Barca. Dietrich Schulze Marmeling

Barca - Dietrich Schulze Marmeling


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Barcelona kommen. Die Katalanen überfahren die Engländer mit 4:0. Unter den 70.000 Zuschauern befindet sich auch Walther Bensemann, der deutsche Fußballpionier und Begründer des Kicker, der anschließend vor allem von einem Spieler schwärmt: „Der beste Mann auf dem Platz, vielleicht zugleich mit dem ewig jungen Samitier und dem englischen Linksaußen, war der in Barcelona ansässige Emil Walter aus Brötzingen bei Pforzheim, ein ebenso guter Fußballer wie patenter Mensch. Nichts hat mich in Barcelona so gefreut, als bei diesem Spiel einen Landsmann in so angenehmer Rolle wirken zu sehen.“

      Am 28. Januar 1930 sieht sich Primo de Rivera zum Rücktritt gezwungen. Das Regime versucht damit einer Eskalation der Unruhen und der Entwicklung zum offenen Aufstand zuvorzukommen. Politischer Druck und internationale Finanzkrise haben den Zusammenbruch der Diktatur beschleunigt. De Riveras Nachfolger wird General Brenguer. Die Militärdiktatur hat auch die Monarchie diskreditiert. In Katalonien breitet sich eine Protestbewegung gegen den König aus. Zu den sozialen Spannungen im Land gesellt sich auch der Gegensatz zwischen Katalonien und dem Rest Spaniens.

      Am 30. Juni 1930 erschießt sich Hans „Joan“ Gamper in seinem Haus in der Carrer de Girona Nr. 4 in Barcelona. Beim Börsencrash von 1929 hat der Kaufmann sein gesamtes Vermögen verloren. Tausende folgen seinem Sarg. Im Kicker formuliert Walther Bensemann, der Gamper persönlich kannte, folgenden Nachruf: „Einem jeden, der heute über internationalen Sport schreibt, wird ein Name in Erinnerung kommen und damit tiefer Schmerz, dass einer der ganz Großen von uns genommen ist. Ich rede von Hans Gamper, der aus Zürich stammte, von dort nach Spanien ging und in Barcelona den Fußballsport einführte. (…) Der Verlust dieses gebornen Sportführers ist schwer, der Verlust des Menschen unersetzlich. Seine Verdienste um den spanischen Rasen- und Wassersport waren immens; kein großer europäischer Fußball-Club existiert, der nicht Gampers Gastfreundschaft in Barcelona genossen hätte. Zumal während der Inflationszeit hat dieser weitblickende Mann unzählige Vereine des Auslandes auf Jahre hinaus saniert. Wochenlang konnten sich die ausgehungerten Spieler an den catalonischen Fleischtöpfen sättigen, um dann ihren ausgepoverten Klubs Zehntausende von Peseten heimzubringen. Wer von Barcelona zurückkehrte, lobte den idealen Führer, der bei allen Verhandlungen stets großzügig blieb, alle Streitigkeiten schlichtete und allen Verdruss einsteckte. Kam eine Mannschaft um 5 Uhr morgens in Barcelona an, war er an der Bahn; fuhr sie um Mitternacht weg, sah man die riesige Gestalt aus der Bahnhofshalle heraus zum Abschied winken. Seine Freigebigkeit war sprichwörtlich; sowie einer, der mit ihm am Tisch saß, zahlen wollte, kam die typische abwehrende Handbewegung mit dem typischen ‚dumm’s Züg!‘. Von allen Pionieren der Bewegung, die ich gekannt habe, war er der beste, vornehmste, beliebteste, bescheidenste. Er besaß die große Gabe, andere Menschen wie ein Kind bewundern zu können, und wenn er erzählte, wie sein Freund Hans Enderli als 15-jähriger Bub in den politischen Versammlungen Zürcher Bürger über Sport und andere Dinge gesprochen hatte, dann leuchteten seine Augen. Er war das, was Horaz eine anima candida genannt hat.“

      Kapitel 3

      Fußball und Bürgerkrieg

      Am 6. August 1936 befindet sich Josep Sunyol, seit 1935 Präsident des FC Barcelona, auf dem Weg in die Sierra de Guadarrama, einer Bergkette, die sich von Südwesten nach Nordosten erstreckt und dabei südlich in die Provinz Madrid hineinragt. Drei Wochen zuvor ist in Spanien ein erbitterter Bürgerkrieg ausgebrochen, bei dem sich die Verteidiger einer demokratischen Republik und die faschistischen Rebellen des Generals Francisco Franco gegenüberstehen.

      Der Fußball ist in den Hintergrund getreten, Sunyol ist in politischer Mission unterwegs. Am 4. August hat er sich noch in Valencia aufgehalten, am Tag darauf ist er nach Madrid gereist. Und nun geht es weiter in die Guadarrama-Berge, wo Sunyol Republikaner treffen will, die noch südlich von Madrid Stellungen halten. Seinen Wagen, nebst Chauffeur eine Leihgabe der republikanischen Militärs, schmückt eine katalanische Standarte. Denn Sunyol ist nicht nur Barça-Boss. Der aus einer wohlhabenden, katalanistisch gesinnten Familie stammende Anwalt ist überzeugter Sozialist, Republikaner und Katalanist, Mitglied der Acció Catalana, einer linksgerichteten katalanischen Gruppierung mit einem gewissen Faible für den Anarchismus. Zudem fungiert er als Parlamentsabgeordneter der 1931 gegründeten links-republikanischen Esquerra Republicana de Catalunya (ERC, zu deutsch: „Republikanische Linke Kataloniens“), einem Zusammenschluss mehrerer linker und republikanischer Parteien.

