Barca. Dietrich Schulze Marmeling

Barca - Dietrich Schulze Marmeling


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ums Leben. Die USA beschuldigen Spanien der Täterschaft, und Washington erklärt Madrid den Krieg. Drei Monate später hat Spanien nicht nur Kuba, sondern auch die Philippinen, Guam und Puerto Rico als Kolonien verloren. Im Wettstreit mit den modernen Nationen hat Spanien nun seinen Tiefpunkt erreicht, was nicht ohne Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen der spanischen Zentralgewalt und Katalonien bleibt.

      In Katalonien schreibt Joan Maragall, der repräsentativste Schriftsteller der „Generation von 1898“, die Oda a Espanya, in deren Schlussschrei es „Adieu Espanya“ heißt. Maragalls Werk symbolisiert die Abwendung vom kastilischen Spanien zugunsten eines neuen Spaniens, in dem Katalonien eine Führungsposition einnehmen soll. In einer späteren Ode des Dichters auf die Stadt Barcelona charakterisiert er diese als „la gran encisera“, die große Zauberin.

      Für Kataloniens Industrielle wiegt der Verlust des kubanischen Marktes schwer. Madrid will die enormen Kosten des Kolonialkrieges über höhere Steuern und Abgaben begleichen, woraufhin die katalanischen Händler und Handwerker in einen Steuerstreik (Tancament de Caixes) treten. Madrids Schwäche ist Barcelonas Stärke. Der Streik ist Ausdruck eines gewachsenen Selbstbewusstseins in Katalonien.

      Bei den Kommunalwahlen von 1901 bringt die Lliga Regionalista de Catalunya von Enric Prat de la Riba, dem Vater des bürgerlichen katalanischen Nationalismus, in Barcelona ihre vier Kandidaten durch. Die Wahlen markieren die Geburt einer politischen Geschichte der Region, wenngleich im restlichen Katalonien vorerst noch die Monarchisten dominieren. Doch in den folgenden Jahren avanciert die Lliga zur ersten politischen Kraft Kataloniens. Es ist eine konservativ-autonomistische Partei, eine Interessenvertretung der Fabrikanten, Bankiers, Geschäftsleute, Juristen und Vertreter wirtschaftlicher Vereinigungen. Nur eine Schicht macht beim Katalanismus nicht so recht mit: das Industrieproletariat, das internationalistisch denkt. Die industrielle Struktur Kataloniens hat eine breite Arbeiterbewegung entstehen lassen, in der die anarchistischen und später anarchosyndikalistischen Strömungen dominieren.

      Klub der Fremden

      Die Herkunft der Farben des FC Barcelona, Blau und Rot, ist bis heute nicht restlos geklärt. Das Rot ist, genauer gesagt, ein Granatrot, weshalb die Trikots der Mannschaft bzw. das Team selbst bis heute Blaugrana genannt werden. Klar ist: Mit Barcelona oder Katalonien haben diese Farben nichts zu tun, sie stammen wohl aus dem Ausland.

      So besagt eine These, dass die Farben vom Rugby-Team der englischen Merchant Taylors’ School übernommen wurden, einer 1620 gegründeten und noch heute existierenden Public School in Cosby nördlich von Liverpool, die auf ihrer Homepage unter den sieben berühmtesten Alumni nicht nur Ben Kay, Kapitän der englischen Rugby-Weltmeister von 2003, und Robert Runcie, Erzbischof von Canterbury 1980 bis 1991, auflistet, sondern auch die Brüder Arthur und Ernest Witty.

      Deren aus Yorkshire stammender Vater Frederick Witty hatte 1873 in Barcelona eine Reederei eröffnet, schickte aber seine Söhne Arthur und Ernest auf die Merchant Taylor’s School. Als die Witty-Brüder nach Barcelona heimkehrten, um ins väterliche Geschäft einzusteigen, fanden sie keine für Rugby geeigneten Spielfelder, weshalb sie nun Fußballspiele zwischen Werkteams organisierten. Rugby und Fußball waren nicht die einzigen „english sports“, denen sich die Wittys widmeten. Ernest Witty war ein ausgezeichneter Tennisspieler, und auf dem Tennisplatz lernte er auch Hans Gamper kennen. 1899 ist nicht nur das Gründungsjahr des FC Barcelona, sondern auch des renommierten Real Club de Tennis Barcelona, dessen erster Präsident Ernest Witty wurde und dem weitere Barça-Mitglieder der ersten Stunde angehörten.

      Arthur und Ernest Witty wurden auch beim FC Barcelona aktiv, als Spieler wie als erste Mäzene. Über ihr Unternehmen importierten sie Bälle, Tornetze und Schiedsrichterpfeifen. Dies ist der Hintergrund dafür, dass die Vereinsfarben mit ihnen in Verbindung gebracht wurden. Anlässlich des 100. Geburtstags des Klubs im Jahr 1999 behauptete der Sohn Arthur Wittys, sein Vater habe die Farben Blau und Rot für den jungen Klub vorgeschlagen.

      Wahrscheinlicher ist aber wohl, dass die Farbenwahl in Anlehnung an Gampers alten Klub FC Basel erfolgte. Gamper war von 1896 bis 1898 aktives Mitglied des FC Basel gewesen und trug sogar die Kapitänsbinde des Klubs, blieb aber auch in der Mitgliederkartei des FC Zürich. Bei seinen ersten fußballerischen Auftritten in Barcelona, also noch vor der Gründung Barças, soll Gamper eine blau-rote Mütze getragen haben.

