Das Therapiehunde-Team. Inge Röger-Lakenbrink
in kleineren Gruppen organisiert, erfolgten die Gründungen der ersten gemeinnützigen Vereine, Verbände und Interessengemeinschaften. Die Grundlage für die aktiven Einsätze waren die Richtlinien der »Delta Society«, an denen man sich weitestgehend orientierte.
Helga Widder ist Gründungsmitglied und Geschäftsführerin von »Tiere als Therapie« (TAT) in Wien – ihr ungarischer Hütehund »Paprika« begleitet sie als Therapiehund.
Foto: Alexander Widder
Susanna Haitzer ist Obfrau im Vorstand von »Tiere helfen Leben« (THL) in Österreich und leistet mit Therapiehündin Aimee unterschiedliche Einsätze in sozialen Einrichtungen.
Foto: Privat
Von der Theorie zur Praxis lag ein weiter Weg, der allen engagierten Pionieren der ersten Jahre einen langen Atem abverlangen sollte. Die drei wichtigsten und größten Vereine gründeten und entwickelten sich auf ehrenamtlicher Basis in der Schweiz und in Österreich – der ‘VTHS’ (Verein Therapiehunde Schweiz), ‘TAT’ (Tiere als Therapie) und ‘THL’ (Tiere helfen leben) in Wien.
Seit nun über zwanzig Jahren setzen sich kontinuierlich die Präsidentin des ‘VTHS’ Peggy Hug, die Geschäftsführerin von ‘TAT’ Helga Widder und die Obfrau von ‘THL’ Susanna Haitzer zielorientiert, hartnäckig, umsichtig und überzeugt vom Erfolg ihres Engagements für die Umsetzung und Anerkennung des Einsatzes von Therapiehunden ein.
Gegen zahlreiche Widerstände – aber immer die Vision vor Augen – gelang es Ihnen in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Vereinsvorständen, die grundlegenden Strukturen aufzubauen, welche die Basis für die heutige Akzeptanz der Therapiehunde- Teams darstellt.
Peggy Hug ist seit 20 Jahren die Präsidentin des »Vereins Therapiehunde Schweiz« und besucht mit ihren Labradorhunden – hier mit »Aisha« – auch das Kinderspital Zürich.
Im Laufe der Zeit wurde den Vereinsvorständen allerdings deutlich, dass über die Koordinierung der praktischen Arbeit hinaus auch eine gewisse Form der Aus- und Weiterbildung gewährleistet werden musste. Die Entwicklung und Gestaltung dieser umfangreichen Qualifikationsgrundlagen stellte die Initiatoren vor neue Aufgaben. In den verschiedenen Ländern erarbeitete man auf unterschiedliche Art und Weise die Kriterien der Konzepte – die anfangs einheitlichen Maßstäbe entwickelten sich landesbezogen individuell und vor allem auch zeitversetzt.
Gleichzeitig waren die wenigen Wissenschaftler in diesen drei deutschsprachigen Ländern bemüht, auf ihrer speziellen Forschungsebene organisatorische Strukturen zu finden, die zum einen die praktische Arbeit der THTs unterstützen, zum anderen verwertbare und fundierte Erkenntnisse liefern sollten, um nicht zuletzt den tiergestützten Einsätzen in der öffentlichen Akzeptanz zu einem Durchbruch zu verhelfen. Vergl. S. 116 ff. und S. 199 ff.
Während sich in Österreich und der Schweiz die Szene als einigermaßen strukturiert darstellt, fehlt es in Deutschland nach wie vor an einer übersichtlichen Organisationsstruktur, was dem Missbrauch von Mensch und Hund leider Tür und Tor öffnet. Dieser unbefriedigende Zustand hat zur Folge, dass sich unkontrolliert und in beliebiger Form sowohl die Ausbildungsformen und -inhalte gestalten können als auch das Einsatzniveau unter einem Qualifikationsmangel leidet. Noch immer können irgendwelche »Hundetrainer« in einem Wochenendseminar die »Ausbildung« zum Therapiehund anbieten und werben dann auch noch mit einem abschließenden »Zertifikat«. Verantwortungslos nehmen manchmal ungeprüfte, sogenannte »Therapiehunde-Teams« Kontakt auf zu ahnungslosen und gutgläubigen Klienten und Patienten – zum Ärgernis all derjenigen, die sich zum überwiegenden Teil über viele Monate bemüht haben, für sich und ihren Hund einen qualifizierten Ausbildungshintergrund zu erarbeiten, der nicht nur zeitlich, sondern auch finanziell aufwändig ist.
