Die Clans der Wildnis - Amisha. Delia Golz

Die Clans der Wildnis - Amisha - Delia Golz


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völlig erschöpft fühle. Möglicherweise ist dies sogar einer der Gründe, warum es Clanmitgliedern verboten ist, ein Krafttier zu halten.

      Ich drücke Luan ein letztes Mal an mich, ehe ich mich um-ziehe und dann leise die Leiter hinuntersteige. Meine Eltern sind noch mit Shivani unterwegs, also werde ich mich keiner Befragung unterziehen müssen.

      Entschlossen ziehe ich mir den Gürtel mit der Halterung für meine Wurfmesser um und stecke nach kurzem Zögern noch den schwarzen Dolch dazu, den ich bei einem Tauschgeschäft mit Kyan erworben habe. Dafür wollte er lediglich eine Schale mit Beeren haben und in mir regt sich der Verdacht, dass er mir die Waffe auch ohne Gegenleistung geschenkt hätte.

      Als ich einen Schritt nach draußen gehe, weht mir sofort ein unangenehm kalter Wind entgegen, der sicherlich aus den Bergen kommt. Am liebsten würde ich einen Schritt rückwärts in die warme Hütte machen, doch stattdessen straffe ich die Schultern und gehe entschlossenen Schrittes auf den Wald zu.

      Obwohl der Abend noch nicht lange angebrochen ist, hat der Himmel bereits eine dunkelgraue Färbung angenommen. In der Luft liegt ein Unwetter, doch davon lasse ich mich nicht einschüchtern.

      Geduldig warte ich bei der verabredeten Stelle am Waldrand auf Nevya. Bald schon sehe ich sie, ebenfalls völlig in Schwarz gekleidet, auf mich zukommen. Ich muss grinsen, als ich ihr schmollendes Gesicht sehe, denn normalerweise trägt sie Kleider in den buntesten Farben. Das hellbraune Haar hat sie zurückgebunden und ihre grünen Augen blicken mich erwartungsvoll an. »Bist du genauso aufgeregt wie ich?«, fragt sie mit geröteten Wangen und scheint es kaum erwarten zu können, endlich in den Wald zu gehen.

      »Zuerst müssen wir einen todsicheren Plan festlegen«, erwidere ich mahnend. Ich fühle mich wie eine mutige Kriegerin, die dabei ist, auf eine wichtige Mission aufzubrechen. Was zumindest teilweise stimmt. »Wir müssen darauf achten, dass wir immer zusammenbleiben. Meine Wurfmesser können ohne deine Magie nicht viel gegen einen Unsterblichen ausrichten und auch du bist allein noch nicht stark genug.«

      Nevya nickt eifrig. »Ich habe für den Notfall Pfeil und Bogen mitgenommen.« Sie deutet auf ihren Rücken, wo Köcher und Bogen hängen.

      »Kannst du damit umgehen?«, frage ich erstaunt.

      Bisher habe ich nie mitbekommen, dass sie sich für irgendetwas anderes als der Magie interessiert hat.

      Beschämt senkt meine Freundin den Blick. »Ich habe hin und wieder heimlich geübt. Wenn mein Vater das erfahren würde, könnte ich mich auf großen Ärger gefasst machen.«

      Ich weiß sofort, dass sie recht hat. Ich erinnere mich an das enttäuschte Gesicht des Schamanen, als seine Tochter wieder einmal bei einer Übung versagt hat. Dafür wird er umso erfreuter gewesen sein, dass Nevya in letzter Zeit so große Fortschritte gemacht hat, die vermutlich nur auf ihre Begeisterung über meinen Plan zurückzuführen ist.

      »Dann kann es wohl jetzt losgehen«, verkünde ich voller Tatendrang und mache die ersten Schritte in den Wald.

      Es scheint mir, als hätte ich eine völlig neue Welt betreten und obwohl ich nahezu jeden Tag hier bin, verzaubert mich der Wald immer wieder aufs Neue. Inzwischen ist es fast vollkommen dunkel geworden und die ersten Glühwürmchen schwirren bereits um uns herum. Völlig lautlos bewegen wir uns über den weichen Boden und sind schon bald an die Stelle gelangt, wo ich dem Fremden aus dem Wald schon mehrmals begegnet bin. Ich spüre jedoch instinktiv, dass wir ihn hier nicht antreffen werden und gebe Nevya das Zeichen, weiterzugehen.

      Das Adrenalin rauscht mir durch die Adern, obwohl ich mich in einer völlig vertrauten Umgebung befinde. Außerdem müssten noch zwei weitere Kriegergruppen unterwegs sein, da der Vorschlag, den Nevya bei dem Ratstreffen angesprochen hat, tatsächlich eingeführt wurde. Sollten wir also wirklich in Gefahr sein, und die Möglichkeit haben, nach Hilfe zu rufen, würde sicherlich bald schon jemand bei uns sein.

