Elisabeth. Artur Hermann Landsberger

Elisabeth - Artur Hermann Landsberger


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Markt,“ stöhnte Fürst.

      „Was hast du aber auch getan?“ erwiderte Erich.

      „Taktik!“ log Fürst. „Du wirst später einmal alles verstehen, was dir jetzt vielleicht sonderbar erscheint.“

      Erich richtete den arg zugerichteten Genossen auf — und glaubte ihm.

      „Ich bin sehr schwach,“ log Fürst weiter, reichte Erich die Hand und sagte:

      „Versprich mir, daß du mein Werk fortsetzt, wenn ich sein Opfer werde.“

      Erich war erschüttert und gelobte es.

      In einem der vielen vor dem Festsaal wartenden Autos, die am schnellsten in Gang kamen, saß Familie Grothe; Vater, Tochter und Schwiegersohn.

      „Man ist seines Lebens nicht mehr sicher!“ sagte der Alte.

      „Wenn du schon jammerst, was soll da ich sagen,“ erwiderte Iwan Schiff.

      „Wieso?“ fragte der und Schiff erwiderte:

      „Sehr einfach! Entweder siegen die Kommunisten, dann bin ich verloren, oder es siegen die Antisemiten, dann bin ich auch verloren. Ich bin also auf alle Fälle verloren und würde mir eine Kugel durch den Kopf jagen, wenn ...“

      „Wenn?“ fragte Edith ängstlich und hielt seine Hand.

      „Wenn die Devisen nicht so fest wären,“ erwiderte Schiff und holte Atem.

      Drittes Kapitel

      „Die angebrochene Nacht“, meinte Iwan Schiff, als er mit seiner Frau und seinem Schwiegervater im Auto nach Hause fuhr, „sollte man eigentlich auf anständige Weise zu Ende führen.“

      „Und schlafen gehen,“ beendete Edith den Satz.

      „Nee! durchbummeln!“ erwiderte Iwan, und der alte Grothe sagte:

      „Ich bin kein Spielverderber.“

      „Ich sonst auch nicht,“ sagte Edith. „Aber wenn man, wie heute abend, mitten im besten Flirt unterbrochen wird, dann verliert man die Stimmung.“

      „Eine verheiratete Frau flirtet nicht,“ sagte der Alte, worauf Edith und Iwan so laut anfingen zu lachen, daß der alte Grothe sie ganz verdutzt ansah.

      „Und du willst ein moderner Mensch sein, Papa!“ rief Edith, als sie sich ein wenig beruhigt hatte.

      „Zeig du, daß du’s bist!“ sagte Iwan, „und laß Papa und mich noch eine Stunde lang allein irgendwo hingehen.“

      „Von mir aus wohin und solange ihr wollt,“ erwiderte Edith. „Obschon ich nicht begreife, wieso ich euch im Wege bin. Ich bin weder eifersüchtig noch reg’ ich mich auf, wenn ihr euch anderswohin verirrt. — Uebrigens wo steckt Erich?“

      „Der Junge hat heute von mir tausend Mark bekommen,“ sagte der Alte.

      „Das erklärt alles,“ meinte Iwan und befahl Leo, dem Chauffeur, statt nach Haus, in ein Ballokal im Westen zu fahren.

      Leo, der Chauffeur, war wohlhabend und stieß sich nicht daran, daß er das rapide Wachstum seiner Ersparnisse weniger seiner Tätigkeit als seiner Diskretion verdankte.

      Nur seiner Frau erzählte er:

      „Um drei Uhr fuhr ich als erste die junge Frau Edith nach Haus. Durch den Tiergarten, obschon das ein großer Umweg war. — Aber da sie nicht allein war, so nahm ich an, daß sie es nicht besonders eilig hatte, nach Haus zu kommen. Sie sagte denn auch, als ich nach vielem Kreuz und Quer schließlich vor der Villa hielt, ziemlich enttäuscht: ‚Schon?‘ obgleich ein entrüstetes ‚Endlich‘ weit mehr am Platze gewesen wäre. Hier“ — und er legte dreißig Mark auf den Tisch —, „das gab mir der Herr, der sie bis nach Haus begleitete.“

      „Und ihr Mann und der alte Herr Grothe?“ fragte die Frau.