Wer sich heute als potenzieller Einsteiger mit seinem Hund um Informationen bemüht, der wird ziemlich verwirrt die Suche nach geeigneten Ausbildungsträgern beginnen, da es keine einheitliche Zertifizierung gibt. Zwar haben sich einige Berufsverbände mittlerweile professionell etabliert und einige Hochschulen bieten fachspezifische Zusatzlehrgänge an, aber all diejenigen Hundehalter, welche gerne mit ihrem Hund »nur« ehrenamtliche Einsätze leisten möchten, die müssen sich durch eine unübersichtliche Fülle von fragwürdigen Kursanbietern im Internet quälen, wenn sie nicht das Glück haben, einen der langjährig anerkannten und erprobten Vereine oder Verbände in der Nähe zu haben. Sonst müssen einfach weite Wege in Kauf genommen werden. Aber diese Wege lohnen sich, denn viel Erfahrung und die Kompetenz im Umgang mit dem Therapiehund ist die Basis einer qualitativ anspruchsvollen tiergestützten Arbeit immer auch im Hinblick auf das Wohlergehen des Hundes.
2. Der Therapiehund – eine Definition
Was ist eigentlich ein »Therapiehund«?
Kaum wird eine neue Einsatzmöglichkeit für Hunde in der Öffentlichkeit populär, entstehen häufig Tendenzen zur Vermarktung von bestimmten Hunderassen. Gravierende Missverständnisse und Vorurteile, Unkenntnis und Informationsmangel wecken falsche Erwartungen. Die Folgen eines Mode-Trends sind hinreichend bekannt: Die Züchtung bestimmter Hunderassen ist hinsichtlich ihrer Qualität stark infrage gestellt worden.
Um dieser Entwicklung vorzubeugen, sei an dieser Stelle deutlich zum Ausdruck gebracht: Es gibt kein einziges Hunde-Gen, welches die Behauptung begründen könnte, dass bestimmte Hunderassen eine Anlage zum »Therapiehund« mitbringen! Dies ist eine unumstrittene Erkenntnis aus der Forschung, die auch von der weltweit anerkannten Genetikerin Prof. Dr. Sommerfeld-Stur von der Veterinärmedizinischen Universität in Wien vertreten wird.
Alle Rassen und deren Mischlinge werden heute weltweit erfolgreich als Therapiehunde eingesetzt – es kommt auf den jeweiligen Bereich und die spezifischen Anforderungen an!
In den angelsächsischen Ländern waren schon in der Anfangszeit der ersten Einsätze sowohl Neufundländer, Cocker Spaniels als auch Jack Russell Terrier als Therapiehunde aktiv. Auch die unterschiedlichsten Mischlinge wurden damals – wie heute – mit durchschlagendem Erfolg für Therapieeinsätze verwendet. Es muss also nicht unbedingt ein Labrador oder Golden Retriever sein – fast die Hälfte aller Bewerber-Teams treten bei den aktuellen Tests der Ausbildungsanbieter mit Mischlingen an. Und bestehen diese auch.
Es ist darüber hinaus nicht zwingend notwendig, dass ein hoffnungsvoller Kandidat für die Therapiehundearbeit eine Abstammung aus einer Therapiehundefamilie nachweisen kann. Selbst wenn beide Elternteile sich als geeignete Therapiehunde entwickelt und präsentiert haben, ist diese Tatsache keine Garantie für ebensolche verwendbare Nachkommen! Ein verantwortungsvoller Züchter kann zwar für eine entsprechende Welpenprägung und Junghundesozialisation sorgen, aber eine Gewährleistung für diese später gewünschte Eignung ist mit aller Vorsicht zu genießen.
Es sei davor gewarnt, sich der Hoffnung hinzugeben, man könne einen einsatzfähigen Therapiehund schon als Welpen erwerben – diese Erwartungshaltung ist falsch und die Enttäuschung groß, wenn sich die Vorstellungen nicht bestätigen.
Ein Therapiehund sollte allerdings einige Anlagen mitbringen, um sich gut sozialisieren zu lassen und durch sein menschenbezogenes, freundliches Wesen die Basis für eine weitere Ausbildung zu gewährleisten (vgl. Kapitel 2).
Dies können auch Hunde aus dem Tierheim, aus Tierschutzprojekten und aus Auffangstationen im südlichen oder östlichen Ausland sein – in der aktuellen Praxis werden zahlreiche