Dunkles Spiel im Elderreich. Meghan Maslow
Alles war weitestgehend wieder normal, was bedeutete, dass Bill und Quinn ihr übliches Hickhack wieder aufgenommen hatten.
„Quinn, der Hexenmeister des Zorns“, schlug Bill vor, als er und Quinn sich auf einem Berg roter und goldener Kissen in meinem Wohnzimmer ausstreckten.
Ich bemühte mich, nicht mit den Augen zu rollen. Bill versuchte immer, den perfekten Zauberer-Beinamen für Quinn zu finden. Quinns tiefem Seufzen nach zu urteilen, war er damit nicht sehr erfolgreich.
„Echt jetzt? Hexenmeister des Zorns? Die Namen werden immer schlimmer.“ Quinn fuhr mit der Hand durch sein goldblondes Haar, bis es wirr in alle Richtungen stand. Cookie, seine ständige Begleiterin, hockte auf seiner Schulter und rieb sich tröstend an seiner Wange. Zumindest interpretierte ich es so.
Bill schnaubte und stampfte sogar mit dem Fuß auf einem der Plüschteppiche auf, die ich überall in meinem Haus ausgelegt hatte. Die bockige Geste wirkte unpassend für einen zweieinhalb Meter großen Dämon, der bei weitem die furchterregendste Kreatur im Elderreich war. Auch wenn er theoretisch Vegetarier war und eine Weste, eine Fliege und eine breit gerahmte Brille trug.
„Was meinst du, Twig? Hexenmeister des Zorns klingt doch wunderbar dunkel, findest du nicht?“ Bill fuchtelte mit einem Arm herum, als stünde der Name an der Wand.
Ich hob beschwichtigend die Hände. „Hey, ich bin nur ein einfacher Privatdetektiv. Haltet mich aus eurer Auseinandersetzung raus.“
Bill schnaubte wieder. „Das ist keine Auseinandersetzung.“
Natürlich war es das. Seit Bill sich meinem Team bei Starfig Investigations angeschlossen hatte, war er von der Idee besessen.
„Warum kann ich nicht einfach Quinn Broomsparkle sein? Das ist doch ein guter Name, nicht wahr, Twig?“ Quinn lächelte mich an und ich konnte fühlen, wie mein Herz schmolz. Wenn mein Gefährte mich so anlächelte, hatte ich Mühe, meine Sprache zu finden. Also nickte ich.
„Oh Mann. Du …“ – Bill richtete einen krallenbestückten Finger auf meine Brust – „… bist deinem Zauberer hörig. Und du …“ – er deutete auf Quinn – „… machst dir Illusionen. Quinn Broomsparkle würde nicht mal einem flauschigen Wampapus Angst einjagen und jeder weiß, dass die sich vor ihrem eigenen Schatten fürchten.“
„Um fair zu sein, ihr Schatten hat auch etwas Raubtierhaftes“, sagte Quinn. „Abgesehen davon habe ich kein Interesse daran, jemandem Angst einzujagen.“
„Mann, du bist der erste Zauberer seit tausend Jahren! Zeig ein bisschen Stolz! Ich dachte, Menschen wüssten gute Beinamen zu schätzen.“
Quinn zog eine Augenbraue hoch. „Das tun wir.“ Dabei beließ er es.
Ich kicherte, als ich begann, die Schriftrollen einzupacken, die wir für das morgige Treffen des Stadtrates brauchen würden, und ignorierte den Rest ihres Geplänkels. Seit Quinn und Bill in mein Leben gekommen waren, war es deutlich lauter als ich es vorher gewohnt war. Ein Halbdrache und eine Halbfee zu sein, bedeutete, dass ich nicht wirklich ins Elderreich passte, wo es kaum Halbblüter gab. Ich war daran gewöhnt, allein zu sein. Das war nun eindeutig vorbei.
Ich sah zu Quinn und mein Herz machte einen Sprung. Gut, wir hatten unsere Verbindung noch nicht besiegelt, aber in praktisch allen Bereichen, in denen es eine Rolle spielte, waren wir Gefährten. Und deshalb nahm ich an einem weiteren Treffen des Stadtrats teil.
Mein Vater mit seiner Status-Besessenheit hatte Quinn aus den Hufen dieses vertrottelten Einhorns gerettet und erwartete im Gegenzug von mir, dass ich mich früher oder später um einen Sitz im Hohen Rat des Elderreichs bewarb. Wie der Vater so der Sohn.
Bevor ich mich den vornehmen – und unerträglich versnobten – Rängen anschließen konnte, musste ich jedoch erst Mitglied eines untergeordneten Regierungsgremiums sein. Deshalb der Stadtrat von Lighthelm oder kurz SRL. Es war die Verwirklichung eines Traums. Für meinen Vater.
