Dunkles Spiel im Elderreich. Meghan Maslow
nicht. Das lag vielleicht daran, dass meine Magie Teil meiner Natur war und sich nicht entwickelte wie bei Quinn. Je mehr er wusste, desto mächtiger wurde er, besonders mit mir als seinem Vertrauten, von dem er Energie beziehen konnte.
Bill schüttelte den Kopf. „Es bedeutet, dass ich ihm zeige, wie er die Anteile seiner Persönlichkeit, die böse sind, abspalten und isolieren kann. Genau wie ich es mit dem mörderischen Berserker gemacht habe, der Teil meiner Natur ist. Es ist ein bisschen schwierig zu erklären. Ich habe ihn Übungen machen lassen und mehrmals täglich Meditationen und …“
„Hältst du es für schlau, einen Dunkelelfen zu einer Ratssitzung mitzubringen?“ Genug der Erklärungen. Ganz gleich, wie viel Wunschdenken Bill auch projizierte, Dickmore war nicht wie Bill. „Bei all den Sicherheitsvorkehrungen wird er gar nichts tun können.“
„Du bist kein sehr vertrauensvoller Typ, weißt du das?“
„Ich habe dich als Assistenten eingestellt. Ich glaube, das war ein ziemlicher Vertrauensbeweis. Aber …“ Ich hielt die Hand hoch und zählte an meinen Fingern ab. „Zuerst bringst du einen Orc nach Hause. Einen Orc. Du weißt, dass Drachen Orcs hassen. Und was hat er getan? Er hat versucht herauszufinden, wo ich meinen Schatz versteckt habe. Hätte ich das nicht vorausgesehen, wäre es ihm vielleicht gelungen.“
Bill hatte die Frechheit zu grinsen und alle drei Zahnreihen blitzten. „Oh ja, das war witzig.“
Ich hob einen weiteren Finger. „Dann war da die Harpyie. Sie hat Quinn in die Kehrseite gebissen.“
„Also, um fair zu sein, so sind Harpyien nun mal. Und außerdem war das ein Kompliment. Ich meine, Quinn muss sehr lecker sein, sonst wäre sie wahrscheinlich nicht in einen Fressrausch verfallen.“
„Wahrscheinlich?“
Bill zuckte mit den Schultern.
Oh Mann, Was sollte ich mit diesem liebeskranken Schwachkopf nur anfangen.
„Seid ihr bereit?“, rief Quinn von der Tür. Er schob Cookie in eine Tasche, die er an die Schulter seiner Tunika genäht hatte. Er trug weiche Lederleggings, die zu dem goldfarbenen Oberteil passten, das seine Augenfarbe gut zur Geltung brachte.
Ich konnte nicht verhindern, dass sich ein albernes Grinsen auf meinem Gesicht ausbreitete. Vielleicht waren liebeskranke Schwachköpfe ja doch nicht so schlimm.
***
„Riechst du das?“ Ich sah mich in dem großen, offenen Säulengang vor den Versammlungsräumen des Stadtrates um. Eine Spur von etwas … nein, von jemand Vertrautem lag in der Herbstluft. Nur ein Hauch, der im nächsten Moment von einer kühlen Brise weggeweht wurde.
„Ich … ach, vergiss es. Es ist nichts.“ Mein Drache war nicht meiner Meinung. Er knurrte in meinem Kopf und ging in höchste Alarmbereitschaft. Als müsste ich mein Territorium verteidigen. Was lächerlich war. Warum sollte mein Drache das Ratsgebäude verteidigen wollen?
Zugegeben, zu den Treffen des Stadtrates von Lighthelm zu kommen, war immer bemerkenswert. Als wir vor zwei Monaten zum ersten Mal teilgenommen hatten, war ein Tumult ausgebrochen. Es war nicht wirklich Bills Schuld, aber da Red Furys den Ruf hatten, alles und jeden in ihrer Reichweite zu zerstören, war die Panik verständlich gewesen.
Einen Halbdrachen beziehungsweise eine Halbfee hätte man normalerweise auch mit Spott bedacht, aber als einer der bevorzugten Nachkommen von Auric Starfig hatte ich einigen Spielraum.
Es mag sein, dass ich beim ersten Mal gekichert und den Aufruhr ein klein wenig genossen habe. Beim zweiten Mal schnappten viele nach Luft und es gab auch ein paar unterdrückte Aufschreie. Wir saßen in der ersten Reihe, die sich auf mysteriöse Weise geleert hatte. Man stelle sich das vor.
Diesmal war ich enttäuscht, dass die Reaktionen nicht annähernd so eindrucksvoll ausfielen. Ein paar scharfe Atemzüge und viele neugierige Blicke, als wir in dem Säulengang darauf warteten, dass die Türen zur Ratshalle geöffnet wurden. Bills Wirkung hatte nachgelassen, auch wenn die wachsende Menge immer noch einen ziemlich großen Sicherheitsabstand zu uns hielt.