      Mittlerweile stehen die Bäume so dicht beieinander, dass das Mondlicht immer schwächer durch das Geäst scheint. Irgendwann lässt Nevya eine kleine, rosafarbene Flamme in ihrer Hand aufleuchten, die unsere Umgebung etwas heller erscheinen lässt. Ich werfe ihr einen anerkennenden Blick zu, denn noch vor wenigen Wochen hätte sie es kaum geschafft, auch nur einen kleinen Funken zustande zu bringen.

      Ich weiß, dass der Wald sich bald wieder lichten wird, da wir uns in Richtung Steppe bewegen. Doch ich bin mir sicher, dass hier der beste Ort wäre, um sich zu verstecken.

      Bald schon habe ich das unangenehme Gefühl, beobachtet zu werden, und mir läuft ein eisiger Schauer über den Rücken.

      Es kommt mir vor, als wären wir Beute, die von einem wilden

      Tier beobachtet wird, welches nur noch auf den besten Augenblick für den Angriff wartet.

      »Spürst du das auch?«, frage ich leise, doch meine Stimme kommt mir in der Stille viel zu laut vor.

      »Ja«, haucht Nevya und ich kann hören, wie sich ihr Atem beschleunigt. Die Luft scheint sich plötzlich abzukühlen und ich friere in meiner viel zu dünnen Kleidung. Meine Hand wandert langsam zu den Wurfmessern und ich vertraue auf mein Gefühl, dass es nötig ist.

      Plötzlich höre ich ein lautes Rascheln und im nächsten Moment einen spitzen Schrei. Ich wirbele herum und blicke in Nevyas bleiches Gesicht. Sie zittert am ganzen Körper und hebt dann langsam die Hand, um mit dem Finger auf eine Stelle hinter mir zu deuten. Schnell drehe ich mich wieder um und sehe wenige Schritte vor mir eine Gestalt in drohender Haltung stehen. In der Hand hält sie einen Dolch, dessen Klinge gefährlich im schwachen Licht blitzt.

      Langsam kommt die Gestalt näher und ich erkenne wenig überrascht den unbekannten jungen Mann.

      »Ich hätte dich töten sollen«, knurrt er und blickt mich mit einem kalten Blick an, dass ich innerlich zusammenzucke.

      »Verschwinde!«, ruft Nevya mit panischer Stimme und lässt das Feuer in ihrer Hand etwas heller aufleuchten.

      Der Mann verzieht jedoch keine Miene und starrt mich weiterhin hasserfüllt an.

      »Was hast du in unserem Revier zu suchen?«, frage ich mit fester Stimme, die nicht zu der panischen Unruhe in meinem Inneren passt. »Ich denke, du kennst die Antwort«, entgegnet er spöttisch.

      Langsam ziehe ich meine Messer und sein Blick huscht sofort dorthin. »Ich würde dir raten, mich nicht wütend zu machen«, sagt er finster und ballt seine leere Hand zu einer Faust.

      Mir wird klar, dass es tatsächlich klüger wäre, ihn nicht anzugreifen und halte meine Waffen darum gesenkt. Nevya scheint hin und hergerissen zu sein, ob sie ihre Magie gegen den Fremden einsetzen sollte. »Lass es besser bleiben«, sage ich leise und hoffe, dass es die richtige Entscheidung ist.

      Ich beschließe, zuerst zu versuchen, mit ihm zu reden. »Hat Morigan dich geschickt?«

      Er scheint über meine Frage überrascht zu sein und zögert einen Moment.

      »Das geht dich nichts an«, sagt er schließlich.

      Allmählich frustrieren mich seine knappen Antworten und ich muss mich beherrschen, ihn nicht doch anzugreifen. Seltsamerweise fühle ich keine Angst mehr, sondern nur Neugierde, und ich frage mich gleichzeitig, ob mein Verhalten leichtsinnig ist.

      »Wir lassen nicht zu, dass du weitere Leoparden angreifst«, sage ich schließlich mit fester Stimme. »Es sind außer uns noch andere Patrouillen unterwegs. Sag deinem Anführer, dass die Clans sich die Angriffe nicht länger gefallen lassen.«

      »Meinst du etwa, von euch Mädchen und ein paar Kriegern lasse ich mich abschrecken?«, fragt er gehässig und scheint die Worte geradezu auszuspucken. In seinen Augen flackern Gefühle auf, die ich nicht so Recht deuten kann. »Wenn ihr nicht getötet werden wollt, solltet ihr verschwinden.«

      »Nein, das werden wir nicht«, mischt sich Nevya wieder ein.

      Gerade, als ich ihr klar machen möchte, dass wir doch besser in Rückzug gehen sollten, formt sie das magische Feuer zu einer leuchtenden Kugel, die sie dann auf den Fremden zu schnellen lässt. Ich beobachte die Szene mit vor Überraschung


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