Mörderisches Schwerin. Diana Salow

Mörderisches Schwerin - Diana Salow


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Eine Rückbuchung der eingezahlten Gelder war bisher nicht möglich«, erläuterte Bergers Kollege.

      Berger schaute Paulsen fragend an: »Dieses Verbrechen kann nicht nur eine Person begangen haben. Die Geldforderung, die Sprengungen, die ganze Logistik dieser aufeinanderfolgenden Taten kann nicht nur eine Person geplant haben. Da waren Profis am Werk. Das wird kompliziert! Ich vermute, wir haben es hier mit einem organisierten Kapitalverbrechen zu tun.«

      »Da gebe ich dir recht. Ich habe schon Europol eingeschaltet. Wir brauchen Unterstützung. Den Fall lösen wir nur mit professioneller Amtshilfe!«

      »Gut gemacht, Lars! Das sehe ich auch so. Wir müssen auch an die Schweizer Bank ran. Wenn wir es hier mit einem derartigen Verbrechen zu tun haben, dann können die sich nicht hinter ihrem berühmt-berüchtigten Bankkundengeheimnis verstecken. Die Privatsphäre der Kunden scheint denen heilig zu sein.«

      »Nein, Thomas. Wir haben in diesem Fall Glück. Ich habe mich mal sachkundig gemacht. Seit Mai 2014 ist die Schweiz der Erklärung der OECD beigetreten«, er las nun von einem Zettel ab. »… über den künftigen automatischen Informationsaustausch in Steuerangelegenheiten

      »Und was heißt das für uns? Bitte eine verständliche Erklärung, Lars!«, forderte Berger ungeduldig.

      »Das heißt, dass die Banken verpflichtet werden können, Auskünfte zu erteilen, wenn die Polizei oder eine richterliche Behörde bei Kenntnis eines Straftatbestandes die Eröffnung einer Strafverfolgung anstreben. Sie müssen uns also mitteilen, wer Kontoinhaber ist und an wen das Geld überwiesen wurde. Wir haben es hier nicht mit einem lapidaren Steuervergehen zu tun. In unserem Fall geht es um Erpressung, um Freiheitsberaubung, um Mord, um zwei schwerverletzte Personen, um eine vermisste Person und um Sachbeschädigung eines historischen Gebäudes«, fasste Paulsen die relevanten Tatsachen zusammen. »Das muss doch wohl ausreichen, um weitere Auskünfte zu erzwingen!«

      Berger blätterte erneut die Gästeliste durch. »Ich bin äußerst gespannt. Meines Wissens nach ist ein Schweizer Nummernkonto ein Bankkonto, bei dem der Name des Bankkunden durch ein Kennwort ersetzt wird.«

      »Es muss doch trotzdem eine Identifizierung des Kunden zu einem bestimmten Konto geben«, widersprach Paulsen. »Irgendjemand muss doch wissen, wem welches Konto gehört. Mir ist schon klar, dass auf Bankbelegen und Kontoauszügen keine Namen stehen, sondern nur Nummern. Am besten wir überweisen auch eine kleine Summe auf das Konto, das wird am einfachsten sein. Zehn Euro privat auf das Schweizer Nummernkonto und dann schauen wir mal weiter«, schlug Paulsen seinem Kollegen vor.

      »Ja, sehr gute Idee. Wie das alles funktioniert, musst du herausfinden, Lars. In Deutschland sind Nummernkonten ja verboten. Ich habe den Eindruck, du steckst schon gut in der Materie drin. Du bekommst das bestimmt heraus.« Berger lachte und wusste natürlich, was für eine schwere Aufgabe er seinem Kollegen aufgebürdet hatte. »Wenn noch nicht veranlasst, geben wir eine Fahndung nach Jan Wilke raus. Wir müssen auch unbedingt erfahren, wer die tote Frau ist. Zahnstatus, DNA und so weiter. Das kann doch nicht so schwer sein! Die ist doch nicht namenlos vom Himmel gefallen und saß plötzlich in Reihe fünf auf Jan Wilkes Sessel«, erklärte Berger seinem Kollegen mit einem sarkastischen Unterton. »Machen wir uns an die Arbeit!«

       Kapitel 8

      Ich wäre gern abends mal so müde wie morgens, hatte Berger um sechs Uhr auf dem Abrisskalender in seiner Küche gelesen. ›Was für ein passender Spruch‹, dachte er, als er in seinem Büro Platz nahm.

      Seine Sekretärin kündigte ihm eine junge Frau an, die ihn unbedingt sprechen wollte.

      ›Hoffentlich nicht schon wieder eine Vermisstenanzeige‹, dachte er. »Guten Morgen, Hauptkommissar Thomas Berger«, stellte er sich vor und reichte der jungen Frau die Hand.

