichskanzler sprach.

      Christians Herz hämmerte. Die Wendung, die ihr Gespräch nahm, traf ihn völlig unvorbereitet, und er wünschte, er hätte nie an diesem Tisch Platz genommen.

      „Nein, daran habe ich wirklich noch nie gedacht“, antwortete er scharf, sodass der andere die Botschaft nicht überhören konnte. Dennoch fuhr Peter unverdrossen und mit Begeisterung in der Stimme fort: „Hitler ist das Beste, was Deutschland seit Jahren passiert ist, ja sogar das Beste, was ganz Europa passieren konnte. Wart's ab, du wirst sehen ...“

      Christians Gesicht war jetzt wie versteinert, und es fiel ihm schwer, ruhig zu bleiben, als er sagte: „Solange du dänischer Soldat bist, kannst du doch nicht Hitler und den Nationalsozialismus unterstützen. Ist dir Dänemarks Zukunft vollkommen egal?“ Seine Stimme zitterte, als er fortfuhr: „Die Deutschen haben sich Österreich einverleibt. Und jetzt erheben sie Anspruch auf das Sudetenland an der Grenze zur Tschechoslowakei. Was glaubst du, was sie mit Dänemark im Sinn haben, wenn es soweit ist? Du bist doch Südjüte, oder etwa nicht? Viele hier befürchten, Deutschland könnte die alte Grenze wieder herstellen und alles wird so wie vor der Vereinigung. Viele haben Angst, dass sie sich auch Südjütland einverleiben. Wie kannst du da mit einem Mann wie Hitler sympathisieren?“

      Die letzten Worte schrie er nahezu. Alle, die noch im Speisesaal waren, glotzten ihn an, aber es war ihm gleichgültig. Wütend und herausfordernd starrte er sein Gegenüber an.

      „Du scheinst ja wirklich für deine Sache zu brennen“, antwortete Peter kühl und fügte hinzu: „Ich bin nicht sicher, ob es schlecht wäre, wenn wir wieder zu Deutschland gehören würden. Hitler ist ein Mann mit Visionen. Er stellt Deutschland wieder auf die Beine, nachdem Europa alles getan hat, um das Land niederzuhalten. Die deutsche Wirtschaft wird immer stärker, seit er die Macht übernommen hat, und nicht zuletzt packt er das Judenproblem an. Davon könnten sich andere Länder eine Scheibe abschneiden.“

      Christian runzelte die Stirn. „Das kann nicht dein Ernst sein. Das Judenproblem?“

      „Du wirst ja wohl zugeben, dass die Juden nichts als gierige Teufel sind. Schwindler und Betrüger allesamt. Sie akzeptieren nur ihresgleichen, und ihr Ziel ist es, die Welt zu regieren. Es gibt nur eine Art, mit ihnen fertig zu werden, und zwar so, wie Hitler es macht.“

      Christian stand so ruckartig auf, dass sein Stuhl nach hinten kippte. Seine Wut steigerte sich noch, und eine Sekunde lang packte ihn ein selten erlebtes Gefühl: Er wollte zuschlagen, aber im nächsten Moment ergriff eine kalte Ruhe Besitz von ihm. Wozu noch mehr Zeit an diesen Fantasten verschwenden? An einen Arier, der bestens in Hitlers Weltbild passte. Er würde nie wieder mit diesem Mistkerl reden! Es lohnte sich nicht einmal, auch nur ein Wort über einen idiotischen Schreihals wie Hitler zu verlieren, der immer häufiger im Radio und in den Zeitungen auftauchte. Gott bewahre! Christian schaltete jedes Mal ab, wenn er die Stimme des deutschen Reichskanzlers hörte.

      Noch immer schlug sein Herz schneller als gewöhnlich, und sein Brustkasten hob und senkte sich. „Wir haben uns nichts mehr zu sagen“, knurrte er und wandte Peter Østergaard den Rücken zu, bevor der etwas erwidern konnte.

      Die Hände zu Fäusten geballt, verließ er den Speisesaal. Wenn das die Art von Freundschaft war, die man hier schließen konnte, verzichtete er liebend gerne darauf.

