Petra und der Reiterhof. Torbjörg Hagström
falsche Richtung ritt. Polly unternahm auch noch etliche Versuche, die anderen Pferde zu treten. So mußte man mit dem ganzen Programm mehrmals neu beginnen, doch schließlich verlief alles vorschriftsmäßig.
Nach der Generalprobe versammelte Karin alle Teilnehmer um sich und erteilte Weisungen. Petra sollte im Sekretariat mithelfen. Schreiben konnte sie, da ihr linker Arm gebrochen war.
Für den Nachmittag hatte sie Astrid versprochen, daß sie einige Zeit auf Svala reiten durfte.
„Bist du heute mit Cherokee geritten?“ fragte Petra, während sie Svala aus dem Stall führten.
„Nein, aber Lena hat für das Fest trainiert“, erwiderte Astrid und fügte dann hinzu: „Ich habe mich jetzt entschieden, Petra. Wir werden Cherokee behalten.“
„Oh, prima! Dann ist alles geklärt.“
„Jaaa …“
„Du, jetzt ist der Sattel zu weit hinten!“
Astrid schob den Sattel weiter vor, zog ihn dann jedoch langsam wieder nach hinten.
„Halt! Ja, jetzt liegt er gut.“
Den Sattel an die richtige Stelle zu bekommen war das einzige, wobei Astrid jetzt noch Hilfe brauchte, wenn sie Svala für einen Ritt fertig machte. Petra stand vor der Box, den Arm in der Schlinge, und konnte ihr nur mit guten Ratschlägen helfen. Doch es klappte trotzdem, und Petra fand, daß Astrid in der kurzen Zeit eine ganze Menge gelernt hatte.
Das blinde Mädchen schwang sich in den Sattel und redete dabei sanft mit Svala.
Wenn es einen Menschen gibt, der Svala ebensogern hat wie ich, dann ist es Astrid! dachte Petra unwillkürlich.
Sie grübelte noch ein wenig, als sie neben dem Pony zur Reitbahn ging. Und während Astrid ritt, ernst und glücklich zugleich, faßte Petra einen bedeutungsvollen Entschluß.
Das schönste Geschenk
Ein derartiger Trubel hatte nie zuvor in der Reitschule geherrscht. Viele Transportautos parkten hinter dem Stall, und fremde, edle Pferde mit Fesselbinden und Decken wurden herumgeführt und in freien Boxen untergebracht. Da das Wetter strahlend schön war, kamen besonders viele Leute. Zwei Mädchen vom Reitklub, die Würstchen und Limonade verkauften, hatten bald alle Hände voll zu tun.
Herr Verelius hielt eine Rede. Er hieß alle Gäste herzlich willkommen und wünschte sich, daß das Interesse an seiner Reitschule auch weiterhin anhalten möge. Dann begann die Vorführung mit der Quadrille, die als erster Punkt auf dem Programm stand.
Petra war mit Astrid und deren Eltern unter den Zuschauern. Sie reckte sich, um besser sehen zu können. Würde alles gutgehen? Jedes einzelne Pferd mußte sich ja während der ganzen Zeit genau nach Vorschrift bewegen, damit kein Durcheinander entstand. Keiner durfte zu schnell oder zu langsam reiten, und Petra wußte, daß das leichter gesagt als getan war. Polly versuchte diesmal wenigstens nicht, auszuschlagen, sondern begnügte sich damit, des öfteren zornig die Ohren zurückzulegen. Petra seufzte vor Erleichterung. Es wäre keine gute Reklame für die Reitschule gewesen, wenn die Pferde während der Vorführung aufeinander losgegangen wären.
Es war ein seltsames Gefühl für Petra, unter den Zuschauern zu sein. Ihr Platz hätte ja mit den anderen auf der Bahn sein müssen! Nun beobachtete sie, wie die acht Reiter eine Kehrtwendung machten, zuerst einzeln, dann paarweise und schließlich alle acht nebeneinander, und sie erinnerte sich an all die Übungsstunden während des Sommers. Wie oft hatte sie das selbst auf Rex geprobt.
Als die Pferde Seite an Seite stehenblieben, erklang donnernder Applaus aus den Zuschauerreihen.
Zwischen der Quadrille und der Voltigevorführung, die als nächstes auf dem Programm stand, wurden ein paar Minuten Pause eingelegt, da Troll abgesattelt werden mußte und statt dessen an den Voltigegurt genommen wurde. Die Zeit wurde mit Musik aus dem Lautsprecher überbrückt, und einige der Zuschauer kauften sich Limonade oder Würstchen.