      Leo, der Chauffeur, holte aus der rechten Tasche einen Fünfzigmarkschein heraus, legte ihn auf den Tisch, betrachtete ihn und sagte:

      „Das ist Herr Iwan Schiff — es zeugt von einem zwar nicht ganz reinen Gewissen, läßt aber immer noch die Möglichkeit zu, daß er sich nichts Besonderes vorzuwerfen hat. Während dies hier“ — und er zog aus der anderen Tasche einen Hundertmarkschein hervor, den er neben den Fünfziger legte — „von dem alten Herrn Grothe herrührt und keinen Zweifel darüber läßt, daß damit ein schwerer Verstoß verdeckt werden soll.“

      „Ich muß offen sagen,“ erwiderte seine Frau, „daß mir die schweren Verstöße sympathischer sind als die harmlosen.“

      „Das ist nicht edel gedacht,“ sagte Leo.

      „Wenn es nur bei uns sauber bleibt,“ erwiderte sie. „Was andre tun, geht uns nichts an.“

      „Das geht uns wohl an,“ widersprach er. „Wenn jeder so dächte, wie sollte es da besser werden? Wir müssen doch mal heraus aus dem Dreck.“

      „Willst ausgerechnet du den Anfang machen?“

      „Wenn das jeder sagen wollte, würde es nie anders.“

      „Geh doch hinauf zur Gnädigen und sag’ ihr, wie’s ihr Mann treibt — wenn du glaubst, damit dein Vaterland zu retten. Und wenn du dann deine Stelle los bist, dann lauf zum Staatsanwalt und erzähl’ ihm von den Schiebergeschäften, die er macht.“

      „Wenn ich’s mir leisten könnte, ich tät’s schon,“ erwiderte Leo. „Was er in Wiesbaden mit den Franzosen verhandelt — ich weiß so allerlei aus seinen Gesprächen während der Autofahrten — das ist nichts anderes als Landesverrat.“

      „Was geht’s dich an? — Der nächste Herr, zu dem wir kommen, treibt’s womöglich noch toller.“

      „Da magst du recht haben.“

      „Jeder sieht heut, wo er bleibt.“

      „Das ist es! Was dabei aus dem Ganzen wird, das kümmert ihn sonst was. Und daraus entsteht das ganze Elend.“

      „Das du als letzter ändern kannst,“ erwiderte sie. „Dazu brauchst eine starke Hand, die wie ein Donnerwetter reinfährt.“

      „Bravo!“ stimmte er zu. „Da hast du den Nagel auf den Kopf getroffen.“

      „Na also! dann sind wir ja mal wieder einig.“

      Sie gab ihrem Mann die Hand, er zog sie zu sich auf den Schoß und drückte sie an sich. —

      Anders ging es inzwischen oben in der Villa zu.

      Der alte Grothe war nach drei Stunden Schlaf und einer kalten Abreibung grade wieder Mensch geworden und saß vor seiner reich beladenen Frühstückstafel, als der Diener den Kandidaten Paul Schäfer meldete. Grothe sagte mit vollem Munde:

      „Ins Büro!“

      „Das habe ich dem Herrn auch gesagt,“ erwiderte der Diener. „Aber er erklärt, es handle sich nicht um Geschäftliches.“

      „Schon faul!“

      „Darf ich ihn ins Herrenzimmer führen?“

      „Unsinn. — Er soll Ihnen sagen, was er will.“

      Der Diener verbeugte sich und ging; kam aber gleich darauf zurück und meldete: „die Angelegenheit sei durchaus diskreter Natur“.

      „Quatsch! wenn es sich nicht um ein Geschäft handelt, kann es auch nicht diskret sein. Er soll Ihnen sagen, was er will — sonst bedaure ich, ihn nicht empfangen zu können.“

      Der Diener verschwand wieder und es entwickelte sich in der Halle zwischen ihm und Schäfer folgendes Gespräch.

      „Der Herr Generaldirektor ersuchen nochmals, die Angelegenheit zunächst mir vorzutragen.“

      „Unmöglich!“

      „Dann bedauert er ...“

      „Ja —


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