Mörderisches Schwerin. Diana Salow

Mörderisches Schwerin - Diana Salow


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Der Drink hat es ganz schön in sich.« Paulsen lachte und überlegte schon, ob Kirsten ihn später nach ihrem Dienst abholen könnte. Er würde dann sein Auto bei Berger stehen lassen und es am nächsten Tag holen.

      »Ich bin gespannt, wann die Rechtsmedizin das weibliche Opfer identifiziert hat. Wir müssen so viele Sachen auswerten! An wen ist das Geld von den Gästen im Theater überwiesen worden? Wer steckt hinter diesem Züricher Konto? Warum ist in der Herrentoilette und im Zuschauerraum Sprengstoff detoniert und warum haben die Sprengstoffsuchhunde vorher nichts gefunden? Fragen über Fragen, Lars. Ich bin so ungeduldig und kann kaum die Ergebnisse abwarten.«

      Lea kam in die Wohnstube zurück: »So, das ist mein Nasigoreng. Schön gelb. Ich hoffe, ich habe nicht zu viel Kurkuma hinzugefügt. Schaut mal meine Hände an! Kurkuma verfärbt einfach alles. Ich hätte Handschuhe zum Schneiden der Wurzel anziehen sollen.«

      Das Gericht sah lecker aus, besonders die Menge Hähnchenbrustfilet gefiel Thomas. Er sagte schmunzelnd: »Fleisch ist mein Gemüse.«

      Lea musste über den häufig zitierten Buchtitel lachen. Sie überzeugte ihren Mann mit der Menüauswahl.

      Berger hätte zwar lieber ein noch blutiges Rumpsteak gegessen, aber als er das Nasigoreng sah, lief auch ihm das Wasser im Munde zusammen.

      Nach dem Hauptgang schaltete Berger den großen Fernseher im Wohnzimmer ein. Er hatte seinen Laptop neben sich platziert und alles für die Foto-Show vorbereitet.

      »Ja, das ist der Königspalast in Bangkok. Bangkok heißt übersetzt die Stadt der Engel. Auf dem Gelände hat es so schön nach Jasmin geduftet«, schwärmte Lea, als sie das erste Foto auf dem Fernseher sah.

      »Ich fand ja Koh Samui am schönsten«, warf Thomas ein. »Und besonders lustig fand ich, dass du nicht baden warst, weil unser Reiseleiter vor gefährlichen Würfelquallen gewarnt hat.« Berger lachte in Leas Richtung.

      So ging es einige Zeit weiter. Thomas und Lea berichteten begeistert von ihren Erlebnissen. Ihre Reise hatte sie nicht nur nach Thailand, sondern auch nach Kambodscha und Malaysia geführt. Lea bemerkte aber, dass die Männer nicht ganz bei der Sache waren. Den Grund kannte sie nur zu gut, war sie doch nun schon einige Jahre die Frau eines Kommissars der Mordkommission.

      »Das Foto ist auch schön. Die Straßenlampen in Kuala Lumpur sind alle mit Hibiskusblüten verziert. Das ist die Nationalpflanze des Landes. Wunderschön anzusehen.« Lea mochte Pflanzen und schwärmte oft von ihnen.

      »Und stell dir mal vor, unser Reiseleiter in Kambodscha … der in Sihanoukville, der hat früher in Karl-Marx-Stadt studiert«, erzählte Berger beim nächsten Foto.

      »Wo hat er studiert?«, fragte Lars Paulsen.

      »Ach ja, du kommst ja aus Hamburg. Karl-Marx-Stadt ist heute wieder Chemnitz. Früher im Arbeiter- und Bauernstaat, zu DDR-Zeiten also, hieß die Stadt so«, erklärte Berger.

      Nachdem niemand mehr einen Nachschlag wollte, räumte Lea die Teller und die Essstäbchen zusammen und kündigte nebenbei ihr abschließendes Dessert an: eine Mangocreme mit frischer Minze.

      Berger kam nun zu dem Thema zurück, das ihn mehr beschäftigte als die Urlaubserinnerungen, und nutzte die kurze Abwesenheit seiner Frau, um wieder dienstlich zu werden. »Übrigens, hatte ich dir erzählt, dass heute eine Frau bei mir im Büro war? Sie hat ausnahmsweise eine Vermisstenanzeige bei mir aufgegeben. Ihr Ehemann – ein Architekt – war auch im Theater. Er ist noch nicht wieder nach Hause gekommen und sie vermisst ihn seitdem.«

      »Ich höre das ganz genau, mein Schatz. Ihr seid schon wieder im Dienstmodus angekommen«, kommentierte Lea das leise Zwiegespräch der Männer, als sie mit dem Nachtisch hereinkam.

