Ester. Jean-Daniel Macchi

Ester - Jean-Daniel Macchi


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Festmahl, Haman wird hingerichtet

      8,9–14 Erlass, der den Juden die Selbstverteidung erlaubt

      8,2.15 Mordechais Erhebung

      2. Romanhafte Züge

      Auch wenn das Buch Ester weder ein Roman im modernen Sinn noch ein antiker griechischer Roman ist,151 sind seine Züge romanhaft (in diesem Fall ein historischer Roman), einschließlich seiner Handlungsstruktur und seiner vielen Wenden. Es ist ein Prosa-Werk. Die Handlung ist fließend und gut strukturiert (Exposition, Komplikation, transformative Handlung, abschließende Situation). Die Erzählung spielt in einem historischen Kontext, der den Darstellungen der Welt des persischen Königshofs in der Antike entspricht, und die Aktivitäten der Figuren sind in diesem Kontext plausibel.

      Spannung, theatralische Wenden, neue Entwicklungen Spannung, unangekündigte Ereignisse und neue Entwicklungen sind wichtige Romantechniken, die man auch im Esterbuch findet. Waschtis Weigerung ist eine dramatische Wendung, auf die eine lange Zeit der Spannung hinsichtlich der Konsequenzen dieses Aktes folgt (1,13–22). Nach der Bekanntmachung des Vernichtungserlasses halten die Taten der Charaktere die Leser und Leserinnen in großer Spannung. Mordechai nimmt unter Schwierigkeiten Kontakt mit der Königin auf (Kapitel 4). Das lebensbedrohliche Risiko, das sie eingeht, wenn sie beim König interveniert, erhöht die Spannung noch. Esters Strategie ist für Leser und Leserinnen nicht leicht zu verstehen, besonders wenn sie den König zu einem zweiten Festmahl einlädt, anstatt ihr Gesuch sofort vorzubringen (5,6–8). Die neue Gefahr für Mordechai, die zwischen den beiden Festmählern aufkommt (5,14), intensiviert die Spannung ebenfalls. Die Lage wird so angespannt, dass eine doppelte Lösung notwendig ist: Die Schlaflosigkeit des Königs rettet zuerst Mordechai (Kap. 6), bevor Ester mit ihren Anschuldigungen gegen Haman herausrückt (Kap. 7). Zuletzt bringt die Unmöglichkeit, den Erlass aufzuheben (8,8), eine neue Dynamik in die Handlung und steigert die Spannung ein weiteres Mal.

      Romanhafte CharaktereHeld und Heldin sind gut charakterisiert. Sie haben keine außergewöhnlichen Kräfte, aber ihre „moralischen“ Eigenschaften sind bemerkenswert. Mordechai ist mutig, als er sich dem mächtigen Haman widersetzt, und zugleich intelligent, als er einen wirksamen Gegenerlass formuliert. Auch Ester zeigt Mut, als sie sich dem König nähert, und List, als sie ihre Fähigkeit einsetzt, den König zu beeinflussen.

      Der Text beleuchtet die Psychologie der Charaktere, ihre Handlungen sowie ihre Motivationen. Kapitel 1 gibt eine Diskussion zwischen Betrunkenen an den Grenzen zum Absurden wieder. Kapitel 4 beschreibt den Gewissenskonflikt der Königin. Kapitel 5 und 7 zeigen, wie eine Frau Männer manipulieren kann. Zwischen 5,9 und 6,11 wird Hamans Stolz auf amüsante Weise vorgeführt (5,9ff. und 6,6).

      Humor und IronieTrotz seines zutiefst ernsten Themas der Vernichtungsdrohung gegen ein Volk steckt dieses Buch voller Humor und Ironie.152 Man lächelt über einen König, der sechs Monate damit verbringt, seinen Prunk zur Schau zu stellen, aber es nicht schafft, seine Frau herbeizuzitieren (1,4–12). Der Text ironisiert den Kontrast zwischen der Macht und dem Reichtum des herrschaftlichen Hofes einerseits und der offenkundig dummen und lächerlichen Politik andererseits. Der König erlässt Gesetze über das Privatleben all seiner Untertanen (1,22), er beraubt das Reich aller seiner jungen Frauen (2,3), und eine junge Frau muss ein Jahr lang vorbereitet werden, bevor sie sich dem König nähern darf ( 2,12–14). Darüber hinaus ist der König nicht in der Lage, das Reich wirklich zu regieren; er muss den Rat von Juristen einholen, bevor er Entscheidungen trifft (1,13), er wird von seinen Beratern beeinflusst (Kap. 3) und ist unfähig, einen falschen Erlass wieder aufzuheben (8,8). Auch Hamans Haltung ist lächerlich. Da er nicht in der Lage ist, den Termin für die Verfolgung zu bestimmen, wirft er das Los und lässt seinen Feinden ein Jahr Zeit, um zu reagieren. Er ist so von sich eingenommen, dass er sich nicht vorstellen kann, dass der König jemand anderen würde ehren wollen (6,6). Zuletzt ist auch sein Tod lächerlich: Er wird beschuldigt, der Königin Gewalt angetan zu haben, während er sie um Gnade anfleht, und er hängt am Ende an jenem Galgen, den er für Mordechai vorgesehen hatte.