      Alle Ausbilder in den militärischen Fächern waren Offiziere. Schon nach kurzer Zeit in Sønderborg stand für Christian fest, dass auch er einmal Offizier und Ausbilder sein würde.

      An einem der ersten Tage kam er mit Petersen und Aksel ins Gespräch, die sich schon seit ihrer gemeinsamen Zeit an der Grundschule Sønderborg kannten. In der Mittagspause zwischen der praktischen Ausbildung am Vormittag und der Theorie am Nachmittag steuerten sie im Speisesaal zielstrebig Christians Tisch an und ließen sich auf den Stühlen ihm gegenüber nieder. Christian waren die ungleichen Freunde schon am ersten Tag in der Kaserne aufgefallen. Petersen war schlank und tat sich besonders in den physischen Disziplinen hervor, beim Sport und draußen im Feld ebenso wie beim Exerzieren. Aksel dagegen war rundlicher, stämmiger und behäbiger als Petersen, hielt sich aber dennoch gut, wenn es um körperliche Anstrengungen ging. Er war ein offener und redseliger Mensch, lachte gern und viel, und auf eine sonderbare Weise hatte Christian das Gefühl, er würde die beiden Freunde schon lange kennen.

      „Aksel Lykkegaard mein Name, und das hier ist mein Kamerad Klaus Petersen, genannt Petersen“, sagte Aksel und schaufelte sich dabei das Mittagessen in den Mund.

      „Christian Fries“, antwortete Christian mit einem Nicken und fuhr fort: „Alle nennen mich Kedde.“ Letzteres hätte er sich eigentlich sparen können, in Südjütland wurden alle mit seinem Namen so genannt.

      „Du bist doch der, der was gegen Hitler hat, oder?“, fragte Aksel mit einem verschmitzten Lächeln.

      „Richtig.“ Christian hob den Kopf.

      „Da geht es dir wie uns“, sagte Aksel.

      Sie lachten alle drei.

      „Du siehst nach einem ganz brauchbaren Kerl aus, und als wir von dem kleinen Auftritt neulich hier in diesem wunderschönen Speisesaal hörten, wollten wir gerne mal mit dir reden.“ Aksel blinzelte vergnügt, bevor er weitersprach: „Also zur Sache. Wir suchen nach einem dritten Kameraden, um ein Zimmer zu mieten. Wär' das was für dich?“ Das Kinn entschlossen vorgeschoben, sahen ihn Aksels dunkle Augen unter den buschigen Brauen und den ungekämmten Haaren einladend an. Christian hatte den Eindruck, dass er wie geschaffen war für die Bühne. Er würde die Menschen zum Lachen bringen und musste sich nicht einmal Mühe dabei geben.

      Sein Freund Petersen war zurückhaltender, ähnlich wie Christian. Das blonde Haar über dem blassen Gesicht war bereits auf dem Rückzug und machte hohen Schläfen Platz. Nicht mehr lange, und er hat eine Glatze, dachte Christian. Aber Petersens Augen sahen ihn freundlich an. Offenbar stürzte er sich nicht so vorbehaltlos in Gespräche mit Leuten, die er nicht kannte, wie sein Freund Aksel.

      „Ein Zimmer mieten?“ Christian runzelte die Stirn. Soviel er wusste, wohnten alle auf den Stuben in der Kaserne.

      „Du weißt schon, Damenbekanntschaften und so weiter. Da muss man was in petto haben.“ Aksel lachte schallend, als er Christians Gesichtsausdruck sah. Petersen und Christian konnten nicht anders und brachen ebenfalls in Gelächter aus.

      „Keine Angst, wir meinen es ernst mit der Ausbildung, und du siehst so aus, als wolltest du es ebenfalls zu was bringen. Mein Bruder war auch hier in Sønderborg, und er hat mir geraten, mir ein Zimmer zu besorgen, wo man in Ruhe lernen und sich auf die Prüfungen vorbereiten kann. Zu dritt müsste das mit der Miete hinzukriegen sein.“

      Christian dachte nach. Wenn jemand die Ausbildung hier ernst nimmt, dann ich! Konnte er sich das leisten? Möglicherweise. Die fünfzig Kronen Sold im Monat waren nicht


Скачать книгу