      Und natürlich hatte seine Frau recht damit. Thomas prostete daraufhin seinem Kollegen und ihr zu, um sie davon abzulenken, dass seine Gedanken eigentlich am aktuellen Fall hingen. »Auf das Leben und auf uns!«

       Kapitel 7

      »Jetzt nicht!«, ermahnte Berger seine Sekretärin, die gerade in sein Büro kam. »Ich muss mich konzentrieren und brauche mal eine halbe Stunde meine Ruhe. Ist das so schwer zu verstehen?«

      Sie verließ wieder einmal kopfschüttelnd das Büro und schloss leise die Tür hinter sich.

      Hauptkommissar Berger überflog gerade zum dritten Mal die Gästeliste des Galaabends vom vergangenen Mittwoch, auf der 256 Namen standen. Er hatte sich dafür aus dem Internet einen Plan des Theaters vergrößert, ausgedruckt und auf seinem Schreibtisch ausgebreitet. 550 Zuschauer fasste das Große Haus. Auf diesem Schema markierte er ganz genau, in welcher Reihe und auf welchem Sitz die jeweilige Person gesessen hatte. Die ersten fünf Reihen waren für Politiker und Prominente reserviert worden. Für die restlichen etwa 300 Sitzplätze gab es an dem Abend freie Platzwahl.

      Berger trank seinen kalten Kaffee aus. Plötzlich entdeckte er, dass der für den Architekten Jan Wilke reservierte Platz genau derjenige war, unter dem der Sprengstoff detoniert war. Es handelte sich also um den Sessel, in dem die junge Frau gesessen hatte, die durch die Explosion ums Leben gekommen und deren Identität bisher ungeklärt war. Scheinbar vermisste sie niemand. »Aber wo saß dann Jan Wilke an dem Abend?«, murmelte Berger, während er sich mit seinem Kugelschreiber am Kinn kratzte. ›Warum ist er nach der geplatzten Gala nicht nach Hause gekommen? Wo ist Jan Wilke jetzt?‹, grübelte der Kommissar. Die zwei verletzten Männer neben der jungen Frau gehörten dem Welterbe-Verein in Schwerin an. Sie schwebten nicht mehr in Lebensgefahr und waren auf dem Weg der Besserung. Er nahm sich vor, sie in Kürze noch im Klinikum zu befragen.

      Der Polizist griff zum Telefon und rief die Frau des Architekten an. »Kripo Schwerin, Berger am Apparat. Frau Wilke, hat sich Ihr Mann gemeldet? Ist er wieder zu Hause?«, fragte er ohne eine Pause zwischen den Fragen.

      »Nein, Herr Hauptkommissar. Ich hätte Sie doch sonst gleich angerufen. Ich habe im Büro meines Mannes schon mehrmals angerufen. Dort meldet sich auch niemand.«

      Bei Berger ratterten die Gedanken durch den Kopf. Er stand auf, um sich noch einen starken Kaffee aus seinem Vorzimmer zu holen.

      Seine Sekretärin guckte stur in eine andere Richtung, als er an ihrem Schreibtisch vorbei zur kleinen Küchenzeile rechts neben der Tür ging. Vor einer halben Stunde hätte sie ihm den Kaffee noch mit einer Schokowaffel, die er so gern mochte, serviert. Jetzt überließ sie Berger die Bedienung des komplizierten Kaffeeautomaten. Sie war wütend und hoffte insgeheim, das Gerät würde jetzt Entkalken oder Reinigen anzeigen.

      Berger bemerkte seine Sekretärin nicht einmal und war in Gedanken schon wieder im Schweriner Theater. Wieder zurück in seinem Büro notierte er die offenen Fragen:

      - Wer ist die tote Frau?

      - Wo ist Jan Wilke?

      - War er vielleicht gar nicht im Theater?

      - Hat Wilke etwas mit dem Tod der Frau zu tun?

      - Warum gab es eine Explosion in der Herrentoilette? Ist der mutmaßliche Täter ein Mann? ›Eine Frau hätte den Sprengstoff wahrscheinlich in der Damentoilette platziert‹, dachte er, während er schrieb.

      - Warum haben die Sprengstoffsuchhunde vor der Gala nichts gefunden? ›Jemand hat abgewartet, bis die Suchhunde durch das Theater gelaufen sind‹, dachte der Kommissar ein ums andere Mal. ›Zwischen dem Einsatz der Hunde und dem Einlass der Gäste liegt eine Stunde. Genügend Zeit, um Sprengstoff in der Herrentoilette und im Zuschauerraum zu verstecken. Aber es muss doch irgendjemand etwas bemerkt haben!‹

      - Wer hat die Geldforderung an die LED-Wand gestrahlt?, war eine weitere Frage, die er auf seinem Notizblock festhielt. Berger lehnte sich auf seinem Bürostuhl zurück und streckte seinen Rücken mit einem lauten Stöhnen durch, als sein Kollege Lars Paulsen in seinem Arbeitszimmer erschien. »Na, hast du was Neues? Weißt du schon, wer die tote Frau ist?«

      »Nein, bisher nicht«, antwortete Paulsen. »Der ganze Fall ist mysteriös. Ich bin gerade


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