Avatar - Der Herr der Elemente: Der Schatten von Kyoshi. F.C. Yee

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keine Mühe geben zu schwimmen. »Er hat versucht, mir irgendwas zu sagen.«

      »Avatar Kuruk?! Ihr … Ihr habt mit Avatar Kuruk gesprochen? Es sah aus, als hättet Ihr einen Anfall!«

      »Normalerweise ist es nicht so schlimm. Die letzten paar Male hat es nicht so wehgetan.«

      Jinpas Kiefer drohte, sich auszuhaken und ins Meer zu plumpsen. »So was ist schon mal passiert und Ihr habt mir nichts davon erzählt? Kyoshi, wenn ein Avatar mit einem vergangenen Ich kommuniziert, sollte das eine heilige Erfahrung sein, kein lebensbedrohlicher Krampfanfall!«

      Kyoshi schnitt eine Grimasse. Das wusste sie doch! Sie wusste selbst, wie dünn und brüchig ihre spirituelle Verbindung war. Sie hatte es durch Versuch und Irrtum herausgefunden.

      Genau einmal hatte sich ihr der Avatar der Wasserstämme in seiner ganzen Gestalt gezeigt, im Südlichen Lufttempel. Er hatte die Dreistigkeit besessen, sie um Hilfe zu bitten, um sich dann ebenso schnell wieder in Luft aufzulösen. Allein und desorientiert war sie zurückgeblieben und hatte sich gefragt, was sie mit solch einer nutzlosen Vision bloß anfangen sollte.

      Die Erfahrung hatte sie jedoch daran erinnert, dass sie Zugang zu einer wahren Fundgrube weltlichen Rats hatte, in der Gestalt ihrer vergangenen Leben. Dieser ungeheure Erfahrungsschatz voller Weisheit war quasi zum Greifen nah. Wenn sie doch nur ihren eigenen Geist meistern könnte.

      Kyoshi hatte versucht, mit vorigen Generationen des Zyklus in Kontakt zu treten. An heiligen Stätten des Südlichen Lufttempels hatte sie meditiert, in Schreinen am Wegesrand im Erdkönigreich, die den großen Avataren Yangchen und Salai gewidmet waren, an Orten natürlicher Schönheit auf Bergen und neben dahinströmenden Flüssen. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass es leicht sein würde. Sie hatte gelesen, dass Spiritualisten meist ihr ganzes Leben damit verbrachten, die Kunst von Meditation, Trance und Erleuchtung zu erlernen. Kyoshi war voll darauf gefasst gewesen, von der Stille des Versagens begrüßt zu werden, wenn sie versuchte, mit ihren vorigen Inkarnationen zu sprechen.

      Worauf sie jedoch nicht gefasst gewesen war: dass sie lediglich Bruchstücke von Kuruk bekommen würde.

      Und zwar nur von Kuruk.

      Jedes … einzelne …Mal!

      Ihre Meditationen hatten immer den gleichen Effekt. Sie wandte sich nach innen, versuchte, in Einklang mit ihrer Vergangenheit zu kommen, und dann traf sie auf die verschwommene Gestalt des Wasseravatars, der irgendwelche abgehackten Sätze voller Unsinn ausspuckte. Sie hatte versucht zu entschlüsseln, worum er sie bitten wollte, aber ihre Verbindung zu ihm schien einfach nicht stark genug zu sein.

      Außerdem taten ihr die Sitzungen mit all dem Zähneklappern und den Zuckungen nicht gut. Darum hatte sie nie einen Weisen, der die Geisterwelt bereits besucht hatte, gefragt, ob er ihre Meditation anleitete. Sie hatte sich vor einer Reaktion wie der Jinpas gefürchtet, wenn jemand ihr dabei zusah, wie sie so offenkundig und schmerzlich scheiterte. Schlimm genug, dass sie als Avatar Schwierigkeiten hatte, mit ihren früheren Inkarnationen Kontakt aufzunehmen. Dass sie jedoch gewaltsam weggestoßen und quasi zur Tür hinausgejagt wurde wie ein Dieb, der sich für seinen Einbruch das falsche Haus ausgesucht hatte, das war etwas ganz anderes. Kyoshi hatte keinen Bedarf, ihre Legitimität noch mehr infrage gestellt zu sehen, als das ohnehin schon der Fall war.

      Am Ende hatte sie ihre Versuche aufgegeben. Von Kuruk hatte sie ohnehin von Anfang an nicht viel gehalten, und wenn er als Einziger von tausend willens war, mit ihr in Kontakt zu treten, dann konnte sie darauf verzichten. Gelegentlich ließ er ihr jedoch keine Wahl und erschien ungebeten.

