Kinderärztin Dr. Martens Box 1 – Arztroman. Britta Frey

Kinderärztin Dr. Martens Box 1 – Arztroman - Britta Frey


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einer halben Stunde brachte Knut den Jungen zurück in sein Zimmer. Knut wurde dort schon von Schwester Laurie erwartet, die ihm sagte, dass er unten im Ärztezimmer verlangt würde.

      *

      Nachdem sich Hanna von Knut getrennt hatte, führte sie ihr erster Weg in Kays Sprechzimmer. Kay war nicht allein, sondern Dr. Malte Dornbach war bei ihm, und beide führten ein angeregtes ernstes Gespräch.

      Ein ungutes Gefühl stieg in Hanna hoch, als Kay mit ernster Miene sagte: »Schön, dass du kommst, Hanna. Dr. Dornbach hat mir gerade die Ergebnisse der Untersuchungen, die er bei dem kleinen Sven Berkel durchgeführt hat, gebracht.«

      »Und, wie schaut es aus? Wenn ich dich und Dr. Dornbach ansehe, sagt mir mein Gefühl, dass Anlass zur Sorge besteht, nicht wahr?«

      »Es ist in der Tat so, Frau Dr. Martens. Leider, muss ich sagen, denn wir können den Schaden, den ich festgestellt habe, hier in der Klinik nicht beheben. Uns bleibt eigentlich nur, den Jungen mit Medikamenten ein wenig aufzubauen und zu stärken.«

      »Was wollen Sie damit sagen, Dr. Dornbach? Doch wohl nicht, dass es für den Jungen keine Hilfe gibt, oder?« Dumpf pochte Hannas Herz in ihrer Brust.

      »Nein, das wollte ich damit gewiss nicht sagen. Theoretisch könnte ich hier sogar etwas tun, wenn wir eine Herz-Lungenmaschine zur Verfügung hätten. Aber da das nicht der Fall ist, muss Herr Berkel seinen Jungen auf jeden Fall in eine Spezialklinik bringen. Nicht gleich heute oder morgen, aber in absehbarer Zeit. Meine Diagnose bei dem Jungen ist eindeutig beweisbar. Meine Untersuchungen haben ergeben, dass der Junge an einer Mitral­insuffizienz leidet.«

      »Das bedeutet demnach, Schlussunfähigkeit der Mitralklappe, sodass Blut in der Systole vom linken Ventrikel in den linken Vorhof zurückfließen kann?«, entfuhr es Hanna bestürzt.

      »Ja, dadurch zieht sich der Herzmuskel zusammen, und es entsteht eine Volumendruckerhöhung im kleinen Kreislauf. Daher auch die verminderte körperliche Belastbarkeit des Jungen. Schwäche und sogar kurze Anfälle von Bewusstlosigkeit können folgen. Sie kennen ja alles, was noch im Gefolge dieser Erkrankung auftreten kann. Die einzig wirksame Therapie ist auf Dauer gesehen ein operativer Klappenersatz unter Einsatz der Herz-Lungenmaschine. Schauen Sie sich die Ergebnisse der Untersuchungen und auch die Aufnahmen an, und Sie werden wie Ihr Bruder zu der gleichen Diagnose kommen. Sie haben ja schon ohne die vielseitigen Untersuchungen eine Insuffizienz bei dem Jungen diagnostizieren können.«

      Während Hanna betroffen schwieg, sagte Kay ernst: »Solange der Junge bei uns in der Klinik bleibt, wird Dr. Dornbach die Behandlung übernehmen, Hanna. Es liegt jetzt an Herrn Berkel, wie er sich entscheidet. Es besteht zwar keine unmittelbare Lebensgefahr, aber wie wir alle wissen, sind alle Herzerkrankungen immer besonders tückisch. Man muss da sehr vorsichtig sein. Sag bitte oben Bescheid, dass wir Herrn Berkel zu einem Gespräch erwarten.«

      Hanna wählte die Nummer der Station und hatte sofort Schwester Laurie am Apparat.

      »Hier Dr. Martens, Schwester Laurie. Würden Sie bitte in das Zimmer von Sven Berkel gehen und Herrn Berkel Bescheid geben, er möchte doch bitte in das Sprechzimmer meines Bruders hinunterkommen?«

      »Herr Berkel ist mit dem Jungen vor gut zwanzig Minuten in den Klinikpark hinuntergegangen, Frau Doktor. Soll ich ihn holen lassen?«

      »Das ist nicht unbedingt notwendig, Schwester Laurie, es reicht, wenn er gleich mit dem Jungen zurückkommt. Die halbe Stunde, die ich für heute erlaubt habe, ist ohnehin gleich vorbei.«

      »In Ordnung, Frau Doktor, ich sage dann Herrn Berkel sofort Bescheid, wenn er zurückkommt.«

      Während Hanna den Hörer auf die Gabel zurücklegte, fragte Malte Dornbach: »Mich brauchen Sie dann im Moment wohl nicht mehr, nicht wahr?«

      »Wir haben ja alles durchgesprochen, Dr. Dornbach, und was die Behandlung des Jungen betrifft, haben Sie völlig freie Hand. Es reicht, wenn Sie mich über das Gesamtbefinden und darüber, wie die Medikamente anschlagen, auf dem Laufenden halten. Aber lassen Sie mir die Unterlagen über den Befund noch hier, ich bringe sie Ihnen später hinüber.«

      Mit einem freundlichen Nicken verabschiedete Malte Dornbach sich und ließ den Chefarzt und seine Schwester allein.

