100 Traumhäuser. Wolfgang Bachmann
Energiestandard: KfW 55
Fertigstellung: 2016
Wohnen, wo andere Urlaub machen
Monolith im Park mit Rosen auf dem Dach.
Zwölf Seilbahn-Minuten von Bozen entfernt, auf dem Ritten, liegt das Parkhotel Holzner. Es wurde 1908 im sogenannten Alpinen Jugendstil erbaut, einer weniger ornamentalen Variante des Art nouveau. Seither wurde stets umgebaut, erweitert und renoviert. Die vierte Generation der Familie beauftragte 2013 das Architekturbüro bergmeisterwolf aus Brixen mit dem Bau von Suiten im Dach, einem Aussichtsturm und einem Restaurant. Gäste und Eigentümer waren zufrieden. Es war daher keine Frage, Michaela Wolf und Gerd Bergmeister auch mit dem Entwurf für das Wohnhaus der jungen Hoteliersfamilie mit einem älteren Kind und neugeborenen Drillingen zu beauftragen.
Das ebenfalls der Moderne verpflichtete Wohnhaus setzt nun den Schlusspunkt in dem großen, parkähnlichen Garten des Hotels. Der dreigeschossige Monolith, errichtet in Ziegelbauweise und verkleidet mit erdfarbenem, grob gekörntem und von Hand aufgetragenem Putz, legt sich an und in den Hang. Sein oberirdischer Grundriss ist annähernd quadratisch, er erwächst aus dem in die Topografie geschobenen großen Untergeschoss, das als Sockel ausreichend Platz für untergeordnete Nutzung bietet. Kompakt wurden die Küche und das Wohnzimmer im Erdgeschoss untergebracht, zwei Loggien gestatten den geschützten Aufenthalt im Freien. Grünlicher Terrazzo harmoniert mit dem Mobiliar aus Eiche. Einläufig führt die hölzerne Treppe hinauf ins Obergeschoss, hier wurden Eltern- und Kinderschlafzimmer untergebracht. Eine Loggia wird auch zum erhöhten intimen Rückzugsraum.
Die Dachterrasse feiert den Ausblick und die dem Hotelbetrieb entrückte Privatheit. Rosen versüßen den Aufenthalt. Die robuste, geneigte Pergola wird zum Höhepunkt des kantigen Kubus. Dem massiven und von Einschnitten geprägten Volumen setzt das Spalier an der nordwestlichen Seite ein entsprechend schweres und dabei doch transparentes Dach auf.
Oben: Tiefliegende Fenster und präzise Einschnitte machen die Schwere des Hauses spürbar.
Unten links: Die intime Loggia in der Küche bietet ausreichend Platz für Ausblick und Austritt.
Unten rechts: Die geradlinige, reduzierte Formensprache des Hauses bestimmt auch die Innenräume. Eiche sorgt hier für Wohnlichkeit.
LAGEPLAN
OBERGESCHOSS
DACHGESCHOSS
ERDGESCHOSS
MASSSTAB M 1:400
1EINGANG
2KÜCHE/ESSEN
3WOHNEN
4BAD
5ELTERN
6KINDER
7DACHTERRASSE
SCHNITT
Standort: Oberbozen (I)
Planungsbüro: bergmeisterwolf architekten
Anzahl der Bewohner:
6
Wohnfläche (m2):
60
Grundstücksgröße (m2):
14.232
Zusätzliche Nutzfläche (m2):
160
Bauweise: Ziegelbauweise
Fertigstellung: 2014
Weiterbauen im Weiler
So hat man vor einigen Jahrzehnten noch nicht gebaut, hier treffen regionale Kultur und neuzeitliche Bauweisen zusammen und bilden eine kontemplative Einheit.
Die beiden Wohnhäuser nehmen Bezug auf eine typische Siedlungsform des Gadertals, den Weiler, eine gehöftartige Hausgruppe, die das Prinzip der nachbarschaftlichen Gemeinschaft abbildet. Dieser traditionellen Bauform mit ihren zum Tal gerichteten Firsten entsprechen die beiden Gebäude – ein Wohn- und ein Ferienhaus. Aber statt rustikaler Dekoration haben die Architekten alle Erkenntnisse nachhaltigen Bauens beherzigt. Denn umweltbewusste Ökonomie gemäß den regionalen Voraussetzungen entspricht viel eher dem Prinzip der Bergbewohner. Nicht nur bautypologisch harmonieren die Gebäude mit der Region, auch alle Materialien stammen aus der Nachbarschaft. Beide Häuser sind aus Sichtbeton mit Dolomitsteinzuschlag errichtet, und in der richtigen Mondphase geschlagene Lärchenhölzer verkleiden Dach und Fassaden. Die für den Innenausbau verwendeten Zirbenhölzer (eine hochalpine Kiefer) stammen ebenfalls aus dem Gadertal. Die handgehobelten Fensterrahmen sind dreifach verglast, zum Energiekonzept gehören Erdwärme, Fotovoltaik, passive Sonnenenergie und Wohnraumlüftung. Das Trinkwasser kommt aus einer eigenen Quelle, die Häuser sind autark.
Die moderne Technik ist also keine aufgesetzte Wiedergutmachung für ein freistehendes Haus, wie man es in städtischen Siedlungsbeispielen häufig findet. Schon die Konstruktion ist ohne Stützmauern so auf den Berghang ausgerichtet, dass nur ein minimaler, schonender Aushub erforderlich war. Ihre Orientierung und die Position der Fenster erfordern keine Verschattungseinrichtungen. Die Staffelung der Lärchenschalung dient dem Holzschutz. Aber die Architekten haben nicht nur alles „richtig“ gemacht, sie haben auch innenräumlich durch unerwartete Raumzuschnitte und das Nebeneinander von Sichtbeton, unbehandeltem, massivem Zirbenholz und weichen Lodenstoffen eine wohnliche Atmosphäre geschaffen. Im Haupthaus reichen die Wohnräume im Obergeschoss bis unters Dach. Zusammen mit den reduziert abstrakten Ausbauten und den aussichtsreichen großen Öffnungen ergibt sich eine bergende Umgebung.
Oben: Regionale Elemente wie Satteldach, Loggia und Holzfassade werden aufgenommen und eigenständig interpretiert.
Unten links: Die blendend weißen Innenräume sind von massiver, unbehandelter und handgehobelter Zirbe bestimmt.
Unten rechts: Die Baumaterialien wurden auf ein Minimum beschränkt. Hier ist jeder Einrichtungsstil denkbar.
LAGEPLAN
OBERGESCHOSS
DACHGESCHOSS