Die Jungfrauen Sammelband. Grace Goodwin

Die Jungfrauen Sammelband - Grace Goodwin


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      Er war tot.

      Ich war vor Schock wie betäubt, drehte mich aber um, als ich Fußschritte hörte. Der Adrenalinstoß ließ mich mit erhobenen Händen auf die Füße springen und ich erblickte meine Partnerin, als sie mit ihrem Gewehr auf Nerons Schädel gerichtet auf mich zu gelaufen kam.

       Cassie

      Maddox und Neron kämpfen zu sehen war einfach sagenhaft gewesen. Beide waren so versiert, so ebenbürtige Gegner, dass es zuerst fast wie ein Tanz ausgesehen hatte. Es war klar, dass sie nicht zum ersten Mal miteinander rangen, dass sie die Fähigkeiten ihres Gegenübers kannten. In einem kranken Ritual, das ich nicht nachvollziehen konnte, schienen die beiden das Ganze zu genießen. Jedenfalls bis es ernst wurde.

      Als ich mein Gewehr aus der Satteltasche zog, war klar, dass mehr aus der Übung wurde. Die Tritte, die Wut hinter den Fausthieben, den Ellbogenkicks und selbst den Schienbeintritten wurde intensiver. Maddox hätte sich behaupten können, wenn er nicht gestolpert wäre. Als ich ihn fallen sah und Nerons Tritte gegen seinen Kopf mit ansah, geriet ich in Panik.

      Maddox’ Augen hatte ihren Fokus verloren. Er war verletzt. Wenn ich es sehen konnte, dann konnte Neron es auch sehen. Das war der Moment, an dem Neron ihn ausschalten würde. Das konnte ich nicht zulassen. Also hatte ich im Gehen meine Waffe entsichert, sie gehoben und abgefeuert. Neron hatte vor ihm gestanden und nur sein Oberkörper war freigelegt. Hätte ich tiefer gezielt, dann hätte ich Maddox in den Hinterkopf geschossen.

      Aber ich hatte ihn nicht verfehlt. Ich war ein zu guter Schütze und hatte einen guten Grund, um einen Treffer zu landen. Ich musste entweder das Risiko eingehen oder hätte Maddox für immer verloren.

      Und so hatte ich hastig meine Arme auf einen Felsen gestützt, gezielt und gefeuert. Zweimal. Der Schuss war kraftvoll, aber vertraut. Zuerst hatte ich mit Charles auf Büchsen geschossen, später auf Hasen. Irgendwann hatte ich mich an größere Tiere herangewagt, um sie abends auf den Tisch zu bringen.

      Aber dieser Moment war ausschlaggebend für mich. Während Maddox als Kind mit Neron gekämpft hatte, hatte ich mit Charles das Schießen gelernt. Als er starb, hatte ich wie besessen geübt, um über meinen Verlust hinwegzukommen. Meine Vergangenheit war es, was Maddox das Leben gerettet hatte, sie hatte Neron schneller aus dem Leben gerissen, als ihm das Blut aus den Wunden sickerte. Ich hatte mich meiner Vergangenheit bedient, um meine Zukunft zu sichern.

      Nichts, nichts, würde mich von meinem Partner trennen.

      “Cassie,” sprach Maddox, seine Stimme klang schmerzverzerrt und überrascht. Er stand, wenn auch auf unsicheren, wackeligen Beinen. Ich lief zu ihm rüber und strich ihm über die Wange. Er deutete mit dem Kopf. “Hilf ihr.”

      Ich blickte zu der Frau, die an die Reling gebunden war. Ich ging zu ihr herüber und band sie erst von der Reling los, dann befreite ich ihre Handgelenke. “Hi. Ich bin Cassie. Wir werden dir nicht wehtun. Du bist jetzt sicher.”

      Sobald die Fesseln gelöst waren, sprang sie auf, raste über den Boden und schnappte sich die Pistole, die Neron aus der Hand gefallen war, nachdem ich auf ihn geschossen hatte.

      “Cassie, komm her. Sofort,” sprach Maddox leise.

      Ohne ein Wort zu sagen, zog ich mich wieder zurück; ohne dabei die Frau aus den Augen zu lassen. Sie war mehrere Zentimeter größer als ich, aber in meinem Alter. Ihr Haar war dunkelrot, was mich auf der Stelle eifersüchtig machte, aber ihre Haut war blass und sie hatte Sommersprossen im Gesicht. Ihre Augen waren ein weiches Braun und standen weit auseinander, als sie die Alien-Waffe in der Hand hielt. Mit der anderen Hand rieb sie an ihrem blauen Kleid auf und ab, als ob ihre Handfläche kratzte oder brannte. Ich erkannte die Geste wieder, denn ich hatte dasselbe getan, bevor Maddox aufgetaucht war.

      Maddox’ Arm kam um meine Taille und er zog mich hinter sich. Sie hatte Schlimmes durchgemacht und ich wusste nicht, was sie als Nächstes tun würde.