Als Troll jedoch begann, im Kreis um Karin herumzutraben, während Lena und die anderen Mädchen mit ihren Kunststücken anfingen, verließ keiner mehr seinen Platz. Und Petra beschrieb Astrid genau, was auf der Reitbahn geschah. Ein Mädchen nahm einen so gewaltigen Anlauf, als sie aufs Pferd springen sollte, daß sie direkt über Troll hinwegsegelte und auf der anderen Seite im Sand landete. Das Publikum klatschte und lachte begeistert.
Die letzte Vorführung war ein Spiegelritt, der von Agneta und Charlotte ausgeführt wurde. Beide waren in schwarze Jacken und weiße Reithosen gekleidet und glichen einander wie ein Ei dem anderen. Nur an der Farbe der Pferde konnte man die beiden unterscheiden. Natürlich war diese Schau sehr wirkungsvoll, und das Publikum sah mit angehaltenem Atem zu. Petra mußte sich eingestehen, daß die Zwillinge sehr gut ritten. Ihr Programm klappte perfekt, und es war sehr viel schwieriger durchzuführen als die Quadrille.
Nach dieser Vorführung waren zwei Stunden Mittagspause vorgesehen. Dann sollten die Wettkämpfe stattfinden. Vorher wurden jedoch die dafür angemeldeten Pferde noch von einem Tierarzt besichtigt.
Petra saß im Büroraum und verteilte die Nummernzettel an jene Reiter, deren Pferde die Prüfung hinter sich gebracht hatten. Sie wünschte Karin von ganzem Herzen den Sieg. Karin war so nett; sie hatte allen anderen beim Training geholfen und sich um die Vorführung gekümmert. Dabei hatte sie selbst kaum Zeit zum Üben gefunden.
„Was für ein Pech, daß du nicht mitmachen kannst!“ sagte Rosemarie, als sie Ballades Nummernzettel abholte.
„Ja, aber es ist eben nicht zu ändern.“
„Wir werden hier bestimmt noch mehr Wettkämpfe austragen.“ Rosemarie versuchte sie aufzumuntern. „Du und Svala, ihr beide bekommt sicher noch ein andermal die Chance, zu zeigen, was ihr könnt.“
Petra murmelte etwas Unverständliches. Sie hatte dazu ihre eigene Meinung, doch das war ein Geheimnis, das sie noch nicht verraten wollte.
„Aber bestimmt!“ versicherte Rosemarie. „Glaubst du denn nicht daran?“
Petra zwang sich zu einem Lächeln.
„Ach, bald bin ich diesen dummen Gips los, und dann kann mich nichts mehr vom Reiten abhalten. Viel Glück fürs Springturnier!“ Sie sah Rosemarie nach und dachte: Nicht einmal an diesem einzigen Wettkampf darf ich auf Svala teilnehmen! Als Petra noch kleiner war und Svala nur ein unerfahrenes Jungpferd, hatte sie sich oft ausgemalt, daß sie eines Tages zusammen große Wettkämpfe gewinnen würden. Doch das mußte nun für immer ein schöner Traum bleiben.
Diesmal mußte sie sich damit begnügen, Zuschauer zu sein, doch das konnte ja auch Spaß machen. Das C-Springen war als erstes an der Reihe, und Petra war neugierig, wie es Lena dabei ergehen würde.
Cherokee und Lena hatten sich bereits auf den Weg zur Reitbahn gemacht; Lena mit den Taschen voller Karotten und dem Kopf voll guter Ratschläge. Die Eltern gingen mit Astrid und Petra zur Tribüne. Dann begann der Wettkampf, und Astrid lauschte Petras lebendiger Beschreibung über die Vorgänge auf der Bahn.
„Jetzt ist Lena an der Reihe!“ sagte Petra plötzlich. „Da kommt sie. Das Startsignal wird gegeben, und sie reitet los. Cherokee scheint recht munter zu sein. Er geht das erste Hindernis etwas zu schnell an, aber es klappt trotzdem …“
Jetzt springt mein Pferd! dachte Astrid. Aber es war irgendwie eine unwirkliche Vorstellung. Alle anderen konnten sehen, was auf der Bahn geschah, doch sie wußte nicht einmal, wie ihr eigenes Pony aussah. Plötzlich wünschte sie sich, sie wäre zu Hause geblieben.
„Ach du liebe Güte, jetzt ist Lena beim Landen vom Pferd gefallen! Aber sie läßt die Zügel nicht los. Jetzt sitzt sie schon wieder im Sattel und reitet weiter. Nein, Cherokee hält beim Koppelrick plötzlich an – er, der sonst nie verweigert. Da, jetzt macht er wieder unvermittelt halt, und Lena rutscht ab, landet aber auf den Füßen. Das sind … warte mal, sie hat schon fünfundzwanzig Fehler! Da verweigert Cherokee zum drittenmal. Wie schade, jetzt ist sie ausgeschlossen.“
Astrid