      »Ich hatte nicht damit gerechnet, dass es so ernst mit dem Jungen sein könnte«, sagte Hanna mit belegter Stimme, nachdem sich hinter Malte Dornbach die Tür geschlossen hatte. »Es wird Knut sehr hart treffen, wenn er kommt und von dir die Wahrheit erfährt.«

      »Denk daran, dass der Junge noch alle Chancen hat. Wenn wir hier bei uns in der Klinik auch nicht allzu viel für ihn tun können, gibt es doch sehr gute Spezialisten, gerade für herzkranke Patienten. Ein, zwei Jahre weiter, und wir werden uns auch eine der nach dem neuesten Stand hergestellten Herz-Lungenmaschinen anschaffen. Aber du weißt, da müssen generell noch andere Voraussetzungen geschaffen werden. Nur die Anschaffung der Maschine reicht allein nicht aus. Malte Dornbach ist zwar schon jetzt ein ganz hervorragender Facharzt auf seinem Gebiet, ein ausgezeichneter Chirurg, aber das allein reicht für die schwersten Operationen noch nicht aus. Es fehlt uns für solche Fälle noch weiteres geschultes Fachpersonal. Aber du kennst auch den Spruch: Gut Ding will Weile haben. Alles auf einmal ist eben für niemanden zu schaffen. Knut Berkel scheint mir zudem ein sehr vernünftiger und aufgeschlossener Mensch zu sein. Er wird tun, was für seinen Jungen notwendig wird. Er wird die gegebene Sachlage akzeptieren.«

      Hanna war gerade im Begriff, etwas auf die Worte Kays zu erwidern, als an die Tür geklopft wurde. Kay forderte zum Eintreten auf, und mit angespanntem Gesichtsausdruck betrat Knut Berkel den Raum.

      »Sie haben mich zu sich bitten lassen, Herr Dr. Martens. Kennen Sie inzwischen die Untersuchungsergebnisse?«

      »Ja, darüber möchten wir uns mit Ihnen unterhalten, Herr Berkel. Aber bitte, nehmen Sie doch zuerst Platz. Was wir Ihnen zu sagen haben, ist nicht mit ein paar Worten abgetan.«

      Schon als Knut in die Gesichter der geliebten Frau und ihres Bruders sah, fühlte er, dass das ungute Gefühl in ihm wohl zu Recht bestand. Obwohl Hanna ihm beruhigend zulächelte, fühlte er plötzlich, wie die Angst um seinen Jungen sein Herz umkrallte.

      »Bitte, Herr Dr. Martens, was fehlt meinem Jungen? Ich sehe es doch Ihrem Gesicht an, dass Sie keine gute Nachricht für mich haben. Hanna, bitte, was ist denn mit Sven?«

      Ausführlich und verständlich erklärte Kay Martens Knut Berkel, woran sein Sohn litt, und was er tun konnte, damit seinem Jungen geholfen werden konnte. Als Kay mit seinen Erläuterungen am Ende war und schwieg, entfuhr es Knut fassungslos: »Das kann doch nicht sein, es muss sich da um einen Irrtum handeln. Es hätte sich dann doch schon viel früher bemerkbar machen müssen. Sven war doch, abgesehen von normalen Erkältungen und einer Rippenfellentzündung, niemals ernsthaft krank gewesen. Ich begreife es einfach nicht.«

      »Es ist Ihnen jetzt vielleicht unbegreiflich, aber anhand der Untersuchungsergebnisse ist ein Irrtum ausgeschlossen. Es gibt für die Entstehung eines Herzschadens dieser Art verschiedene Möglichkeiten. Aber in dem Fall Ihres Jungen ist der Schaden vorhanden, und Sie müssen alle Möglichkeiten zur Behebung ausschöpfen. Wie ich Ihnen ja schon erklärte, möchten wir das Befinden Ihres Jungen hier bei uns etwas stabilisieren, damit er mehr Widerstandskraft hat. Ich kann Ihnen ausgezeichnete Spezialkliniken empfehlen, in der Eingriffe dieser Art durchgeführt werden. Es kommt nun nicht auf einen Tag an, aber Sie sollten sich mit dem Gedanken an eine Operation vertraut machen.«

      »Was mein Bruder sagt, stimmt, Knut«, sagte Hanna. Sie trat an seine Seite und legte mit einer beruhigenden Geste eine Hand auf seinen Arm.

      »Ich glaube deinem Bruder, Hanna, ich kann es nur nicht begreifen. Auf keinen Fall kann ich Sven jetzt unbefangen gegenübertreten. Ich muss hinaus, muss erst einmal wieder zu mir zurückfinden und klare Gedanken fassen. Bitte, kannst du dich um Sven kümmern und ihm irgendetwas erzählen? Sag ihm, dass ich etwas zu erledigen hätte.«

      »Sei unbesorgt, Knut, ich werde mich um ihn kümmern. Wenn es dir hilft, fahre du ruhig ein wenig durch die Gegend. Und nimm es nicht so schwer. Es wird sich ganz bestimmt ein Weg finden lassen, damit Sven geholfen werden kann. Du kannst dabei


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