Fokreas Flintheart, der ältere Zwerg, gegen den ich im Wahlkampf um einen Sitz im Rat antrat, winkte uns fröhlich aus dem Gedränge zu und seine Wangen waren von der Kälte ganz rot. Er war immer so … vergnügt. Und großväterlich. Sein dicker Wollmantel war leuchtend rot und ließ ihn aus jeder Umgebung hervorstechen. Er trug einen passenden Hut und sein langer weißer Bart war kunstvoll gezwirbelt. Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder der versammelten Menge zu, zog kleine Päckchen in Geschenkpapier aus einem großen Sack und verteilte sie lachend. Seine Schwester, die auch einen passenden Umhang und Hut trug, tat dasselbe. Aber ihr Lächeln erreichte ihre Augen nicht. Mehrere andere Zwerge, die allesamt satt grüne Umhänge mit dem Logo Flinthearts Geschenk- und Spielzeugfabrik trugen, standen um sie herum und hielten die Menge in Schach.
Wie zum Teufel ich den Kerl bei einer Wahl schlagen sollte, war mir ein Rätsel. Und ehrlich gesagt kümmerte es mich auch nicht. Ich hatte meinem Vater versprochen, mich um einen Sitz zu bewerben. Ich hatte nie versprochen, dass ich gewinnen würde. Das war seine Sorge, nicht meine.
Ich winkte zurück und legte meinen freien Arm um Quinns Taille, um ihn warm zu halten. Und um Bills Lover von ihm fernzuhalten. Dickmore schielte über Bills Schulter. Ein Bild von einem Elfen. Groß und gertenschlang mit langem, fließendem Haar, das zu komplizierten Zöpfen geflochten war. Nur statt der goldenen Farbe, die die meisten Elfen auszeichnete, war es dunkelgrau, als hätte er sich in Ruß gewälzt. Er musterte Quinn neugierig und leckte sich über die Lippen, als wäre Quinn ein Lutscher, an dem er gerne … nun ja … lecken würde.
Bevor mein Drache warnend knurren konnte, beugte Quinn sich zu mir und flüsterte: „Du weißt, dass der alte Mann verschlagener ist als ein Höllenhund, nicht wahr?“
Ich kicherte und drückte ihn an mich. „ Sei nicht so zynisch, Quinn. Er ist offensichtlich nur ein freundlicher alter Knabe.“
Von wegen. Flintheart war vermutlich der Pate der Unterwelt von Lighthelm. Ich hatte schon vor einer langen Zeit gelernt, keinem Erscheinungsbild zu vertrauen. Hübsche Zentauren waren sehr oft auch nicht das, wonach sie aussahen. Obwohl dieses Theater, wenn es denn eines war, gut gespielt war.
Flintheart und sein Gefolge kamen auf uns zu und verteilten unterwegs weiter Päckchen. Die Gewänder der Zwerge waren ja irgendwie niedlich und ihre großen Augen und runden Nasen ließen sie harmlos aussehen. Die passenden gestreiften Bänder in ihren geflochtenen Bärten unterstrichen das noch. Da ich aber wusste, dass Zwerge hervorragende Kämpfer waren und dazu neigten, eher jähzornige Persönlichkeiten zu sein, kaufte ich ihnen das nicht ab.
„Mister Starfig“, grüßte Flintheart. „Nett, Sie wieder hier zu sehen. Ich nehme an, das bedeutet, dass Sie offiziell in den Wahlkampf eintreten?“ Er strahlte mich an und sein runder Bauch wackelte beim Sprechen. Mir fiel auf, dass er vergessen hatte, Quinn, Bill und Dickmore zu begrüßen.
„In der Tat, Ratsmitglied Flintheart.“ Ich nickte seinen Begleitern zu. Flinthearts Schwester runzelte die Stirn und alle anderen Zwerge lächelten mich wie auf Kommando an, auch wenn ihre Augen etwas ganz anderes sagten. Gruselig.
„Ausgezeichnet. Ein wenig Wettbewerb ist immer gut. Bringt einen alten Zwerg dazu, wachsam zu bleiben.“ Er griff in den Sack und zog ein weiteres Päckchen hervor. „Ich habe spezielle Glücksbringer-Karamellen für Sie mitgebracht. Es gibt ja keinen Grund, nicht zivilisiert miteinander umzugehen.“
Ich griff nach dem Päckchen, aber Bill schnappte es, ehe ich es nehmen konnte.
„Das nehme lieber ich.“ Er funkelte meinen Gegner an. „Es könnte vergiftet sein, Boss.“
Mann, meine Begleiter waren alle so misstrauisch. Obwohl mir der Gedanke auch gekommen war.
„Aber, aber, mein Lieber. Ich habe mehr Ehrgefühl als das.“ Er hielt Bills Blick stand. Eindrucksvoll.
„Da bin ich sicher“, antwortete Quinn mit einem eisigen Lächeln. „Bill ist nur überfürsorglich. Er würde jeden vernichten, der