      »Das ist keine große Sache«, sagte sie zu Jinpa. »Hin und wieder hab ich eine Vision von Kuruk oder ich hör seine Stimme. Ich verstehe aber nie, was er sagen will.«

      Jinpa konnte nicht fassen, dass sie darüber sprach wie über ein Knie, das schmerzte, bevor es regnete. »Kyoshi«, sagte er und musste um die Seelenruhe seiner Ahnen beten, um angesichts ihrer Unfähigkeit nicht einen Zusammenbruch zu erleiden und in Tränen auszubrechen. »Wenn ein Avatar der Vergangenheit eine Botschaft hat, dann ist das gewöhnlich von größter Bedeutung.«

      »Na schön!«, schrie sie. »Sobald wir die Gelegenheit haben, finden wir einen großen erleuchteten Meister, von dem ich lernen kann, mit Kuruk zu sprechen! Können wir uns jetzt bitte wieder um unsere andere höchst dringliche Mission kümmern? Oder willst du irgendwie auf einen Rutsch alles in Ordnung bringen, was mit mir nicht stimmt?«

      Der verletzte Ausdruck und die tiefe Enttäuschung auf dem Gesicht des Mönchs sprachen Bände. Kyoshi war nicht nur ein schlechter Avatar, sie war auch noch eine schlechte Herrin für ihren Sekretär, die ihn nicht nur anschrie, sondern ihn sogar beleidigte. Nicht einmal Jianzhu hatte seine Bediensteten derart zur Schnecke gemacht. Eigentlich hätte sie es besser machen müssen, schließlich wusste sie selbst, wie das war.

      Und Jinpa hatte sie vor dem Ertrinken bewahrt. Hätte sie statt leichter Reisekleidung ihre schweren Gewänder und ihre Armschienen getragen, dann wäre sie vielleicht so schnell untergegangen, dass er sie nicht mehr hätte einholen können.

      »Es tut mir leid«, sagte sie. »Jinpa, es tut mir wirklich leid. Ich habe kein Recht, so mit dir zu sprechen.« Mit Yun wäre er sicher besser ausgekommen. Die beiden wären enge Freunde geworden und hätten von früh bis spät Pai Sho gespielt. »Ich … ich wünschte, du könntest einem Avatar dienen, der diesen Titel verdient.«

      Ihre Entschuldigung schien nicht ganz das zu sein, was er erwartet hatte, aber er nahm sie mit dem üblichen sanften Lächeln hin. Er kletterte auf Yingyongs Widerrist und fing an, seine nasse Robe auszuwringen. Kyoshi seufzte, tauchte das Gesicht ins Wasser und hoffte, sie könnte ihre Scham einfach abwaschen.

      In der Tiefe entdeckte sie jedoch etwas, das sie ihren inneren Aufruhr mit einem Schlag vergessen ließ.

      Der dunkle Fleck, den Jinpa von oben aus gesehen hatte, war ein zertrümmertes, versunkenes Atoll – nur mächtigstes Bändigen konnte diese Insel derart zerstört haben. Die Struktur des Riffs war überall von tiefen Rissen durchzogen, riesige Erdbrocken lagen herum und ganze Korallenbänke waren durch unfassbar heftiges Wasserbändigen glatt geschliffen worden.

      Kyoshi wusste die verräterischen Zeichen der Zerstörung zu deuten: Dies war Yangchens Insel. Hierher war Kuruk mit seinen Gefährten gekommen, um zum ersten Mal zu versuchen, in den Avatarzustand zu gelangen. Vielleicht hatten sie es nicht gewusst. Oder sie hatten den Ort in der Hoffnung ausgewählt, der große Luftavatar würde ihnen spirituellen Beistand leisten. Doch Kuruk hatte die Kontrolle verloren und das Atoll versenkt.

      Ein Ort, der Yangchen und den Luftnomaden heilig gewesen war, war vernichtet worden. Wegen seiner Fahrlässigkeit. Als sie sich wieder in den Sattel hinaufzog, nahm sie sich Jinpas Gemütsruhe zum Vorbild. Denn gerade schossen ihr einige ziemlich harsche Ansichten durch den Kopf. Je weniger sie im Augenblick über Kuruk nachdachte, desto besser.

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      DAS WIEDERSEHEN

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      SIE FLOGEN GERADEWEGS auf eine Kette aktiver Vulkane zu und auch wenn die Vorstellung seltsam erscheinen mochte, sie fühlten sich besser und besser, je näher sie dem Gebiet kamen. Endlich näherten sie sich der Feuernation.

      Jinpa wich wohlweislich den Schwaden giftigen Rauchs aus, die aus den Kratern hervorquollen, lenkte Yingyong stattdessen in Schlangenlinie über die Thermalquellen dazwischen, sodass sie auf Stößen heißer Luft dahinhüpften. Das fast schon spielerische Auf und Ab genügte, um Kyoshi für kurze Zeit ein selbstvergessenes Lächeln auf die Lippen zu zaubern.

      Auf den kleineren Inseln sahen sie Ansammlungen von Häusern, gewöhnlich an den Küsten, doch manchmal auch höher oben in den Bergen, wo es an den Hängen Almen gab und im Schatten Tee angebaut wurde. Gemeinsam erinnerten die Landmassen an den


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