Auf dem Weg durch die Zeit. Detleff Jones

Auf dem Weg durch die Zeit - Detleff Jones


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Mann - Chris Roberts, und er wurde begleitet von Werner Twardy, dem Komponisten zahlloser Schlager für Roy Black & Co und eben auch Chris Roberts. Ich war fasziniert, wie Twardy in die Tasten hämmerte - so hatte ich das noch nie gesehen! Chris sang seine drei Titel routiniert runter – „ich bin verliebt in die Liebe“, „Mein Name ist Hase“ und „Du kannst nicht immer siebzehn sein“, großer Applaus, und dann war er auch schon wieder verschwunden. Ich sah ihn erst am nächsten Morgen wieder, als wir ihn nach München flogen. Er war der einzige Passagier, und so konnte ich mich ein wenig mit ihm unterhalten – zumindest hatte ich das erhofft. Doch er blieb eher verschlossen, unnahbar und unverbindlich. Ich sah ihn dann erst viele Jahre später in einer Fernsehsendung, in der er auftreten wollte, aber nicht gelassen wurde. Und ich stellte fest, dass er sich über all die Jahre nicht verändert zu haben schien – er war immer noch ein Schlagersänger, mit derselben Frisur, die aber nun irgendwie unpassend und künstlich wirkte – ebenso unverbindlich wie Jahrzehnte zuvor.

      Die Lokalpresse feierte den Bundeswehrabend in Bonn groß – es gab halbe und ganze Seiten. Mein Song wurde sehr positiv bewertet, und man räumte ihm gar „Chancen für die Charts“ ein – aber darauf gab ich rein gar nichts, denn nirgendwo liest man mehr Unsinn über Musik und Musikschaffende als in der Zeitung! Aber immerhin musste ich ein paar Tage später zu einem höheren Offizier kommen, der mir vorschlug, mich mit Günter Noris zusammenzubringen. Der war vom damaligen Verteidigungsminister Helmut Schmidt mit der Bildung einer Bundeswehr Bigband betraut worden, und diese Band feierte sich gerade quer durch die Republik von Erfolg zu Erfolg. Zu diesem Termin nahm ich Rolf Stolte mit, und wir wollten den Song „Warum“ dort vorstellen. Die Bundeswehr Bigband probte in einer alten Halle in einem Hinterhof bei Euskirchen. Günter Noris war überaus zuvorkommend, und da es keine Noten von meinem Song gab (das Notenschreiben hatte ich ja seit Langem verlernt), bat er mich, das Lied kurz vorzuspielen. Das machte ich ein oder zweimal, und schon hatte die Band – die waren alle hervorragende Profis - den Song komplett drauf. Dann wurde Rolf gebeten, das Lied mit Bigband zu singen. Und das ging dann in die Hose! Rolf intonierte nicht sauber, lag mehrmals deutlich neben den Tönen, und so sagte mir Günter Noris dann – „sorry, der Song ist nicht schlecht, aber die Intonation ist nicht sauber – können wir so nicht übernehmen“. Damit wurden wir wieder entlassen.

      Es war mir aber auch nie in den Sinn gekommen, selber zu singen – dazu fühlte ich mich einfach nicht berufen, und ich glaube, ich hätte keinen Ton herausbekommen, auch wenn man mich gebeten hätte! Ich hatte panische Bühnenangst, und selbst einen Sänger am Klavier zu begleiten, war für mich schon grenzwertig. Ich führe das heute darauf zurück, dass ich als kleines Kind zu Hause immer für unseren Besuch etwas vorspielen musste, und das hatte mich offenbar nachhaltig traumatisiert! Also kann ich allen Eltern heute nur raten – lasst eure Kinder in Ruhe und zwingt sie vor allem beim Erlernen eines Instrumentes nie dazu, etwas gegen ihren expliziten Willen zu tun! Vor allem in der Musikerziehung erscheint mir das wichtig, denn Zwang und Kreativität sind nun einmal keine harmonischen Partner!

      Musikalisch gesehen zog ich mich zurück. Ich fuhr oft in meine ehemalige Schule, das Dreikönigsgymnasium am Kölner Thürmchenswall unweit vom Dom. Ich kannte den Hausmeister Herrn Scheidgen gut, und der gab mir – wann immer ich wollte – abends den Schlüssel für die große Aula der Schule. Dort stand auf einer meterhohen Holzbühne ein Steinway Konzertflügel, auf dem ich so manchen Abend zahllose Stunden spielte. Über der Bühne gab es in vier oder fünf Metern Höhe einige große Punktstrahler, die über große Drehregler eingestellt wurden. Ich ließ einen dieser Strahler dann ganz sanft auf den Flügel strahlen, um nicht völlig im Dunkeln zu sitzen. Und dann spielte ich los. Die große Holzbühne verstärkte die ohnehin starke Resonanz dieses fabelhaften Instruments, und das Gefühl, hier in der Schule, an der ich so viele Jahre verbracht hatte, in einer solch besonderen Atmosphäre zu spielen, war für mich einfach ergreifend. Ich fühlte jeden Ton, glasklar lebten die Töne des Steinway, die Luft schien zu vibrieren und brachte mein Empfinden zum Glühen. Manchmal spielte ich so zwei oder drei Stunden am Stück – alles, was mir gerade einfiel. Ich improvisierte einfach drauf los, und vielleicht legte ich in diesen für mich magischen Stunden und Minuten auch den ein oder anderen Grundstein für die Lieder, die ich später schreiben würde, aber bis dahin war es noch ein weiter Weg.