      “Wir werden dir nichts tun,” sprach Maddox und streckte seine Hände vor sich aus.

      “Er ist tot,” fügte ich hinzu. “Du bist jetzt sicher.”

      Sie spottete über meine Worte und ging voran, die Pistole hielt sie dabei auf Maddox’ Brust gerichtet. “Ich glaube dir nicht. Ich habe deine Hand gesehen.” Sie stupste mit der Stiefelspitze gegen Nerons Schulter. “Und seine. Ich weiß, was ihr seid.”

      Ich kam hinter Maddox hervor, ignorierte dabei seine Anweisung. “Ach ja?”

      Sie beäugte mich neugierig und ich entspannte mich und wartete auf eine Erklärung.

      “Ja.” Sie trat einen Schritt zurück, richtete die Waffe jedoch weiterhin auf Maddox, da er ihrer Meinung nach wohl die größere Bedrohung darstellte. Wie klug. “Zeigt eure Hände.”

      Ich hob meine Handflächen hoch, genau wie Maddox und sie ließ erleichtert die Schultern hängen, gerade als sie ihre eigene Hand noch fester über ihren Rock rieb. “Dann gehört er zu dir? Dein markierter Partner?”

      “Ja. Er gehört mir.”

      “Gott sei Dank.” Sie senkte ihre Waffe und entschuldigte sich bei Maddox. “Entschuldige, aber du würdest nie glauben, was für durchgeknallte Träume ich habe.”

      “Du bist markiert, oder?” Ich grinste, aber als ich sie genauer betrachtete, verflüchtigte sich mein Lächeln umgehend. Meine gemeinsamen Träume mit Maddox waren erotisch und aufregend gewesen. Jedes Mal, wenn ich daran zurückgedacht hatte, war ich feucht und hibbelig geworden, nicht wütend oder verängstigt. Diese Frau schien beides davon zu sein und nur mit Mühe konnte ich mich mit dem Gedanken anfreunden, der mir gerade durch den Kopf ging. Ich blickte kurz zu Nerons lebloser Hülle rüber, dann blickte ich zurück zu ihr. “War er es? War er dein Partner?”

      Sie trat gegen seine Schulter, nicht mit großer Kraft, sondern eher als Zeichen der Verachtung. “Nein. Aber ich wünsche mir fast, er wäre es.”

      Maddox atmete scharf ein bei ihren Worten und ich wollte sie beruhigen. “Tut mir leid.”

      “Egal. Ich verschwinde jetzt. Und ich nehme dein Pferd.”

      “Na schön. Ihr Name ist Cali, die Abkürzung für Kalifornien. Sie ist ein gutes Pferd, sehr intelligent und sie braucht nicht viel Zug am Zügel.” Ich hatte nicht vor mit ihr zu streiten. Sie war durch die Hölle gegangen und ich wusste, wo Maddox seinen Wallach gelassen hatte. Bis zum Schiff würde es ein langer Ritt werden, aber wir würden schon ankommen. Und dann? Ich würde mein Pferd sowieso nicht mehr brauchen; ich würde in eine neue Welt aufbrechen.

      Sie blickte zu Maddox. “Danke, dass du mein Leben gerettet hast.”

      Er nickte und zog die Schultern zurück, während er versuchte sich auf den Beinen zu halten. “Gern geschehen.”

      Wir sahen zu, wie sie auf meine bunte Stute aufstieg, das Tier in Bewegung brachte und es Richtung Osten lenkte. Mit waghalsigem Tempo galoppierte sie davon, aber ich konnte ihr keinen Vorwurf dafür machen.

      Erst dann schloss Maddox mich in seine Arme und seufzte. Er fühlte sich gut an, warm und fest, sein Herz schlug gleichmäßig. Ich nahm seine Hand und hob sie hoch, damit ich seine Markierung betrachten konnte, dann legte ich meine darauf. Ich spürte Hitze, als die Verbindung aufflackerte.

      “Ich glaube, ich liebe dich,” flüsterte ich, als ein Gefühl von Liebe und Zufriedenheit mich überflutete und den Schrecken meiner Tat wegwusch. Eben hatte ich einen Mann getötet. Er war zwar ein Mörder gewesen, ein kaltblütiger Killer, der meinen Adoptivvater getötet hatte, aber ich konnte immer noch die Trauer spüren, das Gewicht von Nerons Tod in meinen Händen, als ich Maddox festhielt. Ich bereute seinen Tod nicht, denn er war notwendig gewesen. Und zum ersten Mal hatte ich keine Angst davor die Erde zu verlassen. Mein Zuhause. Maddox war jetzt mein Zuhause. Ich würde ihn lieben und mich seiner annehmen und im Moment hatte er dringend Fürsorge nötig. “Du bist verletzt. Ich habe den ReGen-Stab mitgebracht. Lass dich von mir behandeln.”

      Maddox verkrampfte sich und befreite sich aus meiner Umarmung. “Nein. Nicht hier.


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