      Dem FC Barcelona ist Sunyol 1925 beigetreten, dem Barça-Vorstand gehört er seit 1928 an. 1930 hat er die linke Zeitung La Rambla aus der Taufe gehoben, in der er sich um eine Verzahnung von Fußball und katalanischer Politik bemüht. Nicht nur dem FC Barcelona dient Sunyol als Präsident, sondern auch dem katalanischen Automobilklub (Reial Automòbil Club de Catalunya) und dem katalanischen Fußballverband (Federaciò Catalana de Futbol).

      Mord in den Bergen

      Die Gegend, die Sunyol nun am 6. August 1936 durchquert, ist eines der hauptsächlichen Schlachtfelder im Ringen um die Kontrolle über Madrid. Wobei zuweilen unklar ist, wer wo genau das Sagen hat, Republikaner oder Falangisten. Hinter dem Ortsausgang der Kleinstadt Guadarramas, wo die Straße in die Berge ansteigt, wird Sunyols Wagen von falangistischen Milizionären gestoppt. Sunyol wird verhört und noch am gleichen Abend standrechtlich erschossen. Javier Cáceres: „Für den FC Barcelona war sein Tod ähnlich aufwühlend wie der Mord am Dichter Federico García Lorca für das kulturelle Spanien. Der Poet wurde kurz nach Kriegsausbruch von Mitgliedern der Guardia Civil, der militarisierten Polizei, verhaftet und erschossen.“

      40 Jahre später, am Ende der Franco-Herrschaft, ist Sunyol beim FC Barcelona in Vergessenheit geraten. Und in der sensiblen Phase des Übergangs zur Demokratie möchte die Klubführung nicht mit der Erinnerung an einen Linksrepublikaner und „Separatisten“ provozieren. Erst 1996, anlässlich des 60. Todestags von Josep Sunyol, nimmt sich der FC Barcelona wieder seiner an.

      Sunyol ist nicht der einzige Präsident, den Katalonien als Folge des Bürgerkriegs verliert. Im Sommer 1940 fordert El Caudillo Francisco Franco, Spaniens neuer Führer, Vichy-Frankreichs Marschall Pétain auf, 3.617 über die Grenze geflüchtete Republikaner auszuliefern. Einer der Gesuchten ist Lluís Companys, Barça-Fan, Sunyol-Vertrauter, ehemals Bürgermeister von Barcelona und Präsident der Regierung Kataloniens.

      Nach der Eroberung Kataloniens durch die Truppen Francisco Francos war Lluís Companys über die Grenze nach Perpignan geflohen, später siedelte er nach Paris über, um in der katalanischen Exilregierung mitzuarbeiten. Nach der deutschen Besatzung zog er sich nach La Baule-les-Pins (Pyrénées-Atlantiques) zurück. Er blieb in Frankreich, um den Kontakt mit seinem geisteskranken Sohn Micó zu halten.

      Das Vichy-Regime stimmt nur wenigen Auslieferungsbegehren zu. Aber sieben führende Köpfe der Republikaner werden der deutschen Gestapo übergeben, darunter Lluís Companys. In seiner alten Heimatstadt wird er am 15. Oktober 1940 von einem Sondergericht in einem eintägigen Schnellverfahren zum Tode verurteilt und auf Barcelonas Stadtberg Montjuic hingerichtet.

      An Josep Sunyol erinnert seit dem 4. Juni 1996 ein unscheinbarer Stein am Rande Guadarramas. Die Inschrift ist schlicht, vermeidet jeden Hinweis auf Sunyols Rolle als Präsident des FC Barcelona und ERC-Politiker und bevorzugt die kastilische Version seines Namens: „José Suñol Garriga: Barcelona 21-VII-1998; Guadarrama 6-VIII-1036.“ Lluís Companys zu Ehren wird man später das Estadi Olimpic auf dem Montjuic in Estadi Olimpic Lluís Companys umbenennen und am Eingangstor der Arena eine Gedenktafel für den Ermordeten anbringen.

      Demokratie und Autonomie

      Am 12. April 1931 hatte man auf Barcelonas Straßen noch gejubelt. Primo de Riveras Nachfolger Brenguer hatte in ganz Spanien Kommunalwahlen ausgerufen, als ersten Schritt der Rückkehr zu einer verfassungsmäßigen Ordnung. Überraschend gewinnen am 12. April in allen spanischen Städten die Republikaner. In Barcelona, wo der Barça-Fan Lluís Companys zum Bürgermeister gewählt wird, ist die Euphorie besonders groß. König Alfonso XIII. dankt ab, und am 14. April 1931 wird die Zweite Spanische Republik ausgerufen. Die Zentralregierung in Madrid stellen nun Republikaner und Sozialisten.

      Am 9. September 1932 erhält Katalonien ein Autonomiestatut und eine Regionalregierung, die Generalitat. Aus den am 20. November 1932 abgehaltenen Wahlen zum


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