Barca. Dietrich Schulze Marmeling

Barca - Dietrich Schulze Marmeling


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Gewerkschaft wächst in den nächsten Jahren zu einer Massenorganisation, in der 1918 rund 80 Prozent der katalanischen Arbeiter organisiert sind.

      Barças erster Goalgetter: Paulino Alcántara

      1910 beginnt die zweite Amtszeit Hans Gampers, die bis 1913 dauert. Der FC Barcelona gewinnt erneut die Meisterschaft Kataloniens und anschließend erstmals den seit 1902 ausgespielten spanischen Pokal, Copa del Rey. 1912 überwirft sich Barça sowohl mit dem spanischen wie dem katalanischen Fußballverband und tritt aus beiden vorübergehend aus.

      Am 15. Februar 1912 debütiert der erst 15-jährige Paulino Alcántara im Barça-Trikot. Im Spiel des Campeonato de Catalunya gegen den SC Catalá steuert er drei Tore zum 9:0-Sieg bei. Bis heute ist Alcántara der jüngste Spieler und Torschütze in der Geschichte des FC Barcelona. Und der erfolgreichste philippinische Fußballer aller Zeiten, denn das Wunderkind kam auf den Philippinen zur Welt.

      1913 und 1916 gewinnt Barça mit Alcántara, der mit dem Flügelstürmer Emilio Sagi ein höchst effektives Tandem bildet, den Campeonato de Catalunya und 1913 auch noch den Copa del Rey. Dank Alcántara und Sagi steigt Barça in diesen Jahren zu einem der führenden Klubs Spaniens auf.

      1916 beschließen Alcántaras Eltern die Rückkehr auf die Philippinen. Der Sohn muss mit, studiert dort Medizin und läuft 1917 für die Nationalelf der Philippinen auf. Auch an der Tischtennisplatte vertritt Alcántara sein Land. Der FC Barcelona bemüht sich in Gesprächen mit den Eltern immer wieder um die Rückkehr des Goalgetters. Was aber erst gelingt, als Alcántara an Malaria erkrankt und dies zur Erpressung seiner Eltern benutzt. Alcántara will sich nur unter der Bedingung behandeln lassen, dass er nach Spanien zurückkehren darf.

      Barça wird katalanisiert

      Im Ersten Weltkrieg bezieht Spanien eine Position der Neutralität, von der die spanische und insbesondere die katalanische Wirtschaft profitiert. Kataloniens Wirtschaft boomt. In Katalonien werden u. a. Uniformen für die französische Armee hergestellt.

      In Barcelona etabliert sich eine internationale Flüchtlingsgemeinde, bestehend aus Menschen, die sich dem Krieg und Kriegsdienst entziehen wollen. Unter ihnen die avantgardistischen Künstler Sonia und Robert Delaunay, Francis Picabia, Marie Laurencin und Albert Gleizes.

      Derweil sieht sich Hans Gamper erneut Angriffen ausgesetzt. War es zuvor mehr seine protestantische Konfessionszugehörigkeit, ist es nun seine angebliche „Deutschfreundlichkeit“ als Deutschschweizer, die stört. Und seine Handelsgeschäfte leiden unter den unsicheren Seewegen.

      In der Stadt gärt es. Die Bevölkerung Barcelonas hat sich in den vergangenen 20 Jahren verdoppelt. Die katalanische Metropole ist nun nicht nur die größte Stadt Spaniens, sondern mit ihren Industrien auch die einzige proletarische Stadt des Landes und das „Manchester Kataloniens“. 1917 führen starke Lohnverluste der Arbeiterschaft zu Protesten, die von der anarchistischen Gewerkschaft CNT – 1910 gegründet, aber erst 1915 nach mehreren Jahren des Untergrunddaseins zugelassen – angeführt werden. In den Städten (insbesondere Barcelona) entwickelt sich eine gewerkschaftliche Tradition des Syndikalismus, der sich auf den russischen Anarchisten Bakunin bezieht. Die CNT will mit einer Politik der „Direkten Aktion“ den Staat überwinden und seine Institutionen ersetzen durch Selbstverwaltungsorgane, Industrieverbände unter der Kontrolle der Arbeitenden sowie durch freiwillige Verträge autonomer Organisationen. CNT und die sozialistische Gewerkschaft Unión General de Trabajadores (UGT) rufen zum Generalstreik auf.

      In den Jahren 1917 bis 1925 treten Barças Sympathien mit dem politischen Katalanismus noch deutlicher zutage. Als US-Präsident Woodrow Wilson 1918 das Recht der Nationen auf Selbstbestimmung proklamiert, gewinnt die Bewegung für katalanische Unabhängigkeit weiter an Stärke. Pro-katalanische Organisationen werben mit einer Petition für Autonomie. Zu den Unterzeichnern gehört auch der FC Barcelona. Lokalrivale RCD Español initiiert eine eigene Petition, die sich gegen Autonomie ausspricht. Der Inhalt stammt aus der Feder von Pena-Ibérica-Mitgliedern, einer Schlägertruppe, die auf den Straßen Barcelonas die Autonomisten attackiert. 1933 tritt Pena Ibérica den Falangisten bei und kämpft im Bürgerkrieg auf Seiten Francos.

      Beim FC Barcelona wird Katalanisch zur offiziellen Sprache des Klubs. Hans Gamper, der 1917 seine dritte Amtszeit als Barça-Präsident angetreten hat, wird mehr und mehr zum überzeugten katalanischen Nationalisten. Am 23. Juli 1920 katalanisiert der Verein eine Hälfte seines Namens: Aus dem Football Club wird ein Futbol Club. Die Zeitung La Veu de Catalunya schreibt: „Der Futbol Club Barcelona ist der katalanische Klub geworden.“ Nur zwei Jahrzehnte nach seiner Gründung ist Barça zu einem nationalen Symbol Kataloniens avanciert.

      El Mag und El Divi

      1917 verpflichtet Gamper mit dem Engländer John Barrow den ersten Profitrainer in der Geschichte des FC Barcelona, dem nur wenige Monate später Landsmann Jack Greenwell folgt. Der Sohn eines Bergarbeiters aus der englischen Grafschaft Durham ist bereits 1912 als Spieler von Crook Town zum FC Barcelona gestoßen. 1916 beendete Greenwell seine Spielerkarriere nach 88 Einsätzen und zehn Toren für Barça.

      1919 gelingt dem FC Barcelona die Verpflichtung des 17-jährigen Offensivspielers Josep Samitier und des ein Jahr älteren Torwarts Ricardo Zamora. Samitier kommt vom FC Internacional Barcelona. „El Sami“ ist ein „totaler Fußballer“, der das gesamte Spielfeld zu seinem Aktionsraum erklärt und ständig die Position wechselt. Seine Kreativität und seine Beweglichkeit bringen ihm die Spitznamen El Mag (der Magier) und Home Llagosta (Grashüpfer-Mann) ein. Zamora kommt von Español. Der Sohn eines Arztes ist in Barcelonas Stadtteil Sarrià y Urgel aufgewachsen. Die spätere Torwartlegende ist ein Multisportler, der sich auch als Boxer, Schwimmer und Leichtathlet betätigt. Seine überragende Reaktionsschnelligkeit hat er dem baskischen Spiel Pelota zu verdanken. Für den Wechsel zum FC Barcelona bricht Zamora sein Medizinstudium ab.

      Zamora und Samitier sind auch dabei, als Spanien 1920 sein erstes offizielles Länderspiel bestreitet. Im Rahmen der Olympischen Spiele in Antwerpen trifft die spanische Auswahl in Brüssel auf Dänemark und gewinnt mit 1:0. Die Selección beendet das Turnier mit der Silbermedaille. Eigentlich sollte auch der zurückgekehrte Paulino Alcántara mitwirken, der aber kurz vor den Abschlussprüfungen seines Medizinstudiums steht. Alcántara spielt später noch für Spanien. Als die Selección Frankreich am 22. April 1922 in Bordeaux mit 4:0 besiegt, schmettert der zweifache Torschütze Alcántara den Ball mit einer solchen Wucht ins Tor, dass das Netz zerreißt.

      Mit Jack Greenwell als Trainer, Alcántara, Samitier und Zamora beginnt mit der Saison 1918/19 Barças erste goldene Dekade. Im Zeitraum 1918 bis 1924 gewinnt der Verein zunächst fünfmal den Campeonato de Catalunya sowie 1920 und 1922 den Copa del Rey.

      Zamora, Kettenraucher (65 Stück pro Tag; bei Barça wird ihn allerdings später noch Johan Cruyff übertreffen), Cognac-Freund und Frauenschwarm, seit dem Olympischen Turnier nur noch El Divi (der Göttliche) genannt und einer der ersten Superstars des europäischen Fußballs, kehrt im Sommer 1922 nach einem Disput mit Hans Gamper zu Español zurück.

      Jack Greenwell verlässt den FC Barcelona 1924 und trainiert anschließend noch CD Castellón, Español, RCD Mallorca, erneut Barça, den FC Valencia, Sporting de Gijon, den peruanischen Klub Universitario de Deportes und schließlich die Nationalelf des Andenlandes. Nur Johan Cruyff wird sich später beim FC Barcelona noch länger auf dem Trainerstuhl halten. Greenwells Nachfolger wird der Ungar Jesza Poszony, dem bis 1931 mit Ralph Kirby und James Ballamy wieder zwei Engländer folgen, bevor Greenwell noch einmal für zwei Spielzeiten das Zepter übernimmt.

      Paulino Alcántara bleibt dem FC Barcelona bis zum 3. Juli 1927 erhalten. Dann hängt er seine Fußballschuhe an den Nagel, um den Beruf des Arztes nun in Vollzeit auszuüben. Der Goalgetter kommt in 357 Spielen für Barça auf sagenhafte 356 Tore, bis heute Klubrekord. In den Jahren 1931 bis 1934 sitzt Alcántara im Aufsichtsrat des FC Barcelona.

      Samitier bleibt bis 1933 beim FC Barcelona und ist in den 1920ern der bestbezahlte Profi in Barças Team und gemeinsam mit Españols Zamora wohl auch in Spanien.

      Unruhige Zeiten

      1921 beginnt die vierte Amtszeit von Hans „Joan“ Gamper als Barça-Präsident. Gamper agiert erneut als Retter, die Existenz des Klubs


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