      Neue Wege

      Langsam neigte sich meine Zeit beim Bund dem Ende zu. Der „Ernst des Lebens“ hatte sich als die beste Zeit meines Lebens erwiesen – unbeschwert, frei von großer Verantwortung, frei auch sonst und dabei dauernd in der halben, wenn nicht der ganzen Welt unterwegs! Die vielen Reisen hatten mich ziemlich in Beschlag genommen, und ich hatte mir über meinen weiteren Werdegang immer noch nicht allzu große Gedanken gemacht. Ich hatte ja immer noch das Angebot von Lothar Heubel, jederzeit seiner Firma beizutreten. Meine Eltern drängten mich aber, es doch auch anderswo zu versuchen. Für sie war der Import von Antiquitäten – auch noch aus solch unbekannten Ländern wie Indien, China, Afghanistan oder Indonesien – nicht handfest und damit nicht seriös genug. Vielleicht lag ihr Misstrauen einer solchen Laufbahn gegenüber aber auch in der Person von Heubel, der in der Branche keinen allzu guten Ruf genoss, worüber noch zu berichten sein wird. Aus heutiger Sicht wundert es mich, dass ich mich so gar nicht zu einem Studium hingezogen fühlte – interessante Studiengänge hätte es schon gegeben. Vielleicht war ich auch ganz einfach zu faul. Oder aber der Einfluss, den Heubel auf mich hatte, zeigte Wirkung. Aber ich wollte Geld verdienen – unabhängig sein und das so schnell wie möglich. „Schreib‘ doch mal an Ford – die bieten eine sehr solide Ausbildung, und dort könntest du auch Karriere machen“ mit diesen Worten lag mir meine Mutter immer wieder in den Ohren. Und so schrieb ich eines Tages – mehr, um ihr einen Gefallen zu tun, an die Kölner Ford - Werke, wobei ich absichtlich lediglich anfragte, welche Ausbildungsgänge sie anböten, wenn ich mich denn jemals bewerben sollte. Als Antwort erhielt ich schon wenige Tage später eine Einladung in die Hauptverwaltung nach Köln – Deutz. Ich rechnete mit einer Führung oder irgendeiner Informationsveranstaltung. Aber es stellte sich heraus, dass ich an einer regelrechten Aufnahmeprüfung teilnehmen sollte! Mehrere Fächer wurden geprüft – Mathematik, Englisch, und ich musste sogar einen Aufsatz schreiben. Dann gab es ein Essen in der Kantine, und ich konnte wieder gehen. Und ein paar Wochen später – ich hatte diese unfreiwillige Prüfung fast schon vergessen, erhielt ich von der Personalabteilung einen Brief – man beglückwünschte mich zu meiner Aufnahme in die Ford Familie, in der ich mich während der kommenden zwei Jahre auf eine vielversprechende Karriere vorbereiten konnte. Nur hatte ich dabei ein mulmiges Gefühl im Bauch – war doch eine Karriere als Industriekaufmann absolut nicht das, was ich mir von meinem Leben erhofft hatte! Mama hingegen platzte vor Stolz – ihr Sohn war im Begriff, doch noch etwas Solides in seinem Leben anzugehen!

      Doch dann flog mir mein Rettungsanker entgegen – Heubel rief mich ein paar Wochen später zu sich. Er habe mir ja schon oft genug gesagt, dass er mich gerne einstellen wolle. Doch mittlerweile habe er konkrete Aufgaben für mich: Er wolle eine Auktionsabteilung gründen, die ich aufbauen und leiten sollte. Das war nun endlich ein ganz konkretes Beschäftigungsfeld und ein sehr interessantes noch dazu! Ich war überglücklich, schrieb an Ford und sagte ab und bekam Ende September 1971 von Lothar Heubel meinen ersten Arbeitsvertrag.

      Mein erster Arbeitstag war Freitag, der 1. Oktober 1971. Ich musste nicht groß eingeführt werden – ich kannte die Firma und auch alle Kolleginnen und Kollegen ja aus meinen Ferienjobs bereits bestens. Heubel nahm mich gleich beiseite und sagte mir, dass ich am nächsten Tag, einem Samstag, mitkommen sollte zu einer Anhörung beim Rheinischen Kunsthändlerverband in der Messe Köln. Heubel hatte dort einen Aufnahmeantrag gestellt, der aber negativ beschieden worden war, und gegen diese Ablehnung hatte er sich zur Wehr gesetzt – Heubel wollte diesem Verband unbedingt angehören, weil es sich damals um den einzigen anerkannten und seriösen Verband deutscher Kunsthändler handelte. Und ausschließlich dessen Mitglieder hatten Ausstellungsrecht auf den großen Kunstmessen in Deutschland und Europa, auf denen die finanzstärksten Käufergruppen der Welt einkauften. Um Mitglied zu werden, bedurfte es eigentlich zweier Bürgen und einer Einladung, dem Verband beizutreten, sowie eines ausgewiesenen Fachbereiches, der im Verband noch nicht vertreten war. Es handelte sich also um einen äußerst elitären Verein, der sich sehr erfolgreich nach außen abschottete. Heubel hatte kaum eine der Bedingungen


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