      Seit seinem Eintreffen in Barcelona hatte Gamper zumindest noch zweimal Kontakt mit dem FC Basel: 1908 bestellte er in Basel 100 Matchplakate, deren Farbgestaltung sowohl für den FC Basel wie den FC Barcelona geeignet war. Am 24. Dezember 1916 kam es zu einem sportlichen Messen zwischen den beiden Klubs, bei dem Barça mit 3:1 die Oberhand behielt. Zwei Tage später sahen sich die beiden Teams erneut. Diesmal hieß es beim Schlusspfiff 3:1 für Basel, bis heute der einzige Sieg der Schweizer über die Katalanen. Manuel Tomàs, verantwortlich für das Dokumentationszentrum des FC Barcelona, hält die Basel-These für die „plausibelste und glaubwürdigste“, um zugleich einzuräumen: „Bewiesen wurde sie nie.“

      Erster Präsident des FC Barcelona wird Walter Wild. Der Engländer Wild ist nicht der letzte Ausländer an der Spitze des Klubs. In den ersten drei Dekaden seiner Existenz, 1889 bis 1929, wird der FC Barcelona von insgesamt 17 Männern geführt. Den meisten von ihnen ist nur eine kurze Amtszeit vergönnt. Fünf der 17 Präsidenten sind Ausländer, die dem Klub addiert immerhin 15 Jahre vorsitzen.

      Hans Gamper entscheidet sich zunächst für eine Spielerkarriere, wird erster Kapitän des jungen Klubs und erzielt zwischen 1899 und 1903 in 48 Spielen über 100 Tore. Sein erstes Spiel bestreitet Barça am 8. Dezember 1899 im Velòdrom de la Bonanova. Gegner ist eine Mannschaft der englischen Kolonie in Barcelona. Da diese nur zehn Spieler aufbieten kann, hilft Arthur Witty bei seinen Landsleuten aus. Die Engländer gewinnen mit 1:0, das Tor des Tages schießt „Leihspieler“ Arthur Witty.

      Walter Wild tritt 1901 als Barça-Präsident zurück, da ihn geschäftliche Gründe zurück in die englische Heimat verschlagen. Für ihn übernimmt Bartomeu Terrades den Vorsitz, der in Barças erstem Vorstand die Position des Schatzmeisters bekleidet hat. Terrades richtet eine sportliche Leitung ein, die mit Gamper, Widerkehr und Maier aus zwei Schweizern und einem Deutschen besteht.

      1902 wird der aus Heppenheim stammende Deutsche Paul Haas Präsident des FC Barcelona. Haas gründet im Klub eine Rugby-Sparte. 1902 gewinnt der FC Barcelona mit dem Copa Macaya, Vorläufer der katalanischen Meisterschaft (Campeonato de Catalunya), seine erste Trophäe. Am 13. Mai 1902 trifft Barça erstmals auf den pikanterweise von den in Madrid lebenden katalanischen Brüdern Juan und Carlos Padrós gegründeten Football Club Madrid, Vorläufer von Real Madrid. Der FC Barcelona gewinnt mit 3:1, zweifacher Torschütze ist der Deutsche Udo Steinberg. Von 1906 bis 1908 sitzt Steinberg der am 11. November 1900 als erster Regionalverband Spaniens gegründeten Football Associaciò de Catalunya vor (heute Federació Catala de Futbol).

      Spanier und Freimaurer

      Ein knappes Jahr nach der Gründung des FC Barcelona wird im Sarrià-Distrikt von Barcelona die Sociedad Española de Fútbol Barcelona aus der Taufe gehoben. Die Gründer sind gegenüber dem spanischen Staat loyale Studenten. Hauptinitiator ist der Ingenieurstudent Angel Rodriguez, der zuvor Hans Gamper und dessen englischen Freunden beim Fußball zugeschaut hat. Doch anders als Gamper will Rodriguez einen Klub, der ausschließlich aus Einheimischen besteht: „Wir gründen diesen Klub, um mit den Fremden vom FC Barcelona zu konkurrieren.“ Español wendet sich insbesondere an Immigranten aus anderen Teilen Spaniens und positioniert sich gegen den katalanischen Nationalismus. 1901 wird der Klub in Español Club de Football Barcelona umbenannt, 1910 erhält er seinen bis heute gültigen Namen Real Club Deportivo (RCD) Español Barcelona, nachdem König Alfonso XIII. das Patronat angenommen hat. 84 Jahre später wird der Klubname dann zu Reial Club Despotiv Espanyol katalanisiert, damit man in Barcelona nicht als völlig fremd und bloße Agentur Madrids erscheint.

      Beim FC Barcelona verstärkt sich bereits wenige Jahre nach der Gründung das katalanische Element. Zwar wird 1903 Paul Haas als Vorsitzender von Arthur Witty abgelöst, erneut einem Ausländer, der dafür sorgt, dass Barça erstmals auch jenseits der Landesgrenzen aufläuft. Am 1. Mai 1904 schlägt der FC Barcelona in Toulouse Stade Olimpien des Étudiants Toulousains mit 3:2. Doch Gründungsvater Gamper geht mittlerweile auf Distanz zum Klub. Barça


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