      »Guten Morgen, mein Name ist Sandra Rethel.« Die sportliche Frau in kurzem Jeansrock und hellem T-Shirt legte ihren kleinen Rucksack ab und setzte sich ohne Aufforderung an den Besuchertisch in Bergers Büro. Sie hatte kurze, dunkle Haare, die zu ihrem sehr burschikosen Auftritt passten.

      »Was kann ich für Sie tun, Frau Rethel?«

      Die junge Dame senkte ihren Kopf. »Ich habe heute Morgen in der Schweriner Volkszeitung gelesen, dass eine Frau bei diesem schrecklichen Anschlag im Theater ums Leben gekommen ist.« Sie wurde plötzlich rot im Gesicht und begann zu zittern. »Ich habe solche Angst, dass es meine Freundin Caroline ist.«

      »Wie kommen Sie darauf?« Berger wurde hellhörig und war erfreut, dass die Vermisstenanzeige mit großer Wahrscheinlichkeit jetzt einen ersten Ermittlungserfolg liefern würde.

      Sandra Rethel putzte ihre Nase und versuchte, sich zu beruhigen. »Es muss meine Caroline sein. Ich erreiche sie nicht, weder auf ihrem Handy, noch auf ihrer Arbeit. Seit dem Abend, an dem sie ins Theater wollte, hatten wir keinen Kontakt mehr. Ich will es nicht wahrhaben, dass es Caro ist. Aber sie muss es sein«, redete sie sich mehrfach ein. »So viele Zufälle gibt es doch nicht, oder?«

      »Erzählen Sie bitte weiter, Frau Rethel!«, ermutigte Berger sie.

      »Caroline und ich waren Mittwochnachmittag im Fitnessstudio im Belasso in Krebsförden. Dann erhielt sie in der Umkleide einen Anruf. Ich hörte nur, wie sie sagte: ›Ja, okay. Das ist toll. Ich gehe hin. Dankeschön.‹ Dann beendete sie das Gespräch und hatte es echt eilig. Sie wolle sich noch aufbrezeln, sagte sie mir.«

      Berger guckte die Dame an: »Hat sie gesagt, dass sie ins Theater will?« Er überlegte, ob Frau Rethel und Caroline vielleicht ein Paar sein könnten.

      »Ja. Ich habe Caro gefragt und sie meinte, sie wolle ins Theater gehen. Dort fände eine Gala statt, weil das Schweriner Residenzensemble zum Welterbe ausgerufen werden soll.«

      »Wollte sie dort allein hin oder in Begleitung?«

      »Das weiß ich nicht. Aber wenn sie sich, wie sie sagte, aufbrezeln wollte, vermute ich mal, dass sie nicht vorhatte, dort allein hinzugehen.«

      »Wo arbeitet denn ihre Freundin Caro?«

      »Sie ist die Assistentin eines Architekten in Schwerin.«

      »Beim Architekten Jan Wilke?«, schoss es aus Berger wie aus der Pistole heraus.

      »Ja, genau. So heißt er.«

      Berger war fassungslos. Er ging ins Vorzimmer und bat seine Sekretärin darum, sofort Lars Paulsen in sein Büro zu schicken. Ein paar Minuten später stand sein Kollege vor ihm. »Lars Paulsen, mein Kollege. Und das ist Sandra Rethel. Eine wichtige Zeugin in unserem Fall«, machte er beide miteinander bekannt. »Frau Rethel vermisst ihre Freundin, die Jan Wilkes Assistentin ist. Sie war an dem besagten Abend vermutlich im Theater und ist mit großer Wahrscheinlichkeit …« Berger zögerte und verschluckte den Rest des Satzes mit Blick auf Rethel.

      Die begriff in dem Moment, in dem sie selbst laut ergänzte: »… das weibliche Opfer. – Meinen Sie wirklich, Herr Berger?« Sandra Rethel schluchzte laut los.

      »Hat Caroline – Wie heißt sie weiter? – keine Verwandten in Schwerin?«

      »Sie heißt Holm. Ihre Eltern wohnen in Donaueschingen im Schwarzwald. Ihr Bruder arbeitet in der Schweiz. Die Familie ist zerstritten. Es ging ums Erbe, ein Testament, um sehr viel Geld. Caroline hat keinen Kontakt zu ihnen.«

      »Frau Rethel, wir müssen die Familienangehörigen ausfindig machen … oder würden Sie sich zutrauen …?«, setzte Berger vorsichtig die Frage an.

      »Nein, bitte nicht. Verlangen Sie nicht, dass ich Caro identifizieren soll. Das mache ich keinesfalls«, flehte sie.

      »Vielleicht finden wir eine andere Möglichkeit«, mischte sich Paulsen ein.

      »Es reicht doch, wenn Sie eine DNA-Probe machen! Das sehe ich jeden Sonntag im ›Tatort‹«, schlug sie vor, um Bergers Bitte zu umgehen.

      »So einfach ist der Abgleich nicht. Frau Holm ist vermutlich nicht wegen einer Straftat in unserer Datenbank registriert.«

      »Aber


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