Depression. Das Richtige tun. Dr. Christine Hutterer
nicht dazu zwingen, sondern nur immer wieder Ihre Beobachtung ansprechen und wie es Ihnen damit geht. Wichtig ist, dass Sie nicht ungehalten, vorwurfsvoll oder fordernd werden. Zwar ist die Behandlung leichter, je früher damit begonnen wird, doch in leichteren und mittelschweren Fällen einer Depression ist es besser, dem Patienten die Zeit zu geben, selbst den Wunsch nach Veränderung entwickeln zu lassen, als ihn zu etwas zwingen zu wollen.
Auch Hilfe für sich selbst annehmen
Wenn der Betroffene sich professioneller Hilfe verweigert, bedeutet das nicht, dass auch Sie untätig sein müssen. Vielen Angehörigen tut es gut, selbst aufgefangen zu werden und über die Sorgen um den Betroffenen zu sprechen. Daher können und sollten Sie Hilfe für sich selbst organisieren. Das können Gespräche mit der besten Freundin sein, der Besuch einer Gruppe für Angehörige von Menschen mit psychischen Erkrankungen oder auch ein Besuch beim Hausarzt oder einem Psychotherapeuten. Mehr Informationen, wo Sie als Angehörige Hilfe bekommen, erhalten Sie ab S. 64.
Der Weg zur richtigen Diagnose
Psychiater und Psychotherapeuten sind wichtige Ansprechpartner bei Depressionen. Die erste Adresse kann aber immer der Hausarzt sein.
Was kann der Hausarzt tun?
Verläuft die Erkrankung schwerer, wird der Hausarzt den Patienten an einen niedergelassenen Psychiater oder eine Klinik überweisen. Manchmal stehen auch die körperlichen Beschwerden (z. B. Schlafstörungen, Müdigkeit, Appetit- und Gewichtsverlust) im Vordergrund, sodass der Hausarzt weiterhin der Ansprechpartner bleibt. Das ist in Ordnung, denn Hausärzte kennen ihre Patienten häufig über einen längeren Zeitraum, wissen um die familiäre oder Lebenssituation und Vorerkrankungen. Für die Betreuung durch den Hausarzt spricht auch, dass Ihr Angehöriger möglicherweise mehr Vertrauen zu seinem Hausarzt hat als zu einem fremden Facharzt.
Der Hausarzt kann Ihren Angehörigen in der Zeit zwischen der Diagnose und dem Beginn einer Psychotherapie oder eines Klinikaufenthalts medizinisch begleiten. Denn unter Umständen kann es mehrere Monate dauern, bis ein Therapieplatz zur Verfügung steht. Diese Phase kann sowohl für die Betroffenen als auch für die Angehörigen schwierig sein. Ein vertrauensvoller Ansprechpartner wie der Hausarzt kann hier unterstützen. Weitere Tipps und Ideen, wie Sie diese Zeit möglichst gut gestalten können, erfahren Sie ab S. 127.
Zu guter Letzt hat der Termin beim Hausarzt für den Betroffenen noch einen weiteren Vorteil: Weder die Arzthelferin am Empfang noch die anderen Patienten im Wartezimmer wissen, warum man heute kommt – es könnte aufgrund eines Infekts, einer Impfung oder einer anderen Gesundheitsberatung sein – und das macht es manchen Betroffenen leichter.
Wer stellt eine Diagnose?
Da verschiedene Ursachen für das Auftreten von depressiven Symptomen verantwortlich sein können, ist eine umfassende Anamnese und Diagnostik von großer Bedeutung. Der Hausarzt kann hier eine erste Einschätzung vornehmen. Zum einen lernen Allgemeinmediziner in ihrem Studium auch, wie psychische Erkrankungen erkannt werden können, zum anderen haben sie den ganzen Menschen im Blick.
Bis die Diagnose gesichert ist, spricht man von einem „depressiven Syndrom“. Mithilfe von Blutuntersuchungen und bildgebenden Verfahren werden andere Ursachen für die Symptome ausgeschlossen, wie eine Schilddrüsenerkrankung, ein Tumor oder Nebenwirkungen von Medikamenten. Erst dann wird die Diagnose Depression gestellt. Aus diesem Grund ist es sehr wichtig, zuerst einen Arzt aufzusuchen und nicht die Abkürzung direkt zu einem psychologischen Psychotherapeuten zu wählen. Der ist zwar geschult darauf, Depressionen zu erkennen und zu behandeln, kann aber nicht die gesamte Diagnostik durchführen und auch keine medikamentöse Behandlung beginnen. Neben dem Hausarzt kommen folgende Ansprechpartner infrage:
Der Schweregrad der Depression
Anhand der Anzahl der Haupt- und Nebensymptome wird der Schweregrad eingeordnet. Als Hauptsymptome gelten Niedergeschlagenheit und Traurigkeit, Verlust von Interesse und Freude sowie Antriebslosigkeit und Energieverlust. Nebensymptome sind verminderte Konzentration und Selbstvertrauen, Gefühle von Schuld und Wertlosigkeit, Schlafstörungen, Gewichtsveränderungen und Suizidgedanken/-handlungen. Nach der internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD) müssen für die Diagnose mindestens zwei Haupt- und zwei Zusatzsymptome vorliegen. Je mehr Symptome, desto schwerer ist die Depression: