Barca. Dietrich Schulze Marmeling

Barca - Dietrich Schulze Marmeling


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Corts im gleichnamigen Stadtteil, dessen Kapazität zunächst 20.000 (später: 60.000) beträgt und dem Klub bis 1957 bzw. bis zum Bau von Camp Nou als Spielstätte dient.

      Vor dem Hintergrund des anhaltenden Chaos in Barcelona und der Krise im Kolonialkrieg in Marokko ruft König Alfonso XIII. 1923 den Generalkapitän von Barcelona, Primo de Rivera, nach Madrid. Um die permanente Staatskrise zu beenden, errichtet Primo de Rivera am 13. September 1923 in Absprache mit dem König eine Militärdiktatur. Ab 1925 werden auch Zivilisten in die bis dahin ausschließlich mit Militärs besetzte Junta aufgenommen, und Rivera tauft sich zum „Ministerpräsidenten“ um.

      Primo de Rivera erfreut sich zunächst der Zustimmung der konservativen Katalanisten und des katalanischen Bürgertums – dank vager Autonomieversprechungen, die er allerdings nie einlösen wird, sowie der Unterdrückung der Arbeiterbewegung einschließlich des Verbots der CNT.

      Doch die Stimmung dreht sich bald. Als die mancumunitat, die 1914 gewährte Union der vier katalanischen Provinzen, aufgehoben wird, als das Regime gegen die katalanische Sprache und katalanischen Symbole vorgeht, rückt das katalanische Bürgertum mehr und mehr auf Distanz zu De Rivera. Die Militärdiktatur und ihr hartes Vorgehen gegen separatistische Bestrebungen hat eine Radikalisierung und Popularisierung des katalanischen Nationalismus zur Folge.

      In Barças Jubiläumsjahr 1924 beginnt die fünfte und letzte Amtszeit von Hans Gamper. Anlässlich des 25-jährigen Bestehens schreibt die satirische Sportzeitschrift Xut (Der Schuss), dass „der glorreiche FC Barcelona in seiner Frühzeit richtiggehend ‚exotisch‘ war. So nach und nach wurde er katalanisiert, und 25 Jahre Hartnäckigkeit haben ausgereicht, das Volk für sich zu gewinnen“. Das Jubiläumsposter zeichnet der aus Valencia stammende Künstler Josep Segrelles, einer der fähigsten und prominentesten Illustratoren des 20. Jahrhunderts.

      Erfolgreich verläuft Barças Kampagne zur Gewinnung neuer Mitglieder: 25 Jahre nach der Gründung sind es schon 12.207.

      Eklat in Les Corts

      Zur Saison 1924/25 verstärkt sich der FC Barcelona mit dem deutschen Abwehrspieler Emil „Emilio“ Walter. In Deutschland spielte Walter während des Ersten Weltkriegs bereits 16-jährig für die 1. Mannschaft des FC Germania Brötzingen. 1922 hatte der gelernte Kaufmann die inflationsgeplagte Heimat verlassen und war nach Katalonien ausgewandert. Dort schloss er sich zunächst Unió Esportiva Figueres an, bevor Barça auf ihn aufmerksam wurde. Walter wird bis 1933 242 Pflichtspiele für den FC Barcelona bestreiten und dabei dreimal den Copa del Rey gewinnen. Laut dem Fußballforscher Andreas Wittner wird Walter zeitweise als bester Verteidiger Spaniens gehandelt. Für die deutsche Nationalelf reicht es trotzdem nicht, denn der DFB mag keine Profis und Legionäre. Für Spanien wiederum kann Walter wegen seiner deutschen Staatsangehörigkeit nicht auflaufen. Nur in der Auswahl Kataloniens darf der populäre Deutsche mitwirken.

      Am 14. Juni 1925 ist das Barça-Stadion Les Corts Bühne eines Benefiz-Spiels, bei dem sich der FC Barcelona und der ebenfalls in Barcelona beheimatete Klub Jupiter gegenüberstehen. 14.000 Zuschauer sind ins Stadion gekommen. Die Eintrittsgelder sollen dem Orfeó Català zugutekommen, einer 1891 von Lluís Millet und Amadeu Vives gegründeten Chor-Gemeinschaft mit Sitz in Barcelonas Palau de la Música Catalana, noch heute der berühmteste Chor Kataloniens. Orfeó Català war als Tribut an Josep Anselm Clave (1824-74) ins Leben gerufen worden, Chorleiter, Komponist und Poet sowie katalanisch-nationalistischer Politiker. Clave, dessen Name einem noch heute in vielen Orten Kataloniens auf Straßenschildern begegnet, hatte die Chormusik der Arbeiterschaft nähergebracht.

      Die Chor-Gemeinschaft spielte beim Revival der katalanischen Kultur eine bedeutende Rolle, aber die Benutzung der katalanischen Sprache ist unter dem Militärregime verboten. Die Militärs erlauben die Begegnung, verbieten aber die Spende an Orfeó. Arthur und Ernest Witty haben eine Kapelle der britischen Royal Marines engagiert, die zu diesem Zeitpunkt im Hafen von Barcelona liegen. Nicht wissend, auf welch einem politischen und kulturellen Minenfeld sie sich bewegen, spielen die Musiker vor dem Anpfiff die spanische Nationalhymne, was das Barça-Publikum mit einem gellenden Pfeifkonzert quittiert. Daraufhin wechselt man mitten im Lied zur englischen Nationalhymne über – und das Publikum applaudiert.

      Die Militärs, im Stadion vertreten durch den Generaloberst Milans del Bosch, spanischer Befehlshaber für Katalonien, fühlen sich brüskiert. Primo de Rivera lässt das Stadion des FC Barcelona für sechs Monate schließen. Auch der Orfeó Català darf eine Zeitlang nicht öffentlich auftreten.

      Barça-Präsident Joan Gamper wird von den Machthabern „nahegelegt“, mit Rücksicht auf seine körperliche Unversehrtheit das Land für einige Zeit zu verlassen, was er dann auch für sechs Monate tut. Gamper legt sein Amt als Barça-Präsident nieder und formuliert in seiner Rücktrittserklärung, der FC Barcelona habe niemals aufgehört, sich „getreu der Situation nur an sportlichen Zielen zu orientieren“. Die gegenwärtige Situation entspräche nur dem Wunsch, „ein patriotisches Ziel zu erreichen“.

      Im Exil kann sich Gamper nicht mehr ausreichend um seine Geschäfte kümmern, außerdem leidet er unter Depressionen. Gamper ist ein gebrochener Mann, der sein Lebenswerk FC Barcelona zerstört sieht. Zwar darf er nach Barcelona zurückkehren, aber nur unter der Bedingung, keinen Kontakt zum Klub zu unterhalten. Manuel Tomás: „Dieses Abseitsstellen konnte er kaum ertragen, und er fiel in eine schwere Depression.“

      Der FC Barcelona verliert auch Arthur Witty, den die Politisierung des FC Barcelona stört. Witty bleibt zwar Barça-Fan, geht aber mehr und mehr auf Distanz zum Klub und widmet sich vornehmlich seinen Geschäften. Gemeinsam mit seinem Sohn Frederick sorgt er dafür, dass in den 1930ern Unternehmen wie Cadbury, Johnnie Walker, Unilever und Bovril den spanischen Markt betreten.

      Gampers Freitod

      In den neun Spielzeiten 1923/24 bis 1931/32 heißt Kataloniens Meister achtmal FC Barcelona. Der Copa del Rey wird 1925, 1926 und 1928 gewonnen. 1928 bedarf es hierzu gleich dreier Spiele. Zweimal trennen sich Barça und der baskische Klub Real Sociedad San Sebastián unentschieden, die dritte Auflage gewinnt Barça in Santander mit 3:1. Beim ersten Aufeinandertreffen mit Real Sociedad heißt Barças Bester in einem brutalen Spiel Ferenc Platko. Der ungarische Keeper hatte 1923 die Nachfolge von Ricardo Zamora im Tor des FC Barcelona angetreten. Der anwesende Dichter Rafael Alberti ist von Platkos Heldentaten so hingerissen, dass er ihm anschließend eine „Oda A Platko“ widmet.

      1926 legalisiert Spanien den Professionalismus. Josep Samitier und Ricardo Zamora sind die ersten Großverdiener im spanischen Fußball. Mit der Saison 1928/29 wird zudem eine nationale Liga eingeführt, die Primera División. Bis dahin hat jede spanische Provinz oder Region ihre eigene Liga und Meisterschaft wie den Campeonato de Catalunya oder den Campeonato Centro in Madrid und Umgebung. Diese regionalen Meisterschaften besaßen eine enorme Bedeutung, denn die jeweiligen Champions qualifizierten sich für den Copa del Rey, der somit zunächst eine Mischung aus Meisterschaft und Pokal war, ähnlich der Deutschen Fußballmeisterschaft vor Einführung der Bundesliga.

      Erster Meister der Primera División wird der FC Barcelona, dank einer starken Rückrunde, in der sich Barça nur gegen die Lokalrivalen Europa Barcelona und Español mit einem Remis begnügen muss, und nicht zuletzt dank Samitier. Der Vorsprung auf Vizemeister Real Madrid beträgt zwei Punkte. Die Meisterschaft von 1929 wird Barças letzte bis 1945 bleiben.

      Ebenfalls 1929 ist Barcelona zum zweiten Mal nach 1888 Schauplatz der Weltausstellung. Im Vorfeld wird die Stadt erneut und nicht zum letzten Mal umgebaut. Zahlreiche öffentliche Projekte werden angepackt, so der Bau der ersten U-Bahn-Strecke zwischen Plaça Catalunya und Plaça d’Espanya. Der Stadtberg, der Montjuic, wird erschlossen, wozu auch der Bau eines neuen Stadions gehört, und der Placa d’Espanya erneuert. Es entstehen eine Reihe von Gebäuden im Stil der katalanisch-neoklassizistischen Bewegung Noucentisme. Der deutsche Pavillon von Mies van der Rohe (Bauhaus) kündigt einen internationalen Trend zum Rationalismus an.

      Die rege Bautätigkeit treibt jährlich über 30.000 Zuwanderer in die katalanische Metropole, die den Baufirmen als billige Arbeitskräfte dienen. Gab einst die Textilindustrie in Katalonien den Ton an, so treten nun die Produktion von Stahl und die Kaligewinnung mit ausländischer Kapitalmehrheit in den Vordergrund.

      Zur Eröffnung


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