Zu sagen, dass ich diese Zusammenkünfte hasste, war so, als würde man sagen, dass Drachen Orcs hassen – es war selbstverständlich.
Ich knurrte, als ich die Schriftrolle betrachtete, die meine Kandidatur für den Stadtrat ankündigte. Vielleicht würde etwas Dringendes dazwischenkommen und ich müsste es ausfallen lassen?
„Ich weiß, was du denkst“, sagte Quinn. „Wir gehen hin.“
Ich musste mich nicht erst umdrehen, um zu wissen, dass er schmunzelte. Natürlich wusste er es. Da ich sein Vertrauter war, konnte er meine Emotionen lesen. Selbst meine Gedanken, wenn wir sie nicht abschirmten. Anders als die einfachen Tiere, mit denen Hexen sich verbanden, um Zugriff auf ihre Magie zu bekommen, war das Band zwischen mir und Quinn einzigartig. Statt zu antworten, verfluchte ich in Gedanken seine Vorfahren und stellte sicher, dass dies nicht abgeschirmt wurde.
„Hey“, schnaubte er. „Das ist nicht nett, so etwas über meine Mutter zu sagen, Twig.“
Da Quinns Familie ihn praktisch im Stich gelassen und seinem Schicksal in vertraglicher Knechtschaft überlassen hatte, als er bei seiner Zauberprüfung versagt hatte, hielt sich mein schlechtes Gewissen in Grenzen.
Na schön, es führte also kein Weg daran vorbei. Wir mussten hingehen.
Ich musste meine Wirbelsäule gestreckt haben, denn Quinn und Bill sprangen auf. Quinn suchte seine Stiefel und Bill richtete seine Fliege und rückte seine schwarz gerahmte Brille zurecht. Ich verengte die Augen.
„Bill, sag mir bitte nicht, dass du Dyknor eingeladen hast.“ Oder Dickmore, wie ich ihn gewöhnlich in Gedanken nannte. Ich meine, Dyknor Dhenduge. Wirklich?
Bill erstarrte. Kein gutes Zeichen. Mistkerl. Er hatte es tatsächlich getan.
„Nun, sieh mal, er wollte teilnehmen, Boss. Ich konnte doch schlecht Nein sagen.“ Da Bill ein Red Fury war, konnte man auf seiner fleckigen Haut nur schwer erkennen, wenn er errötete. Ich war mir aber trotzdem ziemlich sicher, dass er rot wurde.
„Das hatten wir doch schon. Ich möchte nicht, dass ein Dunkelelf in Quinns Nähe ist. Sie haben diese unerfreuliche Neigung, die magischen Kräfte von Hexen anzuzapfen.“
„Ach komm schon, Twig. Du bist unfair. Dykkie hat doch niemandem was getan … bis jetzt. Er war bemerkenswert zurückhaltend. Ich glaube, er mag mich wirklich.“ Bill rückte seine Brille zurecht und seine Augen wirkten durch die Gläser groß und eulenhaft.
„Hat er dich nach deinem richtigen Namen gefragt?“ Den Namen Bill hatte ich ihm gegeben, als wir uns ein paar Monate zuvor kennengelernt hatten. Ich hatte keine Ahnung, wie er wirklich hieß, und das war auch gut so. Der wahre Name eines Dämons gab einem Macht über ihn und das letzte, was ich wollte, war jemand, der Kontrolle über einen Red Fury hatte.
„Neiiin.“ Bill sah zur Seite. „Natürlich nicht.“
Ich räusperte mich.
„Nicht mehr als einmal.“ Er trat von einem Fuß auf den anderen. „Oder … ein paar Dutzend Mal.“
„Bill …“
„Ich weiß, was du sagen wirst, Boss, also spar es dir. Ich mag Dykkie. Es könnte sein, dass er mich tatsächlich auch mag. Er kann eben nicht anders. Es liegt an seiner dunklen Seele.“
„Kannst du nicht mit jemandem ausgehen wie einem gutherzigen Gargoyle? Oder vielleicht einem sexy Zentauren? Musst du dir immer bösartige Kreaturen aussuchen?“
Bill seufzte. „Gleich und gleich gesellt sich gern.“
„Du bist nicht böse.“
„Doch. Ich gebe nur mein Bestes, um es zu unterdrücken. Das versuche ich auch Dykkie beizubringen.“
„Ich bin mir nicht sicher, ob ich überhaupt wissen will, wie ich mir das vorstellen soll.“
„Reden du und Quinn nicht miteinander? Er weiß alles darüber, wie ich meinen niederen Instinkten widerstehe.“
„Wir reden sehr wohl miteinander. Über alles Mögliche.“