      Eine solcherart burleske Behandlung eines ernsten Themas ist aber nicht anstößig, wenn es, wie hier, dazu dient, Unterdrückung anzuprangern.

      3. Sprache und Stil des MT

      Sprache und Stil des MT von Ester sind unverwechselbar.153 Der Stil ist schwerfällig, nachdrücklich und durch Wiederholungen, Redundanzen und Übertreibungen gekennzeichnet. Dies spiegelt den formellen, pompösen Charakter des persischen Hofs und die weltweite Macht, die er ausübt. Unsere redaktionellen Analysen zeigen, dass ein Großteil dieser Stilmerkmale in den „Extras“ des MT vorkommt und somit ein Ergebnis der protomasoretischen Redaktion ist. Einige auffällige Züge können festgestellt werden.

      Formelle PhraseologieDie Dialoge zwischen dem König und seinen Gesprächspartnern enthalten sehr formelle Ausdrucksweisen: „Was ist dein Wunsch? Es soll dir gewährt werden […]“ (Varianten in 5,3.6; 7,2; 9,12); „Wenn es dem König gefällt […]“ (Varianten in 1,19; 3,9; 5,4.8; 7,3; 8,5; 9,13). Sätze, die mit כל eingeleitet werden („das ganze Königreich“, „alle Provinzen“, „alle Völker“, „alle Männer / Frauen / Diener“), und Redewendungen wie מדינה ומדינה („jede Provinz“ – 1,22; 3,12.14; 4,3; 8,9.13.17; 9,28), עם ועם („jedes Volk“ – 1,22; 3,12; 8,9) betonen die universellen Ansprüche des Reichs.

      Titel und ÄmterDie vielfältigen Ämter der Höflinge unterstreichen die Komplexität und hierarchische Organisation des Königshofs. Der Ausdruck „König Ahasveros“ kommt fünfzehnmal vor, „Königin Ester“ vierzehnmal, „Königin Waschti“ viermal, „der Jude Mordechai“ sechsmal, „Haman […] der Agagiter“ fünfmal. In 1,3 sind die Gäste „Fürsten“, „Beamte“, „Heerführer“ und „Edle“; in 1,13–14 sind die Berater nicht nur „Weise“, die „die Zeiten“ kennen, sondern auch „Fürsten […] die das Gesicht des Königs sehen konnten“ und „den ersten Rang“ innehaben. Die Empfänger der Erlasse sind „Satrapen“, „Statthalter“ und „Fürsten“; und die Beamten, die sie herstellen, sind „Schreiber“ und „Kuriere“ (3,12; 8,9; 9,3). Die Ämter bestimmter Protagonisten werden im Detail beschrieben: „königliche Eunuchen, die zu den Türhütern gehörten“ (2,21; 6,2), „königliche Diener am Tor des Palasts“ (3,2–3), „Hatach, einer der Eunuchen des Königs, die er zu ihrem [Esters] Dienst bestimmt hatte“ (4,5), „reitende Boten auf Pferden des Reiches, geboren von Rennstuten“ (8,10). Schließlich enthält der MT Listen mit Eigennamen von Beamten (1,10.14; 9,6–9), die den Eindruck des Realismus erwecken und die Strenge der Organisation des Reiches unterstreichen.

      Häufung von SynonymenDas Vorhandensein von Wortpaaren („Volk/Herkunft“ [8,6]) oder die Anhäufung ähnlich gelagerter Begriffe („vernichten, töten und verschwinden lassen“ [3,13; 7,4; 8,11]) machen den Stil schwerfällig und vermitteln den Eindruck annalenhafter Genauigkeit.154 Man findet auch Formeln, die den Umfang eines Begriffs bestimmen wollen, wie „alle Juden, Jung und Alt, Kinder und Frauen“ (3,13).155 Schließlich zeigen auch zahlreiche „Zeitangaben“ im MT des Esterbuchs den Wunsch, den Eindruck einer präzisen Erzählung zu erwecken, die sich am Stil von Annalen orientiert.

      SchreibtechnikenIm MT treten hoch entwickelte Schreibtechniken zutage. Etliche Sätze stellen intertextuelle Verknüpfungen her;156 mehrere „Wortspiele“ (vgl. Waschti in 1,9 und Abihajil in 2,15) sind zu finden; und manche Vokabeln ergeben zusammen einen verschlüsselten Hintersinn, der es ermöglicht, den Namen JHWH zu beschwören (5,8).

      Wortschatz Der Wortschatz ist nicht sehr reichhaltig; häufig ist das Vokabular des Königtums (מלך), der Getränke (שׁתה) oder der Provinzen (מדינה) anzutreffen. Es finden sich jedoch auch relativ seltene Begriffe sowie Anleihen aus anderen Sprachen (Persisch, Akkadisch, Ägyptisch, Aramäisch usw.). Begriffe, die im klassischen hebräischen Vokabular nicht vorhanden sind, kommen hauptsächlich aus dem Aramäischen. Begriffe wie פרתמים („die Obersten“), אחשׁדרפן („Satrapen“) oder der Name Ahasveros sind jedoch „Persianismen“.157 Diese persischen Ausdrücke verraten die redaktionelle


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